Harry Kane beim Aufwärmen während des DFB-Pokal-Spiels zwischen dem 1. FC Saarbrücken und dem FC Bayern München.

Pokal-Blamage in Saarbrücken FC Bayern - ohne Kane werden die Schwachstellen deutlich

Stand: 03.11.2023 08:08 Uhr

Beim blamablen DFB-Pokal-Aus des FC Bayern bei Drittligist Saarbrücken saß Harry Kane 90 Minuten auf der Bank. Alleine damit kann die Niederlage aber nicht erklärt werden.

Von Raphael Weiss

Eigentlich ist Harry Kane für den FC Bayern unverzichtbar. Zweieinhalb Monate sind vergangen, seit der FC Bayern so tief in die gut gehütete Schatulle gegriffen hat, wie noch nie zuvor. Seither beweist der 100-Millionen-Mann in jedem Spiel, warum die Münchner mehr als ein Jahr an dieser Verpflichtung gearbeitet hatten. Zwölf Spiele, 21 Torbeteiligungen, Harry Kane hat einen großen Anteil daran, dass der FC Bayern derzeit mehr Tore schießt, als jede andere Mannschaft in Europas Spitzenligen.

Etwas so Wertvolles will man natürlich schützen. Und so entschied sich FC-Bayern-Trainer Thomas Tuchel mit bangem Blick auf den durchweichten Rasen im Saarbrücker Ludwigsparkstadion, auf dem ein Gegner wartete, der der Klasse der Münchner vor allen Dingen körperlichen Einsatz entgegenwerfen würde, das Tafelsilber gut verpackt auf der Bank zu lassen.

Kane auf der Bank - Die Offensive des FC Bayern lahmt

90 Minuten beobachtete Kane, der vor allen Dingen nach München gewechselt war, um Titel zu gewinnen, wie seine Kollegen auf dem Platz seine zweite Chance auf einen solchen verspielten. Im Supercup gegen Leipzig kam der Mittelstürmer erst, als die Münchner schon mit 0:2 zurücklagen. Im DFB-Pokal hatte er in zwei Spielen keine einzige Minute auf dem Platz gestanden. Der neue Schlüsselspieler sollte geschont werden und bei Kräften sein, wenn am Samstag der ewige Rivale aus Dortmund (Dortmund - FC Bayern am Samstag, 04. November, um 18.30 Uhr in der Radioreportage) im Kampf um den Bundesliga-Titel auf Abstand gehalten werden soll.

96 Minuten lang mühte sich der FC Bayern ab, ein zielgerichtetes Offensiv-Spiel aufzuziehen. Dann schockte Marcel Gaus die Münchner nach dem zweiten eklatanten Patzer des Abends im Münchner Abwehrverbund. Nur daran, dass Tuchel den Stürmerstar nur auf der Bank schmoren ließ, lag die Pokal-Blamage freilich nicht. Und doch bewahrheitete sich ein Schema, das sich über die so erfolgreichen vergangenen Wochen abgezeichnet hatte.

Bester Scorer der Liga: Kane ist in Deutschland angekommen

Die Abwehr des FC Bayern ist ähnlich anfällig wie in der vergangenen Saison. Weder Min-jae Kim noch der Dauerverletzte Raphaël Guerreiro konnten daran etwas ändern. Der große Unterschied zu der abgelaufenen Spielzeit ist die Offensive, die bislang keine Verteidigung bändigen konnte. Egal welcher Gegner sich den Münchnern bislang in den Weg stellte, zwei Tore schoss der FC Bayern mindestens. Einzige Ausnahme: der 1. FC Saarbrücken.

Kane ist die einzige Veränderung in Münchens Angriffsreihe. Dafür, dass er an 1,75 Treffern pro Spiel beteiligt ist, wirkt der Mittelstürmer auf dem Spielfeld auffällig unauffällig. Erst 277 Mal hatte der Engländer den Ball in der Bundesliga am Fuß. Fast jeder andere Stammspieler des Rekordmeisters hat mehr Ballberührungen. Und doch ist sein Einfluss nicht nur daran messbar, dass er die meisten Scorerpunkte in der Bundesliga hat und kein anderer Spieler mehr Steilpässe als er spielt. Kane ist wahnsinnig effizient und hat ein sehr gutes Gefühl für Spiel, Gegner und Mitspieler.

Kane: Uneitler Superstar mit Arbeitswille

Zudem beherrscht er die ganze Klaviatur eines Weltklasse-Stürmers. Ob Abstauber-Tore, Wurschtl-Tore wie beim 1:0 gegen Darmstadt oder Traumtore wie das 6:0 gegen Darmstadt, bei dem Kane aus 60 Metern Torwart Marcel Schuhen überwand - Kane trifft aus allen Lagen. Zudem hat das Angriffsspiel der Münchner wieder einen echten Zielspieler, der ihnen seit dem Abgang von Robert Lewandowski schmerzlich gefehlt hatte.

Doch auch wenn Kane den Ball nicht am Fuß hat, macht er das Offensiv-Spiel seiner Mannschaft besser. Der Engländer ist ein uneitler Superstar, ein fleißiger Arbeiter, der unermüdlich seine Routen läuft, seinen Mitspielern Lösungen und Möglichkeiten für Geistesblitze anbietet. Ein ständiger Unruheherd für gegnerische Verteidigungen, der dadurch auch abseits des Balls Löcher reißt, die derzeit vor allen Dingen Leroy Sané und Jamal Musiala ausnutzen können.

Die Abwehr bleibt die Problemzone

Kane ist ein großer Faktor dafür, dass der FC Bayern es derzeit schafft, die eklatanten Schwachstellen in Spielaufbau und Defensivverbund zu kaschieren. Und dass zumindest bei den wichtigsten Titeln - Champions League und Meisterschaft - beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Saison geschaffen sind und trotz des blamablen DFB-Pokal-Aus gegen Saarbrücken, das Erdbeben beim FC Bayern in der vereinseigenen Richterskala eher milde ausfällt.

Doch auf Dauer kann das nicht gut gehen. Damit Kanes große Mission, mit der er sich nach München aufgemacht hat, in Erfüllung geht und er Titel gewinnt, dafür muss nun der Verein im Winter den nächsten Schritt gehen. Die Bundesliga startete spannend wie nie und in der Champions League kann sich eine derart wackelige Defensive spätestens ab dem Halbfinale kaum noch halten. Auf Dauer kann selbst ein Superstar wie Kane die Schwächen in allen Mannschaftsteilen nicht auswetzen.

Im Video: hat sich Thomas Tuchel verzockt? Der Bayern-Trainer im Interview

Thomas Tuchel beim Spiel gegen Saarbrücken

Dieser Artikel ist erstmals am 2. November 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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Quelle: BR24Sport 02.11.2023 - 18:30 Uhr