BVB-Trainer Edin Terzic

Spannung im Meisterrennen BVB selbstbewusst, Bayern beschwört Vergangenheit

Stand: 18.05.2023 23:32 Uhr

Bayerns Bosse setzen im Meisterkampf auf Anekdoten von früher, der BVB bekommt Zuspruch von Jürgen Klopp - und wirkt selbstbewusster als der FCB.

Dass Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic auf die Mannschaft zugehen, um ihr noch einmal Mut für das anstehende Saisonfinale zuzusprechen, klingt erstmal nach einer prima Idee. Nur ein paar Kleinigkeiten wirken dabei etwas irritierend. Der Vorstandschef und der Sportdirektor des FC Bayern München hatten sich für ihre Rede nämlich nur ein paar ausgewählte Profis zusammengetrommelt, es war der Mannschaftsrat mit Kapitän Manuel Neuer, der gar nicht mitspielt, mit Thomas Müller, der nicht immer mitspielt, dazu mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Kingsley Coman.

Auch die Defizite wurden angesprochen

Es war, so hat es Müller anschließend der "Sportbild" berichtet, auch keine reine Motivationsansprache, sondern es kamen auch die Leistungsschwankungen des Teams auf den Tisch. Dann ging es auch um die "Mia-san-Mia-Einstellung", bei der die Bosse offensichtlich großes Steigerungspotenzial sehen, vor allem, wenn sie an ihre eigene Vergangenheit denken. Und darüber haben sie dann auch gleich noch ausführlich gesprochen und die schönen Erfahrungen aus dem Meisterschaftsfinale von vor 22 Jahren hervorgekramt, als der FC Schalke dann doch nur Meister der Herzen wurde und die Bayern in letzter Minute triumphierten.

"Die Bosse haben ihre Erfahrungen an uns weitergegeben. Das war ein guter Austausch", fasste Müller mittelmäßig begeistert klingend zusammen und räumte ein: "Die Wochen waren für den Verein, für uns als Mannschaft nicht einfach. Deswegen haben wir uns noch einmal gesammelt, gesprochen, an welchen Stellschrauben wir drehen können."

Stellschrauben-Test gegen RB Leipzig

Das 6:0 gegen den FC Schalke am vergangenen Samstag (06.05.2023) zeigte, dass viele Stellschrauben schon wieder ein sehr gutes Drehmoment aufweisen. Doch das kann auch viel mit dem an diesem Tag desolaten Gegner zu tun gehabt haben. Der deutlich aussagekräftigere Stellschrauben-Test wartet jetzt am Samstag (18.30 Uhr, Live-Ticker und Live-Radio-Reportage bei sportschau.de).

Die Bayern haben RB Leipzig zu Gast, das Team von Marco Rose hat zuletzt wieder komplett die Kurve bekommen und in der Tabelle Platz drei zurückerobert. Dortmund tritt tags darauf beim FC Augsburg an und hat zum Abschluss den 1. FSV Mainz 05 zu Gast. Parallel dazu müssen die Bayern am letzten Spieltag nach Köln.

Terzic macht Druck - "Die Bayern müssen, wir werden..."

Dieses Restprogramm, vor allem mit Bayerns Aufgabe gegen die konterstarken Leipziger, ist der Punkt, auf den die BVB-Anhänger und Coach Edin Terzic setzen: "Wir haben gezeigt, dass wir bis zum Ende daran glauben werden und bis zum Ende alles jagen werden. Wir haben noch zwei Spiele. Die Bayern müssen Gas geben, wir werden Gas geben." Die Bayern "müssen" - das lässt Raum für das Gegenteil offen. Wir "werden" - das eindeutig nicht.

Tobi Schäfer, Sportschau Bundesliga Update, 17.05.2023 13:56 Uhr

Die Psychologie des Druckmachens, die Uli Hoeneß in diesem Duell und schon viel früher beispielsweise in seinen Fehden mit Willi Lemke oder Christoph Daum neu erfunden hat, die beherrscht auch Terzic. Terzic wirkt dabei aber nicht so leicht durchschaubar und weniger polternd als Hoeneß, von dem man im Meisterschaftsfinale überraschend wenig hört.

Hainer rechtfertigt sich für Müller-Einmischung

Stattdessen musste sich Bayerns aktueller Präsident Herbert Hainer plötzlich öffentlich rechtfertigen. Er hatte zuletzt Thomas Müller als "unverzichtbar" bezeichnet, das war ihm als Einmischung in die Aufstellungen von Thomas Tuchel ausgelegt worden - denn Tuchel kann erstaunlich oft auf Müller verzichten. Hainer betonte dann aber, dass ihm eine solche Einmischung völlig fern liege.

Er habe nur ausdrücken wollen, dass Müller "diese bayerische Mentalität verkörpert, das 'Mia san Mia', er ist ein unheimlicher Motivator auf dem Feld." Also hat er eigentlich ausdrücken wollen, dass Müller unverzichtbar in der Aufstellung ist. Und dass Hainer auch nochmal dieses fehlende "Mia san Mia" anspricht, wenn dieser Müller eben nicht auf dem Feld steht, das wirkt auch nicht so richtig selbstbewusst wie einst bei Hoeneß.

Bayern-Trainer Thomas Tuchel (l.) spricht mit Thomas Müller an der Seitenlinie

Malen wird zum Schlüsselspieler, Gnabry wieder in Form

Wie entscheidend letztlich diese Psychospielchen sind, werden die nächsten beiden Spieltage zeigen. Vielleicht wird der Meisterkampf auch rein sportlich entschieden. Beim BVB ist die Offensive zuletzt dank der herausragenden Form von Donyell Malen, aber auch von Sébastien Haller, Julian Brandt und Karim Adeyemi so richtig in Schwung gekommen. Neun Tore und vier Assists hat allein der schon als Fehleinkauf abgestempelte Malen beigesteuert, 13 seiner 17 Spiele hat Dortmund in diesem Jahr gewonnen.

Bei den Bayern war Serge Gnabry nach der WM in ein lang anhaltendes Formtief gerutscht, ist jetzt plötzlich aber wieder wirklich unverzichtbar: Vier Tore erzielte er in den vergangenen drei Spielen.

Klopp glaubt an Dortmund

Der BVB-Kult-Coach und aktuelle Liverpool-Trainer Jürgen Klopp ist dennoch überzeugt davon, dass Dortmund am Ende triumphiert: "Nach elf Jahren gehört die Schale einfach mal wieder nach Dortmund, die Jungs packen das. Die Chance ist groß, die werden sie nutzen."

Dazu muss der BVB aber zwei Punkte mehr einfahren als Bayern, da das Torverhältnis klar für den Rekordmeister spricht: plus 55 beim FCB, plus 36 bei Dortmund. Komisch, dass trotzdem so wenig "Mia-san-Mia"-Gefühl beim Tabellenführer herrscht.