Sportpolitik | DOSB Kommentar: DOSB braucht konsequente Aufarbeitung

Stand: 15.11.2021 14:16 Uhr

Nach einem weiteren turbulenten Wochenende steht der DOSB vor einem Scherbenhaufen. Das Führungsgebaren der scheidenden DOSB-Spitze muss nun konsequent aufgearbeitet werden - ein Kommentar.

Die jüngsten Turbulenzen in und um den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) hatten am Wochenende weitere Kollateralschäden und Absatzbewegungen auf der Führungsetage im Haus des Sports zur Folge: Die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker muss gehen, der CSU-Politiker und Kandidat für das Präsidentenamt, Stephan Mayer, wirft freiwillig das Handtuch, und Präsidiumsmitglieder und Vorstände gehen zum Duo Alfons Hörmann/Rücker und deren Gebaren auf Distanz.

Ausgelöst wurde das nächste Beben durch einen Brief des ehemaligen DOSB-Vorstandsmitglieds Karin Fehres. Darin schildert sie, wie Noch-Präsident Hörmann, Rücker und deren ehemaliger Vorstandskollege Thomas Arnold – zuständig für Personal und Finanzen –  ihr mit juristischen Konsequenzen drohten, sollte sie sich nicht öffentlich als Autorin des anonymen Briefs vom 6. Mai outen. Darin war im Namen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DOSB ein "Klima der Angst" beklagt worden - erzeugt von Hörmann und seiner Führungscrew. Fehres nannte die Verdächtigung "absurd" und "haltlos".

Bereitschaft zur Aufklärung hält sich in Grenzen

Der Vorgang brachte den Sport-Dachverband nun endgültig zum Absturz. Und was nun? Nach der bewährten Methode "Sport": aussitzen, schönreden, weiter so? Es scheint so. "Wir müssen nach vorne schauen und uns nicht mehr mit der Vergangenheit beschäftigen", gab Ingo Weiss, einer der Koordinatoren des vermeintlichen Neustarts am Sonntag (14.11.2021) als Parole aus.

Aber das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben, denn die Bruchlandung, die Pilot Hörmann und Co-Pilotin Rücker samt Crew hinlegten, muss untersucht werden. Aber wie? Die Bereitschaft, rigoros und schnell Aufklärungsarbeit zu leisten, hält sich im inneren DOSB-Zirkel offensichtlich in Grenzen. Wäre Karin Fehres nicht an die Öffentlichkeit gegangen, dann wären die "Machenschaften" auf der DOSB-Chefetage wohl kaum ans Tageslicht gekommen.

Die vorgebliche Ahnungslosigkeit, die Präsidiumsmitglieder und Vorstände nun in einem regen Briefverkehr schriftlich kundtun, ist mehr als befremdlich, durchschaubar und kläglich. Denn: Es gab in den acht Jahren Amtszeit von Hörmann viele Anlässe und Momente, in denen der erlauchte Kreis der den Präsidenten umgebenden haupt- und ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre schon mal hätte genauer nachfragen können. Zum Beispiel was das Gerede über ein Manifest der Athletinnen und Athleten sollte, das es, wie sich herausstellte, gar nicht gab. Oder warum Anwälte und nicht die Pressestelle auf Medienanfragen in langen Schreiben erklärten, weshalb sie Fragen nicht beantworteten. Oder warum man in der Pandemie viel zu spät reagierte. Oder warum Athletinnen und Athleten am Präsidiumstisch noch immer eher geduldet als willkommen sind.

Auch jetzt wird nur halbherzig agiert

Die, die dabeisaßen, haben es einfach laufen lassen, fühlten sich nicht bemüßigt, als Korrektiv zu einem unberechenbaren Präsidenten zu agieren. Auch die meisten Mitgliedsorganisationen zeigten eher Desinteresse, wollten sich mit den Leuten an der Spitze der Dachorganisation aus Eigeninteresse nicht anlegen.

Auch jetzt wird nur halbherzig agiert. Ein Beispiel: Angeblich soll es ein Sprach-Gutachten geben, das Hörmann und Co. offenbar als Beleg anführten für Fehres' Urheberschaft von besagter Mail aus dem Mai. Ingo Weiss erklärt, er habe das Gutachten nicht vorliegen, aber vielleicht bekäme er es zu Weihnachten, dann könne er es in Ruhe lesen. Aber sollte man nicht als gestandener Funktionär sofort ins Rotieren kommen und das Gutachten bei Hörmann anfordern, um zu wissen, worum es geht? Oder wusste man das alles doch schon?

Das alles zeigt deutlich was passiert, wenn die Verursacher der Krise immer noch bestimmen dürfen, wo es langgeht. Deshalb hätten die Verbände Hörmann und Co. schon lange aus dem Rennen nehmen müssen. Spätestens jetzt aber – also noch vor der Mitgliederversammlung am 4. Dezember in Weimar - ist dies unvermeidlich geworden. Drei Wochen sind es noch bis dahin. Aber die "Sportfamilie" dreht und windet sich - zumindest, wenn es um die Entlastung von Vorstand und Präsidium geht. Immerhin ist die Ehrenpräsidentschaft für Hörmann mittlerweile ad acta gelegt, weil sie nicht mehr mehrheitsfähig ist.

Unabhängige Untersuchung nötig

Wie die Mitgliederversammlung über die Bühne gehen soll, und ob der Neustart nicht mit einer knallenden Fehlzündung beginnt, das ist ebenso wenig geklärt wie die Frage, wer denn nun von den übrig gebliebenen Präsidiumsmitgliedern wieder antreten wird: Vize Andreas Silbersack hat sich als einziger klar erklärt, nicht wieder zu kandidieren.

Die drei Damen am Tisch taktieren: Uschi Schmitz (Leistungssport) will abwarten, wer den Posten an der DOSB-Spitze übernimmt, Gudrun Doll-Tepper (Bildung) und Petra Tzschoppe (Frauen und Gleichstellung) möchten gerne wieder dabei sein - egal unter wem. Und distanzierten sich nun nicht zuletzt auch deshalb in einer "ergänzenden Erklärung" von Hörmann und Rücker. Auch sie sind offenbar nicht bereit, für ihr Nichthandeln endlich Verantwortung zu übernehmen und auf einen Platz im Präsidium zu verzichten.

Vertrauen und Glaubwürdigkeit kann man so aber sicher nicht zurückgewinnen, wenn altes Personal den Start in eine neue Zukunft übernehmen soll. Die neue DOSB-Crew wäre deshalb gut beraten, einem unabhängigen Untersuchungsteam - ohne ehemalige oder aktuelle Vertreter aus dem Sport – die Aufklärung und Aufarbeitung der Vorgänge in der Ära Hörmann/Rücker zu übergeben: Lobby Control oder Transparency International wären da schon mal zwei Vorschläge. Augen zu und durch wird dem deutschen Sport diesmal nicht helfen.