Die französinnen jubeln über den verwandelten Elfmeter von Ève Périsset

1:0 gegen Niederlande Frankreich besiegt Viertelfinal-Fluch - nun wartet Deutschland

Stand: 24.07.2022 00:26 Uhr

Frankreichs Fußballerinnen stehen erstmals seit zehn Jahren wieder im Halbfinale eines großen Turniers - und treffen nun auf Deutschland. Der Titelverteidiger ist ausgeschieden, lieferte den Französinnen bis in die Verlängerung aber einen großen Kampf.

Von Ines Bellinger

Sie haben gelitten, mit sich gehadert und auch dieses Mal lange gezittert - aber nun hat Frankreich seinen Viertelfinal-Fluch hinter sich gelassen. Die "Equipe Tricolore" besiegte am Samstag (23.07.2022) im New York Stadium in Rotherham die Niederlande mit 1:0 - brauchte dafür aber einen Elfmeterpfiff in der Verlängerung, der erst nach der Intervention des Videoschiedsrichters zustande kam. Rechtsverteidigerin Eve Perisset von Girondins Bordeaux verwandelte den von Dominique Janssen an Kadidiatou Diani verursachten Strafstoß in der 102. Minute.

EM und WM: Vier deutsche Siege gegen Frankreich

Die "Grande Nation" steht damit erstmals seit Olympia 2012 wieder im Halbfinale eines großen Fußballturniers. Dort trifft das Team von Trainerin Corinne Diacre am kommenden Mittwoch (27.07.2022) in Milton Keynes auf die deutschen Fußballerinnen. Die sind bei EM und WM bislang viermal auf die Französinnen getroffen - und haben stets gewonnen. Frankreich spielt erstmals überhaupt um den Einzug in ein EM-Endspiel.

Titelverteidiger Niederlande muss nach der verdienten Niederlage früh die Koffer packen. Von Verletzungen und Corona-Fällen geplagt, konnte der Vize-Weltmeister unter dem englischen Trainer Mark Parsons nicht an den Auftritt bei der Heim-EM 2017 anknüpfen.

Miedema nach Corona-Zwangspause in der Startelf

Dabei hatte der Abend in Rotherham für die "Oranje"-Fans mit einer guten Nachricht begonnen. In der Startelf tauchte der Name von Vivianne Miedema auf. Eine gute Woche hatte die Arsenal-Stürmerin nach ihrer Corona-Infektion in Isolation verbracht, inklusive ihres 26. Geburtstags - und unterdessen zwei Gruppenspiele verpasst. Dennoch führte die Kapitänin ihr Team aufs Feld.

94 Tore in nun 113 Länderspielen hat Miedema erzielt - doch gegen Frankreich waren die Qualitäten der kopfballstarken Torjägerin fast ausschließlich in der Defensive gefragt. Frankreich zog sein Spiel über die schnellen Außen Delphine Cascarino und Diani auf und war drückend überlegen. Nach der ersten Hälfte schlugen 12:1 Torschüsse für "Les Bleues" zu Buche - aber es war brotlose Kunst.

Cascarinos Volleyschuss landet am Pfosten

Weder vom Querschläger der Wolfsburger Verteidigerin Janssen (17.) noch von Cascarinos Distanzschuss (21.) ließ sich die junge niederländische Torhüterin Daphne van Domselaar überlisten. Alles andere vor der Pause erledigte sich fast von selbst: Sandie Toletti jagte freistehend aus zwölf Metern den Ball Richtung Zuschauerränge (23.), Cascarinos Volleyschuss landete am Pfosten (27.) und bei Melvine Malards Versuch aus sechs Metern rettete Innenverteidigerin Stefanie van de Gragt für ihre geschlagene Torhüterin auf der Linie (37.).

Keine Tore - ein rätselhafter Spielverlauf

Es löste Verwunderung, bisweilen Kopfschütteln und nur bei den Niederländerinnen und ihrem Anhang Erleichterung aus, dass dieses Spiel zur Pause noch 0:0 stand. Die nach dem Ausfall ihrer Nummer eins, Sari van Veenendaal, und Stürmerin Lieke Martens gehandicapten "Oranjeleeuwinnen" hatten nicht die Qualität auf dem Platz, um dem mit traumwandlerischer Sicherheit kombinierendem Starensemble um Kapitänin Wendie Renard Paroli bieten zu können.

Zwar befreiten sich die Niederländerinnen nach der Einwechslung der Wolfsburgerin Jill Roord nach der Pause hin und wieder aus Frankreichs Umklammerung. Andererseits musste sich Keeperin van Domselaar gegen die eingewechselte Selma Bacha (65.) und Renard (66.) mächtig strecken, um ein Gegentor zu verhindern. Die Niederländerinnen feierten sich inzwischen für jedes Defensiv-Tackling - doch wie lange würden sie das noch durchhalten?

Keeperin van Domselaar - eine EM-Entdeckung

Lange. Und je mehr Zeit verstrich, desto mehr verloren die Französinnen offenbar den Glauben daran, den Viertelfinal-Bann brechen zu können. Ab der 70. Minute geriet ihr Offensivspiel ins Stocken. Eine Großchance drei Minuten vor Ablauf der normalen Spielzeit hätte die Entscheidung bringen müssen, doch erneut machte sich Unglauben breit: Grace Geyoro, mit drei Toren die bis dato beste Torschützin der Französinnen, brachte nach einer Maßflanke von Cascarino an den zweiten Pfosten ihren Kopfball nicht im Tor unter (87.).

Die niederländische Torhüterin: Daphne van Domselaar

Eine EM-Entdeckung: die niederländische Torhüterin Daphne van Domselaar.

In der Nachspielzeit reagierte Twente-Torhüterin van Domselaar schließlich zweimal großartig gegen Cascarino (90.+3) und Renard (90.+4) und brachte ihr Team in die Verlängerung. An Perissets Elfmeter war sie dann sogar noch mit den Fingerspitzen dran. Im ersten EM-Spiel nach van Veenendaals Verletzung ins kalte Wasser geworfen, gehört die 22-Jährige trotz des frühen Ausscheidens der Titelverteidigerinnen bereits zu den größten Entdeckungen des Turniers.

Frankreich - Niederlande 1:0 (0:0, 0:0) n. V.

Tor: 1:0 Perisset (102./Foulelfmeter)
Zuschauer: 9.764
Schiedsrichterin: Ivana Martincic (Kroatien)

Frankreich: Peyraud-Magnin - Perisset (106. Torrent), Mbock Bathy, Renard, Karchaoui - Geyoro (87. Matéo), Bibault, Toletti (106. Palis) - Diani (106. Sarr), Malard (62. Bacha), Cascarino

Niederlande: van Domselaar - Wilms (115. Egurrola), van der Gragt (72. Brugts), Janssen, Casparij - Groenen, van de Donk, Spitse (106. Leuchter) - Beerensteyn (46. Roord), Miedema, Pelova

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 22.07.2022 | 20:15 Uhr