fans halten Transparent mit er Aufschrift 50+1 ist Leben!

Fußball | Bundesliga 50+1: Druck von allen Seiten

Stand: 25.03.2022 10:17 Uhr

Das Bundeskartellamt hat die Ausnahmen bei der 50+1-Regel im vergangenen Jahr bemängelt. Nun bringen sich Gegner und Befürworter der Regel bei der Behörde erneut in Stellung.

Von Thorsten Poppe

Bei Hertha BSC tobt seit Wochen ein offener Machtkampf um die Vorherrschaft im Klub. Auf der einen Seite der Verein um Präsident Werner Gegenbauer, auf der anderen Seite Hertha-Investor Lars Windhorst. "Ich lasse mir von niemandem 375 Millionen Euro verbrennen", klagte Windhorst kürzlich.

Für diese Summe hatte er mit seiner Tennor Gruppe zwei Drittel der ausgegliederten Kapitalgesellschaft von Hertha BSC erworben, mit der der Verein am Spielbetrieb der Bundesliga teilnimmt. Trotz dieser Finanzspritze befindet sich der "Big City Club" in finanzieller und sportlicher Not. Der Abstieg droht, zudem hat Hertha BSC kürzlich eine Corona-Nothilfe in Höhe von geschätzten sieben Millionen Euro bekommen.

Kartellamt kritisiert Ausnahmen

Windhorst will deshalb eine personelle Veränderung an der Spitze des Vereins. Denn die kann wegen der 50+1-Regel weiter allein über die Geschicke der Hertha bestimmen, der Einfluss des Investors ist - was Windhorst vor seinem Engagement wusste - damit begrenzt. Und genau darum tobt seit langem ein Kampf zwischen den Bundesligaklubs, Investoren oder Eigentümern.

Die Deutsche Fußball Liga DFL hat deshalb das Bundeskartellamt prüfen lassen, ob es grundsätzliche Bedenken bezüglich der Anwendung und Auslegung der 50+1-Regel gäbe. Fast drei Jahre dauerte diese Prüfung durch die Wettbewerbshüter, die im vergangen Frühjahr dann eine erste Einschätzung zur 50+1-Regel an die DFL sendete.

Tenor: Grundsätzlich sei die Regel wettbewerbskonform, nur die Ausnahmeregelung für die so genannten Werksvereine Bayer 04 Leverkusen, VfL Wolfsburg, und die TSG 1899 Hoffenheim sieht das Kartellamt als problematisch an. Diese besagt, dass nach einer durchgehenden und erheblichen 20-jährigen Förderung ein Unternehmer oder Investor den Klub übernehmen kann. Das Kartellamt moniert in diesem Zusammenhang, dass bei Klubs, die diese Ausnahmeregelung nutzen, der Einfluss des Muttervereins auf "Null" begrenzt werden könne.

Kampf hinter den Kulissen

Die DFL steckt damit in einem Dilemma. Sie warb in einer Stellungnahme im Herbst um einen Fortbestand des Status quo und fordert eine Neubewertung der vorgelegten Argumente seitens des Kartellamts. Die Erwiderung der Liga blieb nicht die einzige Stellungnahme. Das Bundeskartellamt bestätigte auf sportschau.de-Anfrage, dass sie noch sieben weitere Stellungnahmen erhalten habe. "Das Schreiben der DFL sowie die Stellungnahmen der anderen Beteiligten bezieht sich auf diese vorläufige Einschätzung und erläutert die Sicht der Dinge von DFL bzw. den anderen Beteiligten. Diese Argumente werden wir nun bewerten", erklärte die Behörde.

Zu einer Stellungnahme berechtigt waren elf Akteure, die sich seit Beginn des Verfahrens 2018 hatten beiladen lassen. Dabei handelt sich um die genannten drei "Werksvereine" sowie den 1. FSV Mainz 05, Borussia Dortmund, den FC St. Pauli, Hannover 96, RB Leipzig und den TSV 1860 München e.V. Auch dessen Investor HAM International Ltd. sowie der Deutsche Fußball-Bund DFB gehören dazu.

Sportschau.de hat bei allen elf Beigeladenen nachgefragt, ob und falls ja, was sie an die Wettbewerbshüter zurückgemeldet haben. Mainz und Leipzig erklärten, dass sie von einer eigenen Stellungnahme abgesehen hätten. Von den drei Werksvereinen wollten sich der VfL Wolfsburg und die TSG 1899 Hoffenheim nicht konkret dazu äußern. Bayer 04 Leverkusen teilte mit: "Wir sind überzeugt von unseren und letztlich den von der DFL vorgetragenen Argumenten gegenüber dem Kartellamt und wünschen uns den uneingeschränkten Fortbestand der bestehenden Regelung."

Borussia Dortmund wollte keine Details zum schwebenden kartellrechtlichen Verfahren nennen, betonte in seiner Antwort aber, dass man ein Befürworter der 50+1-Regel sei. Das ist auch vom FC St. Pauli und 1860 München e.V. bekannt, die sich nur allgemein äußern. Beide haben aber wohl jeweils eine eigene Stellungnahme abgegeben. Auch der 1860-Investor soll sich gegenüber dem Kartellamt geäußert haben.

DFB proklamiert Zuständigkeit für sich

Überraschend fällt die ausführliche Antwort des Deutschen Fußball-Bundes DFB aus. Der Verband begrüße die vorläufige Einschätzung des Kartellamts insoweit, als dass die 50+1-Regel für zulässig gehalten werde, weil sie legitime Ziele verfolge. Allerdings könne man die Bedenken des Kartellamts in Bezug auf die derzeit bestehenden drei Förderausnahmen für Bayer 04 Leverkusen, den VfL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim nicht nachzuvollziehen.

"Das Kartellamt hat noch nicht hinreichend berücksichtigt, dass der DFB mit dieser Regel keine eigenen wirtschaftlichen Vorteile verfolgt, sondern sich allein dem Schutz und der Funktionsfähigkeit des sportlichen Wettbewerbs verpflichtet fühlt", schreibt der Verband. Man erwarte deshalb, dass das Kartellamt die 50+-1-Regel in ihrer Gesamtheit billige. Formal solle das Kartellamt das Verfahren abschließen und erklären, dass kein Anlass bestünde, gegen die Regel tätig zu werden.

Der DFB betont zudem noch einmal seine eigene Rolle. Man habe das Kartellamt darauf hingewiesen, dass die 50+1-Regel nicht nur in der Satzung der DFL, sondern von Anfang an in der DFB-Satzung als höherrangigem Recht verankert sei: "Deshalb hat die 50+1-Regel allgemeinverbindliche Geltung für die obersten drei Ligen des Fußballsports in Deutschland. Sie könnte von der DFL alleine nicht geändert werden."  

Die DFL hatte bei ihrer Gründung die DFB-Regel wortwörtlich in ihre Satzung übernommen. Außerdem gilt sie nur als einzelner Mitgliedsverband im DFB. Vor diesem Hintergrund läge es in der alleinigen Zuständigkeit des DFB-Präsidiums, etwaige Ausnahmen von dieser Regel zu genehmigen. Deshalb verwundert es umso mehr, dass nicht direkt der DFB diesen Antrag beim Bundeskartellamt zur Überprüfung von 50+1 eingereicht hatte. Das lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern, als Antragsteller bleibt die DFL hier bis zum Ende federführend.