Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) will bei den Vereinen eine Umfrage zur Energiekrise starten.

Kommissionsbericht zu DOSB-Affäre 700.000 Euro, aber "kein strafrechtliches Verhalten"

Stand: 20.10.2022 10:03 Uhr

Eine Prüfkommission zur DOSB-Affäre um Ex-Präsident Alfons Hörmann stellt "kein strafrechtliches Verhalten" der Verbandsspitze fest. Doch der Skandal kostete den Verband viel Geld.

Gemessen an dem Beben, das ein anonymer Brief im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vom 6. Mai 2021 nicht nur in der Führungsetage des Dachverbandes, sondern im gesamten deutschen Sport und in der Öffentlichkeit auslöste, ist der Bericht der externen Prüfungskommission nun ohne großes Getöse und eher beiläufig am Mittwochabend (19.10.2022) auf dosb.de veröffentlicht worden. Ergänzt durch ein Interview mit den beiden Kommissionsmitgliedern sowie Stellungnahmen des Ex-DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann und der Ex-Vorstandsvorsitzenden Veronika Rücker.

Ergebnis der Untersuchung: Hörmann und die Vorstands-Vorsitzende Rücker hätten mit erheblichen finanziellen Aufwand versucht, die Verfasser des anonymen Briefes herauszufinden, der heftige Kritik an Präsident, Präsidium und Vorstand übte. Aber, so stellten die beiden untersuchenden Juristen Clemens Basdorf, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, und Rechtsanwältin Christa Thiel, vormals Schwimm-Präsidentin und DOSB-Vize, fest, es liege "kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten der DOSB-Verantwortlichen" vor.

Geschwärzte Seiten

50 Seiten umfasst der Bericht und dennoch bleiben Fragen offen, die im Sinne der Transparenz und einer glaubwürdigen Aufarbeitung Antworten durchaus von Interesse wären. Etwa zu den detaillierten Kosten für Anwälte, Kommunikationsberater oder Sprachgutachter. Oder warum zu Unrecht Verdächtigte zu Verdächtigen in der Briefaffäre wurden. Anhänge dazu sind in der veröffentlichten Version allerdings geschwärzt.

Die vergebliche Suche nach den Autoren des Briefs hat den mit öffentlichen Geldern finanzierten DOSB insgesamt 700.000 Euro gekostet. Auch Kommunikationsberater wurden hinzugezogen, als eigentlich kaum noch etwas zu retten war. Sie scheiterten offensichtlich an der Beratungsresistenz des Führungsduos Hörmann/Rücker.

"Dass das schon sehr, sehr viel Geld gewesen ist, ist unstreitig. Man muss das auch in Relation sehen: Der DOSB ist ja kein DAX-Unternehmen, das hier angegriffen wurde, sondern eine gemeinnützige Organisation", sagte Rechtsanwältin Thiel.

Und ihr Kollege Basdorf ergänzte: "Trotz der Gemeinnützigkeit hat man ganz sicher gemeint, weil man gehoben in der Hierarchie des Sports angesiedelt ist, sich da kostenträchtig bedienen zu können und zu sollen, um Optimales zu erreichen." Er sei erstaunt gewesen, "wie wenig mit eigenem juristischen Personal an Problemlösungen gearbeitet wurde."

Überraschendes Zeugnis für Hörmann

Der Bericht ist insgesamt ambivalent. "Es ist mit Sicherheit zu erwarten, dass bei vielen Enttäuschung in der einen oder anderen Richtung da sein wird, wahrscheinlich wird helle Freude nur bei wenigen  aufkommen. Das ist dem Thema unserer Untersuchung geschuldet", sagt Basdorf und liegt mit dieser Einschätzung wohl richtig.

Überraschend ist allerdings das Zeugnis, das die Kommission dem ehemaligen DOSB-Präsidenten ausstellt: "Alfons Hörmanns Engagement bei Wahrnehmung seiner ehrenamtlichen Präsidententätigkeit war außergewöhnlich hoch, er arbeitete mit vollem Einsatz und ohne jeden materiellen Eigennutz, war bei seinem Wirken als Präsident von hohen Ansprüchen gegen andere, vor allem aber auch gegen sich selbst."

Kritik an Hörmann verhalten

In dem anonymen Brief war dagegen von einer "Kultur der Angst" die Rede, Hörmanns Menschenführung wurde darin scharf kritisiert. In dem Bericht der Prüfkommission klingt das nun ganz anders: "Er kommunizierte offen, klar und direkt. In Präsidium und Vorstand ergaben sich bei alledem keine wesentlichen Probleme, alle konnten mit Hörmanns Umgangs- und Führungsstil mehr oder weniger umgehen, und es herrschte weitgehend Einvernehmen."

Die Kritik an Hörmanns Führungsstil fällt dagegen verhalten aus: "Das Verhältnis des Präsidenten zu den Mitarbeitenden wurde als problematisch empfunden." Besonders seien von diesem verhalten primär die Mitarbeitenden im Präsidenten- und Vorstandsbereich betroffen gewesen.

"Der Führungsstil des Präsidenten Hörmann… war im Sinne nach Satzung und Good-Governance-Regeln gebotenen respektvollen Umgangs fragwürdig", hält die Kommission schriftlich fest.

Hörmann bedauert

Das als schwierig empfundene Verhalten des Präsidenten sei über den unmittelbaren Bereich hinaus bekannt gewesen und Gesprächsthema. Um so unverständlicher wirkt im Nachhinein das Verhalten des Restpräsidiums und Vorstandes, dass sie offensichtlich das Vorgehen des Tandems Hörmann/Rücker hingenommen haben.

Hörmann läßt sich so auf den Bericht ein: "Dass einige unserer Entscheidungen in diesen schwierigen Zeiten nicht immer angenehm und ohne entsprechende Hintergrundinformtionen manchmal nur schwer nachvollziehbar waren, kann ich verstehen. Wenn meine Art von Fordern und Fördern an manchen Stellen als zu klar und teilweise unangemessen empfunden wurde, dann bedauere ich das. Der gegenseitige respektvolle Umgang war, ist und bleibt mir ein wichtiges Anliegen."

Anonymer Brief an den Betriebsrat schon 2020

Bemerkenswert ist auch, dass es schon 2020 einen anonymen Brief an den Betriebsrat des DOSB mit ähnlichem Inhalt gab, der wurde aber nicht ernst genommen. Eine Fehleinschätzung der Stimmung. Und so kam der Brief, der dann die Turbulenzen auslöste, offensichtlich mit Ansage.

Für die von Hörmann und Rücker angeheuerten juristischen Berater ist diese DOSB-Geschichte auch kein Ruhmesblatt. Darauf verweist die eher unversöhnlich wirkende Rücker in ihrer Stellungnahme: "Fakt ist: Sämtliche (!) Schritte im Zuge der Aufarbeitung, insbesondere die nun im Nachhinein durch den Bericht kritisierten juristischen und kommunikativen Maßnahmen, erfolgten auf expliziten Expertenrat."

Die Prüfkommission empfiehlt als Konsequenz aus den Vorgängen ein Umdenken innerhalb des DOSB, "im Umgang mit Medien Offenheit, Sachlichkeit, Zuverlässigkeit, Wahrheitsliebe und faire Gleichbehandlung zu üben".