
Kommentar Werders Saison war ein erneuter Schritt nach vorn – mit großem Malus
Das Verpassen des Europapokals ist nicht dramatisch, sagt unser Sportredakteur Karsten Lübben. Er kritisiert jedoch die fehlende Förderung von Talenten und die Transferpolitik.
Frustriert sanken die Bremer am 33. Spieltag nach dem 0:0 gegen RB Leipzig auf den Boden. Das Ziel, sich erstmals nach 15 Jahren wieder für den Europapokal zu qualifizieren, hat das Team verpasst.
Trotzdem: Eine Enttäuschung war diese Saison für Werder nicht. Nach dem Wiederaufstieg vor drei Jahren konnte der Klub sich erneut steigern. In der Vorsaison holten die Bremer noch 42 Punkte, dieses Mal waren es bereits 51. Die Steigerung der Punkte-Ausbeute um 21,4 Prozent ist ein starker Wert. Und im Umfeld der Bundesliga keineswegs selbstverständlich. Die Erwartungen an Werder sind stets groß, doch das Portemonnaie ist vergleichsweise klein.

Frust bei Michael Zetterer: Der Europapokal findet auch in der kommenden Saison ohne Werder statt.
Es würde zu kurz greifen, die Verantwortlichen um Trainer Ole Werner, Sportchef Clemens Fritz und den Sportlichen Leiter Peter Niemeyer allein am Verpassen des Europapokals zu beurteilen. Zumal Werders 51 Punkte in der vergangenen Saison noch problemlos für den 6. Platz und somit für die Qualifikation für die Europa League ausgereicht hätten. Hier ist Werder eben auch davon abhängig, wie gut die Konkurrenz abschneidet.
Kein Neuzugang eroberte sich einen Stammplatz
Der Status quo bei Werder passt also. Diese Saison war ein erneuter Schritt nach vorn. Allerdings zweifle ich daran, dass mit Blick auf die sportliche Perspektive am Osterdeich aktuell nachhaltig genug gearbeitet wird, um auch die nächsten Schritte zu gehen. Werders Mannschaft muss sich weiterentwickeln und clever verstärkt werden. Doch die Transferpolitik der Bremer überzeugt mich nicht.
Kein einziger Neuzugang in der vergangenen Saison entpuppte sich als echte Verstärkung. Unter den arrivierten Spielern waren Angreifer Marco Grüll (13 Startelf-Einsätze in der Bundesliga) und der ausgeliehene Außenverteidiger Derrick Köhn (14 Startelf-Einsätze) ordentliche Ergänzungen – aber keine Stammspieler und Leistungsträger. Im Winter griff Werder mit den beiden Leihspielern André Silva (RB Leipzig) und Issa Kaboré (Manchester City) daneben. Beide spielten schon rasch keine Rolle mehr.
Werder wollte auf Talente setzen – macht es aber nicht
Ebenso düster sieht es bei der Entwicklung von Talenten aus. Als der Klub im Januar 2024 den Einstieg eines regionalen Investorenbündnisses bekanntgab, das für 18 Prozent der Anteile 38 Millionen Euro gezahlt hat, war das Ziel klar. "Der Fokus liegt darauf, in junge, talentierte Spieler zu investieren, um nachhaltig Werte für Werder Bremen zu schaffen", sagte Finanzchef Klaus Filbry seinerzeit. Als Vorbild nannte er dabei Borussia Dortmund, das in jungem Alter einst Spieler wie Jude Bellingham oder Jadon Sancho verpflichtet hatte.

Bei Werder hat Nick Woltemade nicht den großen Durchbruch geschafft. Nun wird er als Kandidat für die Nationalmannschaft gehandelt.
Diese Idee ist richtig: Werder muss Talente entwickeln und dadurch Werte schaffen. Doch den Worten folgen bisher keine Taten. Dies ist ein großer Malus. Kein einziger Stammspieler der Bremer ist momentan jünger als 25. Ein Sinnbild für das Problem ist der Wechsel von Nick Woltemade: Der gebürtige Bremer schaffte bei Werder nie den großen Durchbruch. Nachdem er ablösefrei zum VfB Stuttgart gegangen ist, wird der 23-jährige Stürmer mittlerweile für die WM 2026 gehandelt und mit Ablösesummen in Höhe von 40 Millionen Euro und mehr in Verbindung gebracht.
Liegt es an den Talenten? Oder liegt es an Werner?
"Wir werden andere gute Spieler wieder entwickeln", sagte Werner im April 2024 zum Woltemade-Wechsel. Doch bisher ist dies auf der Ebene der Talente nicht gelungen. Die Frage ist: Reicht deren Potenzial nicht aus, sodass Werder sich bei ihnen geirrt hat? Oder gelingt Werner es schlichtweg nicht, dieses Potenzial ausreichend zur Entfaltung zu bringen?

Skelly Alvero stand in der Bundesliga nur am 6. Spieltag bei der 0:1-Niederlage gegen den SC Freiburg in der Startelf.
Wer im Vergleich mit der Konkurrenz weniger Geld zur Verfügung hat, muss dieses cleverer investieren. Fraglich erscheint vor allem, was die Verantwortlichen in Skelly Alvero gesehen haben. Für den Franzosen haben sie im Sommer fast fünf Millionen Euro an Olympique Lyon überwiesen. Der 23 Jahre alte zentrale Mittelfeldspieler stand in der Bundesliga allerdings nur ein einziges Mal in der Startelf.
Der 23 Jahre alte Argentinier Julián Malatini ist seit anderthalb Jahren bei Werder, spielt sportlich jedoch keine Rolle. Zuletzt kam er in der Bundesliga im Februar zu einem Kurzeinsatz. Stürmer Keke Topp besitzt spannende Anlagen. Von dauerhaftem Bundesliga-Niveau ist der 21-Jährige aber noch ein gutes Stück entfernt.
Sportlich hat Werder in der Bundesliga eine gute Saison hingelegt. Daran ändert auch das knappe Verpassen des Europapokals nichts. Für die Entwicklung des Klubs müssen die Verantwortlichen meiner Auffassung nach allerdings deutlich stärker auf die Perspektive der Mannschaft achten. Dies ist in dieser Saison auf der Strecke geblieben.
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Dieses Thema im Programm:
Bremen Eins, Nachrichten, 17. Mai 2025, 18 Uhr