Australiens Ellie Carpenter (l.) und Englands Alessia Russo kämpfen um den Ball.

Datenanalyse Die Trends bei der WM - mehr Fitness, mehr Taktik, bessere Standards

Stand: 18.08.2023 13:17 Uhr

Die Spielerinnen sind fitter, taktisch besser und haben sich bei Standards enorm gesteigert - Daten zur WM belegen Qualitätssprünge im Frauenfußball. Einige Trends im Überblick:

Abwehr, Absicherung, Pressing

Sie ist nicht immer attraktiv, garantiert aber mehr Erfolg: effektive Abwehrarbeit auf dem Fußballplatz. Die Frauen haben sich im Verteidigen ihres Tores enorm weiterentwickelt. Die Abwehrreihen präsentierten sich bei diesem WM-Turnier erheblich kompakter als noch vor vier Jahren.

Gerade technisch unterlegene Teams arbeiteten im Turnierverlauf mit einer dichten Vierer-Abwehrkette, die oft von einer defensiven Fünfer-Mittelfeldkette unterstützt wurde. Resultat: Es fielen weniger Tore. In 51 der 56 Spiele bis einschließlich der Achtelfinals konnte mindestens ein Team die Null halten. 46 Prozent aller Teams schafften es mindestens einmal im Turnier, ohne Gegentor zu bleiben. 2019 gelang das nur 33 Prozent aller Teilnehmer.

Laufen, laufen, laufen - die gestiegene Fitness

Wer in der Schlussviertelstunde eines Spiels überdurchschnittlich viele Gegentore kassiert, sollte etwas an der Fitness seiner Spielerinnen tun - diese Erkenntnis scheint bei den Top-Teams im Frauenfußball angekommen zu sein. Das belegen jedenfalls die relevanten Daten. Nur 21 Prozent der Tore fielen in den letzten 15 Minuten der Partien. Vor vier Jahren waren es noch 28 Prozent.

Es wird insgesamt viel gelaufen. Nur in vier Spielen der insgesamt 56 bis einschließlich Achtelfinale lag die Laufleistung eines Teams unter 100 Kilometer. Das sind sehr beachtliche Werte, die sich auch vor den Leistungen von Männermannschaften nicht verstecken müssen.

Insgesamt fielen im Schnitt nur 2,6 Tore pro Spiel. Vor vier Jahren waren es noch 2,9 Tore. Die Analysten bewerten dies als gestiegene Qualität - das aber scheint Geschmackssache zu sein. Auf jeden Fall sind die Teams leistungsmäßig enger zusammengerückt. Es gab erheblich mehr engere Spiele als 2019.

In die Breite - wie Spanien und England

Gut strukturierte Angriffs-Ensemble ziehen ihr Angriffsspiel bewusst vorn weit auseinander. England und Spanien haben laut Datenanalyse eine durchschnittliche Angriffsbreite von etwa 43 Metern - das ist ein Höchstwert.

Entscheidend dabei ist: Man muss es schaffen, hinter die gegnerische Abwehr zu gelangen. Entweder mit Läufen hinter die Kette, wie es Japan zu Beginn des Turniers toll gemacht hat. Oder man spielt von den Außen aus dem Halbfeld Pässe in die Tiefe, durch die Schnittstellen der Abwehr. Insgesamt war das Außenspiel erfolgreich: 58 Prozent der Tore fielen nach Flanken, vor vier Jahren waren es nur 51 Prozent.

Spaniens Salma Paralluelo bejubelt einen Treffer.

Flügelspiel - Spanien kann's

Das Tor im Blick - in die Tiefe des Raums

Die Abwehrlinien durchbrechen - das muss man schaffen, wenn man Tore erzielen will. Pässe in die Tiefe, durch die Schnittstellen der Abwehr sind das Maß der Dinge. Im Frauenfußball hat sich dieses taktische Mittel entwickelt: 47 Prozent der Pässe fanden eine Abnehmerin hinter einer Kette der Gegnerinnen. 2019 gelang das nur zu 43 Prozent.

Den Topwert schaffte hier Australien im Gruppenspiel gegen Kanada, als man sich satte zwölfmal hinter die gegnerische Abwehrkette spielte. 17 Prozent der australischen linienbrechenden Pässe überspielten dabei die letzte Kette - das ist enorm. Die "Matildas" gewannen die Partie wenig überraschend mit 4:0.

Standards - nicht nur Schweden macht's

Jede 23. Ecke brachte bei dieser WM ein Tor. 2019 gelang das nur durchschnittlich bei jedem 29. Eckball. "Eckbälle sind unsere Waffe" haben die in dieser Disziplin besonders erfolgreichen Schwedinnen gesagt.

Aber auch die anderen Teams haben diese Möglichkeit der Torannährerung lieben gelernt. Sie schlagen die Standards mittlerweile viel gefährlicher vors Tor als noch vor vier Jahren. 43 Prozent aller Eckbälle landeten bei diesem Turnier im Fünfmeterraum. 2019 waren es nur 36 Prozent.

Schwedens Amanda Ilestedt (l.) behauptet den Ball vor Spaniens Jennifer Hermoso.

Schweden und die Standards - "eine Waffe"

Torhüterinnen immer sicherer

Was macht gutes Torwartspiel aus? Sicheres Auftreten auf jeden Fall. Das hat viel mit Ausstrahlung und Persönlichkeit zu tun - schwer messbar. Analysiert wurden stattdessen die technischen Basics. Heraus kam: Das Torwartspiel hat sich bei der WM erheblich verbessert gezeigt.

Die Torhüterinnen haben an ihrer Positionierung gearbeitet. Beim aktuellen Turnier standen sie zu 87 Prozent an der richtigen Stelle, um die Chance auf eine Torschuss-Abwehr zu haben. Vor vier Jahren schafften sie dies nur in 71 Prozent der Fälle. Sie parierten jetzt 78 Prozent der Schüsse, statt 74 Prozent bei der WM 2019. Sie fingen auch mehr Flanken ab: 82 statt 78 Prozent. Sie schafften präzisere Abwürfe: 97 Prozent davon landeten bei einer Mitspielerin. Vor vier Jahren passierte dies nur bei 93 Prozent der Abwürfe.

Dieser Beitrag wurde auf Grundlage der gesammelten Daten des Fußball-Consulting-Unternehmens CreateFootball erstellt, das die WM-Spiele im Auftrag der "Sportschau" analysiert hat.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 19.08.2023 | 09:40 Uhr