Bunt, aber ohne Regenbogen - die "One Love"-Kapitänsbinde

Kapitänsbinden bei der WM Zeichen gegen Diskriminierung, aber ohne Regenbogen

Stand: 21.09.2022 20:15 Uhr

Der DFB und sieben andere Teams wollen während der WM mit einer bunten Kapitänsbinde Haltung gegen Diskriminierung zeigen. Das Regenbogensymbol ist nicht zu sehen, weil sich die Aktion gegen jegliche Diskriminierung richten soll. Die FIFA steht vor einem Dilemma.

Mehrere europäische Fußballverbände kündigten an, dass ihre Kapitäne die Binde bei der WM in Katar (20. November bis 18. Dezember 2022) tragen werden. Darauf abgebildet ist ein Herz mit bunten Farben und der Aufschrift "One Love ("Eine Liebe"), um laut DFB "ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Vielfalt zu setzen". Neben dem DFB wollen folgende Verbände die Kapitänsbinde nutzen:

  • England
  • Niederlande
  • Belgien
  • Schweiz
  • Wales
  • Frankreich
  • Dänemark
  • Schweden*
  • Norwegen*

*nicht für die WM qualifiziert

Alle zehn Teams kündigten an, die Binde bei den anstehenden Spielen der UEFA Nations League zu nutzen, die Kapitäne der acht für die WM in Katar qualifizierten Teams sollen die Binde auch bei dem Turnier tragen. Aber wird die FIFA das erlauben?

FIFA schreibt vor: Einheitliche Binden, keine politischen Botschaften

In den vom Weltverband FIFA veröffentlichten Regularien des Turniers stehen zwei Absätze, die der Binde im Weg stehen könnten. Zum einen schreibt die FIFA, dass sie jedem Team Ausrüstung wie Kapitänsbinden bereitstellen werde, "die im Stadion und während der offiziellen Trainings zu verwenden ist. Andere ähnliche Ausrüstung ist nicht gestattet", heißt es in den Regularien für das Turnier. Darüber hinaus verbietet die FIFA in dem Dokument die Verbreitung von politischen Botschaften jeglicher Art durch Spieler und Funktionäre, auch auf allen Ausrüstungsgegenständen. Damit fällt die FIFA noch hinter das IOC zurück, das zuletzt zumindest einen kleinen Spielraum für Meinungsäußerungen ermöglicht hatte.

"Living Football" - Manuel Neuers Kapitänsbinde bei der WM 2018

"Living Football" - Manuel Neuers Kapitänsbinde bei der WM 2018

Eine Anfrage der Sportschau bei der FIFA, ob sie die Binde mit dem bunten Herz sowie der Aufschrift "One Love" als politische Botschaft erachtet und ob die Teams bei Gebrauch Disziplinarmaßnahmen zu befürchten haben, blieb bislang unbeantwortet. Mit ihrer Ankündigung stellen die Verbände die FIFA vor die Situation, am Ende entweder eine Aktion gegen Diskriminierung verboten oder den Gastgeber ihres wichtigsten Turniers brüskiert zu haben.

Fanvertreter Minden: "Es muss mehr kommen an Haltung als diese Binde"

Die Kriminalisierung und Diskriminierung von Homosexuellen ist einer von zahlreichen Kritikpunkten am WM-Gastgeber. Die Farben auf der Binde, die auch Deutschlands Kapitän Manuel Neuer bei der WM in Katar tragen soll, bilden allerdings kein Regenbogensymbol. Die Aktion richtet sich daher nicht speziell gegen die Diskriminierung von Menschen aus der LGBTQI+-Community, sondern gegen Diskriminierung im Allgemeinen.

"Es wirkt schon schwach, dass es nicht mal die richtigen Regenbogenfarben der LGBTQ-Fahne geworden sind", sagt Dario Minden, 2. Vorsitzender des deutschen Fan-Bündnisses "Unsere Kurve", im Gespräch mit der Sportschau. "Aber das war sicherlich der kleinste gemeinsame Nenner zwischen den zehn Verbänden. Klar ist, dass mehr kommen muss an Haltung als diese Binde. Wir erwarten und gehen auch davon aus, dass der DFB mehr plant und sind gespannt."

Am Montag hatte Minden bei einem DFB-Kongress zum Thema Menschenrechte bei der WM gegenüber dem Botschafter Katars klare Worte gewählt. "Fußball ist für jeden. Wir können euch nicht erlauben, diese Regel zu brechen. Egal, wie reich ihr seid", sagte Minden.

Fanvertreter vor WM in Katar - "Fußball ist für jeden"

Sportschau, 21.09.2022 18:45 Uhr

Katar fordert "Respekt für unsere Kultur"

Der Emir von Katar, Tamim bin Hamad al Thani, sagte wiederholt, dass jedermann bei der WM willkommen sei. "Die Menschen aus Katar werden Fußball-Fans aus allen Gesellschaftsschichten mit offenen Armen empfangen", sagte al Thani am Mittwoch vor der UN-Vollversammlung. Bei einem Besuch im Mai in Berlin hatte er hinzugefügt: "Aber wir erwarten, dass unsere Kultur respektiert wird."

In Katar ist Homosexualität gesetzlich verboten. Nasser Mohamed, ein Arzt aus Katar, sprach in einem Interview mit der BBC von der Angst, "sein Leben zu riskieren", wenn seine Homosexualität in Katar bekannt geworden wäre. Er arbeitet mittlerweile in San Francisco.

"One Love" - eine Aktion aus den Niederlanden

Die Aktion "One Love", die nun auf Kapitänsbinden gedruckt wird, geht auf den niederländischen Verband zurück. Sie wurde 2020 ins Leben gerufen, nachdem der Spieler Ahmad Mendes Moreira während eines Spiels seines Klubs Excelsior Rotterdam beim FC Den Bosch im November 2019 rassistisch beleidigt worden war.

Ahmad Mendes Moreira (M.) wurde 2019 beim FC Den Bosch rassistisch beleidigt.

Ahmad Mendes Moreira (M.) wurde 2019 beim FC Den Bosch rassistisch beleidigt.

Laut DFB entstand die Idee zum Gebrauch der Binde bei der WM in einer Arbeitsgruppe der UEFA, die sich mit der Lage von Menschenrechten in Katar befasst, Vertreterin des DFB in der Gruppe ist Generalsekretärin Heike Ullrich.

Der Regenbogen war ein prägendes Thema der EM 2021

Die Kapitänsbinde war schon im Einsatz. Georginio Wijnaldum, Kapitän der niederländischen Nationalmannschaft, trug die "One Love"-Binde bei der EM 2021 im Spiel gegen Tschechien in Ungarns Hauptstadt Budapest. Zuvor hatte es bei der EM mehrere Diskussionen um den Regenbogen als Symbol gegeben. Manuel Neuers damals genutzte Regenbogenbinde wurde von der UEFA "geprüft", aber als unproblematisch befunden.

Georginio Wijnaldum bei der EM 2021 mit der Binde "One Love"

Georginio Wijnaldum bei der EM 2021 mit der Binde "One Love"

Einer Beleuchtung des Münchner Stadions in Regenbogenfarben beim Spiel Deutschlands gegen Ungarn widersprach die UEFA jedoch, da sie sich nach den Worten des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter explizit als Protest gegen einen Parlamentsbeschluss aus Ungarn richtete, der die Informationsfreiheit zum Thema Homosexualität einschränkte. Neuers Regenbogenbinde habe einen "guten Zweck", die Stadionbeleuchtung sei "politisch", so die UEFA damals.

Lewandowski will eine Binde mit Ukraines Flagge tragen

Kapitänsbinden könnten insgesamt ein Thema bei der WM werden. Robert Lewandowski, Kapitän der polnischen Nationalmannschaft, bekam in Warschau von der ukrainischen Fußballlegende Andrej Schewtschenko eine Binde in den ukrainischen Farben überreicht. "Es wird mir eine Ehre sein, diese Kapitänsbinde bei der WM zu tragen", sagte Lewandowski.

Hier steht die FIFA, die das russische Team nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine zunächst unter dem Namen "Fußballverband aus Russland" weiterspielen lassen wollte, vor einem ähnlichen Zwiespalt.