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Sportschau-Experte erklärt Regeländerungen Lutz Wagner über Neuerungen bei Abseits, Notbremse und Handspiel

Stand: 27.07.2022 07:48 Uhr

Zur neuen Saison wird es in der Fußball-Bundesliga keine gravierenden Regeländerungen geben - aber einige Neuerungen. Sportschau-Experte Lutz Wagner gibt einen Überblick.

Was Fußball-Fans, aber auch Profis und Trainer seit Jahren national und international am meisten nervt, ist ziemlich eindeutig: Die unterschiedliche Regelauslegung beim Handspiel. Der eine Schiedsrichter pfeift Elfmeter für eine Szene, bei der der andere Schiedsrichter nur gelassen abwinkt: weiterspielen.

Klärungsbedarf ist hier dringend notwendig, da sind sich alle einig. Und laut Lutz Wagner, der fast 300 Bundesliga- und Zweitligaspiele an der Pfeife absolviert hat, gehen die Unparteiischen auch mit klaren Vorgaben in die Saison.

Handspiel beim Wegdrehen oder Abstützen ist straflos

Wagner erklärt dazu im Sportschau-Interview: "Da ist in der jüngeren Vergangenheit wirklich viel rumgedoktert worden. Also: Weiterhin wird in erster Linie die Absicht bestraft. Dann kam ja die Vergrößerung der Körperabwehrfläche hinzu. Und da ist es nun wichtig, dass der Schiedsrichter klar erkennt, dass es sich hier um eine bewusste Vergrößerung dieser Fläche handelt, um den Ball zu stoppen."

Lutz Wagner während seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter im Jahre 2010

Lutz Wagner während seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter im Jahre 2010

Ein "Wegdrehen" oder "Abstützen beim Fall", bei dem der Ball dann die Hand berührt, soll eindeutig nicht strafbar sein. Wagner: "Aber wenn sich einer in Torwart-Manier breit macht und dann aus drei Metern angeschossen wird, hat er trotzdem die Absicht, den Ball zu blockieren - also ist das strafbar."

"Pass-Kontrolle" bei Abwehrspielern

Eine weitere Klarstellung gibt es auch bei der Abseitsregel - und die fällt zugunsten der verteidigenden Spieler aus. Bisher war es so, dass das Abseits aufgehoben wurde, "wenn der Ball vom Abwehrspieler gespielt wird". Das implizierte auch die Szenen, in denen der Verteidiger die Kugel bei einem Klärungsversuch nur leicht touchierte - doch das ändert sich nun.

Lutz Wagner: "Nur noch ein Spielen des Balles in kontrollierter Art und Weise hebt das Abseits auf." Bei einem verunglückten Klärungs- oder Rettungsversuch bleibt es hingegen nun bei der Abseitsstellung - diese Änderung kommt vor allem den technisch etwas limitierteren Profis zugute. Sie dürfen - wenn ein Angreifer im Abseits steht - nun auch mal satt ein Luftloch treten oder eine "Kerze" produzieren, ohne dass das schlimme Folgen für sie und ihre Mannschaft hat.

Notbremse kann plötzlich straffrei sein

Glück und äußere Umstände spielen für die Regelhüter der FIFA neuerdings auch bei der Bestrafung einer "Notbremse" eine gravierende Rolle: Plötzlich kann dieser Tatbestand sogar für den Foulspieler ganz ohne persönliche Strafe enden - was die Fans durchaus verwirren dürfte.

Laut Wagner müssen dafür folgende Voraussetzungen vorliegen: "Normalerweise gibt es für die Notbremse Rot. Wenn das Eingreifen des abwehrenden Spielers aber im Strafraum ballorientiert war, kommt er mit Gelb davon. In Zukunft bewerten die Schiedsrichter zudem aber nun auch noch, ob sich nach dem Foul nicht noch ein Vorteil ergibt, zum Beispiel, wenn der Ball doch noch bei einem Mitspieler landet. Dann wird die ursprüngliche Dreifachbestrafung sogar doppelt reduziert - und der Spieler kommt auch noch ohne die Verwarnung davon."

VAR ist kein "Schiri-Verbesserer"

Eine solche Szene dürfte in jedem Fall etwas sein, was sich der Video Assistant Referee noch einmal in Ruhe anschaut. Unter welchen Umständen er sich dann einschaltet, stellt Wagner auch noch einmal klar: "Es gibt vier Tatbestände. Überprüft werden Tore, Strafstöße, Rote Karten und Spielerverwechslungen, die aber zum Glück nur sehr selten vorkommen. Es geht aber nach wie vor nicht darum, dass der VAR den Schiedsrichter besser macht - sondern er soll ihn nur vor glasklaren Fehlern in den genannten Bereichen schützen."