Brasiliens Nationalspielerinnen Ary Borges (r.) und Kerolin bejubeln einen Treffer.

Borges, Paralluelo, James und Co. Die größten Talente der Frauen-WM

Stand: 20.08.2023 06:06 Uhr

Frisch, unbekümmert und voller jungem Elan: Die WM hat eine Reihe von Talenten ins Blickfeld gespült. Vor allem an aufstrebenden Offensivspielerinnen mangelt es im Frauenfußball nicht. sportschau.de stellt einige der größten Talente vor:

Kerly Théus (Haiti)

Die 24-Jährige hätte England im ersten Gruppenspiel beinahe zur Verzweiflung gebracht. Mit enormer Sprungkraft und tollen Reflexen wehrte Haitis Torhüterin Schuss um Schuss der "Lionesses" ab. Bezwungen wurde sie nur durch Georgia Stanways Elfmeter - und selbst den hielt sie im ersten Anlauf, hatte sich aber die Torlinie ein klein bisschen zu früh verlassen. Der zweite Anlauf saß dann.

Haitis Torhüterin Kerly Theus

Théus Gesamtstatistik: Sie wehrte in Haitis drei Gruppenspielen 95,2 Prozent aller gegnerischen Schüsse aus dem Spiel (Elfmeter nicht eingerechnet) ab.

Die europäischen Scouts kamen bei der aktuellen WM aber zu spät: 2023 wurde Théus, die 2018 schon bei der U20-WM für Haiti im Tor stand, vom us-amerikanischen Klub Miami City verpflichtet.

Christy Ucheibe (Nigeria)

Die 22-Jährige von Benfica Lissabon ist nicht gerade das, was man sich als gegnerische Angreiferin wünscht: Sie ist ein regelrechtes Zweikampf-Monster. Ihre Werte sind spektakulär für eine Defesivakteurin: Bei durchschnittlich 5,8 erfolgreichen Tacklings pro 90 Minuten führte sie von allen WM-Spielerinnen die meisten harten Zweikämpfe.

Nigerias Nationalspielerin Christy Ucheibe

Über eine Station in Schweden wechselte die "Generälin", wie sie in Portugal genannt wird, 2020 nach Lissabon. In ihrem ersten halben Jahr wurde Ucheibe gleich Stammspielerin und Benfica portugiesischer Meister. Das war nur der Anfang. Unter ihrer Regie mauserte sich der Klub zum Titelsammler: Sowohl 2021 als auch 2022 und 2023 gelang Benfica das Double aus Meisterschaft und Pokal. Ucheibes Tacklings, die jetzt bei der WM herausstachen, waren ein wichtiges Element dabei.

Giulia Dragoni (Italien)

Sie ist erst 16, aber ihre Dribblings reißen schon vom Hocker. Wenn Dragoni mit dem Ball am Fuß und leicht gesenktem Kopf antritt, müssen ihre Gegenspielerinnen höllisch aufpassen. Der Youngster im italienischen Nationalteam fliegt geradezu an den älteren Gegenspielerinnen vorbei.

Italiens Nationalspielerin Giulia Dragoni

Das Talent der Dribblerin, die schon mit vier Jahren regelmäßig Fußball spielte, war nicht schwer zu entdecken. Zuerst schlug Inter Mailand zu, im Januar 2023 wechselte sie nach Barcelona. In der berühmten Ausbildungsfarm "La Masia" war sie die erste nicht spanische Kickerin. In ihrem ersten halben Jahr in Barcelona kam Dragoni für das B-Team zum Einsatz, wurde mit der Mannschaft Meister in der zweiten Liga. Ab der neuen Saison wird man sie im Trikot von "Barcas" A-Team bewundern können.

Telma Encarnacao (Portugal)

Nach der Rückkehr aus Australien war die WM für Telma Encarnaceo noch nicht ganz beendet: Die 21-Jährige musste in ihrer Heimatstadt Câmara de Lobos auf der Insel Madeira noch zum Rathaus. Sie wurde dort mit allen Ehren empfangen, trug sich in das Ehrenbuch der Gemeinde ein und durfte sich vom Bürgermeister anhören, sie sei eine Inspiration für alle Jugendlichen der Region.

Portugals Telma Encarnacao in Aktion

Tatsächlich verfügt die Spielmacherin von Maritimo Funchal für ihr Alter über eine erstaunliche Präsenz und Spielübersicht. Spielerisch macht der Supertechnikerin sowieso kaum jemand etwas vor. Im Vorfeld der WM und auch in der ersten Partie wurde Encarnacao vom portugiesischen Nationaltrainer noch ein wenig geschont, man wollte sie bei der WM nicht ins kalte Wasser werfen. Die Zukunft aber - das ist klar - gehört auch in Portugals Nationalmannschaft der torgefährlichen Strategin.

Linda Caicedo (Kolumbien)

Linda Lizeth Caicedo Alegría gilt mit ihren 18 Jahren als Wunderstürmerin. Der jüngste Rekord: Am 24. Juli schaffte sie bisher noch nie Dagewesenes - sie hat einschließlich der Nachwuchsturniere an drei Weltmeisterschaften in weniger als einem Jahr teilgenommen und bei jeder mindestens ein Tor erzielt.

Linda Caicedo weinte nach dem WM-Aus.

Gegen Deutschland versetzte sie mit einer eleganten Körpertäuschung gleich zwei Gegenspielerinnen und platzierte den Ball in die rechte obere Ecke. Zuletzt gab es immer wieder Meldungen über ihre körperliche Verfassung. Während des Turniers soll Caicedo, bei der im Alter von 15 Jahren Eierstockkrebs diagnostiziert wurde, einen Schwächeanfall gehabt haben. Der Varband dementierte - die Stürmerin von Real Madrid sei vollkommen fit.

Aoba Fujino (Japan)

Sie waren das Überraschungsteam der WM schlechthin - zumindest bis zum überraschenden Viertelfinal-Aus gegen Schweden: die jungen Japanerinnen von Trainer Futoshi Ikeda. Der ehemalige Jugendtrainer des japanischen Verbandes hatte konsequent seine einstigen U18- und U20-Auswahlspielerinnen ins A-Team eingebaut. Unter dem Radar der Öffentlichkeit sozusagen.

Schwedens Nationalspielerin Aoba Fujino

Und so sah man Aoba Fujino von Tokio Verdy bei der WM zum ersten Mal so richtig wirbeln. Auf der rechten Außenbahn sorgte sie mit ihren Tempodribblings, ihren quirligen Sprints und fintenreichen Soli für Verzweiflung bei den Gegenspielerinnen. Gefühlt war sie nie zu stoppen - beinahe erstaunlich, dass in den WM-Statistiken nur vier direkte Torvorlagen dokumentiert sind. Damit ist sie dennoch beste Vorbereiterin des Turniers.

Ary Borges (Brasilien)

Jahrelang im Schatten Martas schaffte Ary Borges bei dieser WM ihren Durchbruch. Als offensive Mittelfeldspielerin schlug sie schon in Brasiliens erster Partie zu und ergriff ihre Chance. Borges gelangen bei ihrem WM-Debüt gegen Außenseiter Panama nicht nur drei Tore und ein Assist - die 23-Jährige lenkte mit ihrer Freude und Kreativität das gesamte Spiel. So, wie jahrelang Marta dies für Brasilien getan hatte.

Brasiliens Nationalspielerin Ary Borges bejubelt einen Treffer.

Mit der brasilianischen U20-Auswahl bestritt sie 2018 die Südamerika-Meisterschaft und WM, in der A-Nationalmannschaft reichte es danach lange aber nur zu Kurzeinsätzen. Der Weg zum Stammplatz war eben verstellt - von Marta. Bei der laufenden WM wurde der Staffelstab von der 37-jährigen Starspielerin endlich an ihre Nachfolgerin übergeben.

Racheal Kundananji (Sambia)

Sambia enttäuschte bei der WM - keine Frage. Vor allem Stürmerin Barbra Banda hatte man ein auffälligeres Turnier zugetraut. Es gab aber trotzdem eine, die bei den Ostafrikanerinnen ins Auge fiel: Racheal Kundananji. Die Stürmerin von Madrid CFF ließ sich im sambischen Spiel zwangsweise etwas ins Mittelfeld fallen - ihre Mitspielerinnen schafften es sonst nicht, sie ins Spiel zu bringen.

Sambias Nationalspielerin Racheal Kundananji

Aus dem Mittelfeld zog die 23-Jährige dann los - und setzte die Gegnerinnen unter Druck. Man darf getrost behaupten: Hätte die Top-Torschützin, die für Madrid in der vergangenen Saison 25 Treffer markierte, bessere Mitspielerinnen gehabt, hätte sie ein Star dieser WM werden können. So blieb eine Statistik: Im Schnitt gelangen ihr vier erfolgreiche Dribblings pro Spiel. Damit war sie viertbeste Turnierspielerin in dieser Wertung.

Mary Fowler (Australien)

Ein bisschen erinnert die filigrane Fowler an die geschmeidige Französin Louisa Necib, deren Stern bei der WM 2011 in Deutschland aufging. Genau wie die mit Zinedine Zidane verglichene Necib hat auch Edeltechnikerin Fowler gemischte Wurzeln. Ihr Vater kommt aus Irland, ihre Mutter aus Papua-Neuguinea.

Australiens Mary Fowler (l.) und Frankreichs Wendie Renard kämpfen um den Ball.

Dass sie bei der WM ins Rampenlicht dribbeln könnte, war eigentlich nur dem Pech einer anderen geschuldet: Australiens Star Sam Kerr musste zu Turnierbeginn wegen einer Verletzung pausieren. Fowler sprang ein und begeisterte die Fans mit ihrer leichten, spielerischen Art. Dass dies gegen England noch nicht ganz reichte, um den ganz großen Coup zu schaffen - geschenkt. Fowler gehört die Zukunft.

Salma Paralluelo (Spanien)

Sie ist noch so jung, aber zweifelsfrei schon eine, die den Unterschied machen kann. Das Viertelfinale zwischen Spanien und den Niederlanden war ein echter WM-Krimi - in der 111. Minute machte die eingewechselte Paralluelo das 2:1 und schoss ihr Team ins Halbfinale.

Die Spanierinnen setzen auf Salma Paralluelo.

Im darauffolgenden Halbfinale gegen Schweden stand lange ein 0:0 auf der Anzeigetafel. Erst das durch Paralluelo erzielte 1:0 öffnete die Partie und ebnete den 2:1-Erfolg der Spanierinnen. Vor etwas weniger als einem Jahr hat die 19-Jährige ihr Debüt für die erste Mannschaft der Barcelona-Frauen gegeben. Mit dem Schritt zu den Profis hat sie sich damals von ihrer Leichtathletik-Karriere abgewendet. Als 400-Meter-Läuferin war sie zeitweise eine der größten spanischen Hoffnungen für die Olympischen Spiele.

Lauren James (England)

Man wünscht ihr, dass sie ihre Lektion gelernt hat. Zwei Spiele ihrer Engländerinnen musste James bei der WM von draußen anschauen - sie war wegen eines üblen Tritts gegen Nigeria im Achtelfinale von der FIFA völlig zu Recht gesperrt worden.

Englands Lauren James

Bis dahin hatte sie die englischen Fans nichts als begeistert. In Abwesenheit einiger Stürmerinnen, die verletzt ausgefallen waren, rutschte sie nicht nur in den WM-Kader, sondern in der Vorrunde gleich aufs Spielfeld. "Lauren hat eine bessere Technik als so mancher Premier-League-Spieler", sagte ihr Bruder Reece James vom FC Chelsea, ebenfalls Nationalspieler. Die 21-Jährige von Arsenal WFC hat aber auch bei ihren Kolleginnen und Trainerin Sarina Wiegman noch etwas gut zu machen.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 20.08.2023 | 19:20 Uhr