Bakery Jatta (l.) und Robert Glatzel vom HSV jubeln im Spiel gegen Regensburg in der 2. Bundesliga

Aufstiegsrennen 2. Liga Das Momentum liegt beim HSV

Stand: 19.05.2023 17:46 Uhr

Besser hätte der vergangene Spieltag für den Hamburger SV nicht laufen können: ein deutlicher Sieg, die Gejagten patzen und die Verfolger teilen sich die Punkte. Damit sind die Hamburger im Rennen um die direkten Aufstiegsplätze in der 2. Fußball-Bundesliga wieder voll dabei. Bei Darmstadt 98 und dem 1. FC Heidenheim muss zwangsläufig die Frage nach der Nervenstärke gestellt werden.  

Von Luis Hartmann

Der HSV scheint seinen Frühlings-Fluch endgültig los zu sein. In den ersten drei Zweitliga-Jahren war klar: Sobald die Tage länger werden, holt der HSV weniger Punkte. Dieser Kausalzusammenhang ist schon seit dem starken Saisonendspurt der vergangenen Saison passé. Dieses Jahr könnte so ein Lauf an den letzten Spieltagen noch mehr Erfolg bringen als nur die Teilnahme an der Relegation wie im Jahr zuvor.

HSV hat Jägerrolle angenommen

"Wir hatten zuvor nichts verloren und heute haben wir nichts gewonnen, außer einem Spiel", sagte Coach Tim Walter nach dem 5:1-Sieg in Regensburg. Richtig, gewonnen ist noch nichts - auch wenn die Relegation so gut wie sicher ist, weil sich im Verfolgerduell Düsseldorf und St. Pauli die Punkte teilten. Der Sieg zeigt, dass der HSV seine Jägerrolle angenommen hat und im Endspurt die Ruhe bewahrt. Obwohl im Frühjahr zwischenzeitlich noch der Super-GAU mit dem kompletten Absturz aus den Aufstiegsrängen drohte, hielt man an Trainer Walter fest. Der hat es offenbar geschafft, ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Der gemeinsame Jubel mit dem Trainer am vergangenen Wochenende zeigte, dass das Team eine Einheit ist.

So etwas wie der Mann der Stunde ist Sonny Kittel. Monatelang wurde er wegen Formschwäche nur noch sporadisch eingesetzt. Im Endspurt legt er beeindruckende Zahlen auf: sieben Torbeteiligungen (fünf Tore) in den jüngsten sieben Spielen. "Ich hatte eine schwierige Zeit. Diese Saison spiegelt meine Karriere wider", sagte der 30-Jährige, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft und wahrscheinlich nicht verlängert wird. Verabschieden möchte er sich natürlich mit dem Aufstieg. Sechs Punkte aus den letzten beiden Spielen gegen Fürth (Samstag, 20.30 Uhr) und Sandhausen sollen dafür her. Doch die Konkurrenz müsste wie schon am Wochenende nochmal Punkte liegen lassen.

Wird es doch nochmal eng für Darmstadt?

Seinen zweiten Aufstiegs-Matchball vergab am vergangenen Wochenende der SV Darmstadt 98. Die Niederlage gegen Hannover nahm Coach Thorsten Lieberknecht auf seine Kappe: "Die geht auf mich. Die Mannschaft soll in Ruhe gelassen werden", sagte Lieberknecht im Anschluss an die Partie. Klar, er will damit den Druck von seinem Team nehmen, das seit dem 12. Spieltag an der Spitze der Liga steht. Umso bitterer wäre es jetzt, doch noch auf den Relegationsrang abzurutschen.

Das wollen die Darmstädter natürlich mit allen Mitteln verhindern. Im Heimspiel am Freitag gegen Magdeburg (18.30 Uhr) wollen sie endlich den vierten Bundesligaaufstieg perfekt machen. Lieberknecht äußerte sich kämpferisch: "Da werden wir zurückschlagen." Natürlich wollen sie es nicht auf einen Showdown am 34. Spieltag ankommen lassen. Wegen zweier Gelb-Rot-Sperren von Matthias Bader und Braydon Manu wird Lieberknecht die Mannschaft umbauen müssen. Bisher haben die Darmstädter aber gezeigt, dass sie in der Lage sind, Ausfälle zu kompensieren.

Frank Schmidt: "Es ist alles normal"

Auch die Heidenheimer gerieten an den vergangenen beiden Spieltagen ins Straucheln. Mit nur einem Punkt nutzte man die Patzer der Darmstädter nicht. Gleichzeitig schmolz der Vorsprung auf den HSV auf nur noch einen Zähler. Trainer Frank Schmidt ordnete die Situation nach der knappen 2:3-Niederlage gegen Paderborn ein: "Es ist alles normal. Was nicht ganz normal ist, ist, dass wir zwei Spieltage vor Schluss auf Tabellenplatz zwei sind." Auch Schmidt ist um Ruhe bemüht und will den Druck nicht zu groß werden lassen. Immerhin: Der Relegationsplatz ist den Heidenheimern nicht mehr zu nehmen.

Doch die Relegation soll nach der bitteren Erfahrung von 2020 vermieden werden. Wegen der Auswärtstorregel verpasste man gegen Werder Bremen den ersten Aufstieg der Vereinsgeschichte. Klare Worte fand Heidenheims Top-Torjäger Tim Kleindienst: "Wir konnten es einmal einkalkulieren, dass wir ein Spiel verlieren, jetzt dürfen wir kein Spiel mehr verlieren. Jetzt liegt es an uns." Im Heimspiel gegen Sandhausen am Samstag (13 Uhr) will der FC mindestens den zweiten Platz festigen.

Relegation ist ein Rückschlag

Darmstadt und Heidenheim machen den Anschein, dass sie der Druck lähmt und erinnern damit ein wenig an den HSV vergangener Tage. Sicherlich muss in Betracht gezogen werden, dass nur die Hamburger - auch wegen des größeren Etats - der einzige natürliche Aufstiegsanwärter aus der Runde sind. Dementsprechend haben Darmstadt und Heidenheim eigentlich nichts zu verlieren - eigentlich. Bei dieser Ausgangsposition so kurz vor dem Ziel kann diese Floskel nicht mehr greifen.

Rang drei und der Weg in die Relegation wären ein herber Rückschlag für alle Teams. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zweitligisten dort in der Historie schlecht aussehen - in 14 Runden klappte es nur dreimal für den niederklassigen Verein. Zwar stehen die Chancen für Darmstadt und Heidenheim weiter gut, denn ihr Restprogramm ist machbar. Darmstadt kann schon am Freitag alles klar machen. Doch der Druck ist da und das Momentum liegt beim HSV.