Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman steht hinter der Übernahme von Newcastle United

Fußball | Premier League Saudi-Arabien übernimmt Newcastle United

Stand: 07.10.2021 18:35 Uhr

Ein Konsortium um Saudi-Arabiens Staatsfonds übernimmt nach rund 18 Monaten Hängepartie den Premier-League-Klub Newcastle United. Bisheriges Hindernis war nicht der Umgang mit Menschenrechten - sondern der mit TV-Rechten.

Nach viereinhalb Jahren wird Saudi-Arabien übereinstimmenden Medienberichten zu Folge die Blockade von beIN Sports beenden. Der katarische Sportsender, der in der Region die TV-Rechte für die Premier League besitzt, darf nun auch im Königreich Saudi-Arabien seine teuren Fußballbilder verbreiten.

Hinzu kam, dass aus Saudi-Arabien bis vor einigen Monaten der Sender BeoutQ operierte, der das Signal aus Katar kopierte und widerrechtlich weiterverbreitete. Für die Premier League war dieser Zustand noch maßgeblich, der Übernahme im Frühjahr 2020 nicht zuzustimmen. Nun ist der Weg frei, Saudi-Arabien drängt endgültig auf die Weltbühne des Profifußballs. Die Premier League bestätigte am Donnerstag (07.10.2021) die Übernahme.

350 Millionen kostet die Mehrheit am Klub, weiteres Geld nötig

Katar besitzt Paris Saint-Germain, aus Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten wird Manchester City gelenkt. Saudi-Arabien und Kronprinz Mohammed bin Salman fehlte bislang ein vergleichbares Werkzeug, um das eigene Image reinzuwaschen und sich gleichzeitig mit den Rivalen und Nachbarn zu messen. Im geopolitischen Gezänke auf der arabischen Halbinsel spielt die Glitzerwelt Fußball zur Profilierung eine wichtige Rolle.

Für 300 Millionen britische Pfund (umgerechnet rund 350 Millionen Euro) wird nun eine Investorengruppe unter maßgeblicher Beteiligung des "Public Investment Fund", ein saudischer Staatsfonds unter der Kontrolle des Kronprinzen, Newcastle United übernehmen.

Der Klub ist derzeit nicht für den zauberhaftesten Fußball der Welt bekannt. In den aktuell sieglosen Tabellenvorletzten der Premier League muss Saudi-Arabien wohl viele weitere Millionen stecken, um ihn mittelfristig auf Augenhöhe mit Katar und Paris sowie mit Abu Dhabi und Manchester City zu bringen.

Saudi-Arabien missachtet grundlegende Menschenrechte

Saudi-Arabien wird von einer streng konservativ islamischen Monarchie geführt, die grundlegenden Menschenrechte werden nicht geachtet. Es gibt keine Meinungsfreiheit, keine Religionsfreiheit, Frauen haben wenige Rechte, Homosexualität steht unter Strafe. Die Todesstrafe wurde alleine 2020 laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International 27 Mal vollstreckt.

Journalist Kashoggi

Als Newcastle United 2020 erstmals Ziel einer Übernahme durch Saudi-Arabien war, wurde zudem der aus dem Königreich gesteuerte Mord an dem kritischen saudi-arabischen Journalisten Jamal Kashoggi thematisiert. Kritik am Regime steht de facto unter Strafe. Kashoggi wurde 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul von einem Killerkommando getötet. Kronprinz bin Salman wird vom US-Geheimdienst CIA und von einer UNO-Sonderermittlerin eine mindestens indirekte Beteiligung vorgeworfen, was er stets bestritt.

Premier League "prüft" neue Besitzer - aber nicht auf Menschenrechte

"Der Kauf des englischen Clubs wird vollzogen, um das angeschlagene Image aufzupolieren", sagte Kashoggis Verlobte Hatice Cengiz 2020 in der Sportschau. "Falls er zustande kommen sollte, wäre das ein falscher Schritt, denn das würde bedeuten: Egal was passiert, wer Macht und Geld hat, kann alles unter den Teppich kehren." Die Premier League unterband den Kauf damals - jedoch nicht wegen des Mordes oder anderer Menschenrechtsverletzungen, sondern wegen der TV-Bilder ihrer Spiele.

Neue Besitzer von Klubs werden von der Premier League in einem Verfahren überprüft. Sacha Deshmukh, Geschäftsführer des britischen Ablegers von Amnesty International, sagte: "Wir haben die Premier League aufgefordert, die Prüfung ihrer Besitzer und Direktoren dringend zu ändern und Menschenrechtsfragen ansprechen." Der Begriff "Menschenrechte" tauche in dem Test nicht einmal auf. Eine Reaktion der Liga darauf liegt bislang nicht vor.

Entscheidend waren andere Themen: Bedingung der Liga war, dass Newcastle künftig nicht unter der Kontrolle des Staats Saudi-Arabien steht. Der Staatsfonds wäre zwar Mehrheitseigner des Klubs und damit auch Kronprinz bin Salman. Der BBC zufolge soll der Fonds aber als "vom Staat getrennt" betrachtet werden, was die Übernahme erst möglich machte.

Ein Großteil von Newcastles Fans würde wohl jeden nehmen

Unter den Fans von Newcastle United gibt es nur zaghafte Ablehnung gegen die neuen Besitzer. Alle Bedenken werden von der freudigen Aussicht weggewischt, den ungeliebten bisherigen Klubchef Mike Ashley loszuwerden. Mehrere Fans feierten am Stadion. "Die Vorfreude und die Aufregung sind riesig, darauf haben wir 14 Jahre lang gewartet", sagt Thomas Concannon, stellvertretender Vorsitzender der Fan-Organisation "Newcastle United Supporters Trust" im Gespräch mit der Sportschau.

Ashley, ein englischer Geschäftsmann, hat sich bei den Anhängern in den 14 Jahren seiner Zeit als Besitzer von Newcastle United extrem unbeliebt gemacht. Der zentrale Vorwurf: Er habe notwendige Investitionen in die Mannschaft, in das Stadion und in das Trainingsgelände unterlassen. "Er hat den Klub 14 Jahre lang vernachlässigt", sagt Concannon.

Gibt es Bedenken wegen der Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den möglichen neuen Besitzern? "Wenn, dann sind sie minimal", sagt Concannon. 1927 war der Klub letztmals Meister, 1955 Pokalsieger. "Die breite Mehrheit der Fans ist gespannt, was die Zukunft nun sportlich bereit hält."