
NDR-Sport Erneut nur Mittelmaß: Die enttäuschende Saison des VfL Wolfsburg
Das Saisonziel - der internationale Wettbewerb - wurde klar verfehlt, der VfL Wolfsburg hat die Saison auf dem unbefriedigenden elften Tabellenplatz beendet. Dabei traute man dem Team im Laufe der Hinrunde mehr zu - aber der Höhenflug endete im Absturz.
Mitte Dezember saß der damalige VfL-Trainer Ralph Hasenhüttl lächelnd auf dem Podium des Wolfsburger Presseraums und beantwortete freundlich Fragen zur so starken Offensive: mit 29 Treffern in 13 Bundesligaspielen hatte diese einen Vereinsrekord aufgestellt und auch die Marke aus der Meistersaison 2008/2009 zu diesem Zeitpunkt geknackt.
Fünf Spiele in Folge hatte Hasenhüttls Team gewonnen, auch dank spektakulärer Siege gegen Mainz und Leipzig stand der VfL auf dem fünften Platz - zwar in einer zugegeben engen Konstellation, aber es sah so aus, als könne erstmals seit 2021 wieder der Einzug in den europäischen Wettbewerb gelingen.
Nun beendet der Club die Saison als Elfter, mit großer Enttäuschung und ohne Trainer: zwei Spieltage vor Schluss wurde Hasenhüttl freigestellt und durch den Coach der U19 Daniel Bauer ersetzt - eine Interimslösung, Bauers Zeit bei den Profis endete mit dem Sieg in Mönchengladbach am vergangenen Sonnabend.
Zuvor war Hasenhüttl daran gescheitert, die immerwährenden VfL-Ziele zu realisieren: dem so erfolgreichen Herbst folgten ein trister Winter und ein frustrierender Frühling. Dazu gehörten Unentschieden gegen die Absteiger Bochum und Kiel sowie St. Pauli sowie Niederlagen gegen Union Berlin und Heidenheim.
Der Weg in die Krise
Es wurde offensichtlich, dass ein "Plan B" zum von Hasenhüttl propagierten schnellem Umschaltspiel fehlte. Gegen tief stehende Teams taten seine Profis sich schwer, mit Ballbesitz wussten sie gegen Abstiegskandidaten nicht viel anzufangen. Und so wurde der Saison der Stecker gezogen. Die Schuld allein beim Trainer zu suchen, wäre aber falsch.
Da ist zum einen die Formschwäche entscheidender Akteure in der Rückrunde - ein Beispiel: Stürmer Jonas Wind. In der Rückrunde erzielte der Däne gerade mal noch zwei Treffer - obwohl Hasenhüttl ihm Vertrauen und viele Einsatzminuten schenkte. Verteidiger Joakim Maehle geriet in eine rätselhafte Schwächephase, Mohamed Amoura begeisterte zuletzt etwas seltener - eine der Ausnahmen: der Assist für Lukas Nmecha im letzten Spiel gegen Gladbach.
Dazu kamen im Mittelfeld Langzeitverletzte wie Kevin Paredes und Lovro Majer, die weite Teile der Saison verpassten, sowie kurzfristige Ausfälle in der Abwehr. Und: Mehrere Misserfolge drückten das Selbstvertrauen, dem Team gelang es nicht, sich aus der Negativspirale zu befreien.
Licht und Schatten bei den Neuzugängen
Beim Blick auf die Neuzugänge des vergangenen Sommers, fällt die Bilanz gemischt aus. Geschäftsführer Peter Christiansen und Sportdirektor Sebastian Schindzielorz holten mit Amoura einen starken Angreifer in die Bundesliga - zehn Treffer und zwölf Vorlagen sprechen für den Algerier.
Innenverteidiger Denis Vavro überzeugte und soll nach der Leihe nun fest verpflichtet werden, sein junger Nebenmann Konstantinos Koulierakis ist ein Spieler mit Perspektive, ebenso wie der erst 18 Jahre alte Bence Dardai im defensiven Mittelfeld. Torhüter Kamil Grabara war über weite Teile ein starker Rückhalt, ebenso wie sein Vertreter Marius Müller, der gar so eindrucksvoll parierte, dass manche lieber ihn als Grabara im Kasten gesehen hätten. Damit aber hätte sich das Trainerteam eine Baustelle aufgemacht, hätte noch mehr Unruhe ins Team gebracht - es war richtig, dies zu vermeiden.
Die Verpflichtung von Salih Özcan hingegen war ein Irrtum - was mit dessen Abgang Ende Januar (leihweise zurück nach Dortmund) dokumentiert wurde. Mads Roerslev sollte Verteidiger Kilian Fischer Druck machen, was ihm aber nicht gelang, sein dänischer Landsmann Andreas Skov Olsen kam für 14 Millionen Euro aus Brügge und konnte die Erwartungen bislang nicht erfüllen.
Kein funktionierendes Teamgefüge
Ebenso offensichtlich: As Team funktionierten die Profis nicht. Wer geht voran, wer hält die Truppe zusammen? Kapitän Maximilian Arnold steht für bedingungslosen Einsatz und größtmögliche Identifikation. Kann er nach innen genauso viel vermitteln wie nach außen? Yannick Gerhardt, bereits neun Jahre im Verein, zeigt ähnliche Tugenden wie Arnold, auf dem Platz aber wurde er auch in dieser Spielzeit wieder häufig hin und hergeschoben, seine Vielseitigkeit Fluch und Segen zugleich.
Bezeichnend: Als Arnold erst wegen einer Verletzung und dann wegen einer Rotsperre ausfiel, ernannte Hasenhüttl Keeper Grabara zum Kapitän - ein Spieler, der erst ein Dreivierteljahr beim VfL ist, kein Deutsch spricht und naturgemäß auf dem Spielfeld nicht mittendrin sein kann.
Späte Entlassung des Trainers
Nachdem Schindzielorz und Christiansen lange beteuert hatten, die Saison mit Hasenhüttl beenden zu wollen, stellten sie den Coach zwei Spieltag vor Schluss doch noch frei. Diese Handlung und die Kommunikation dazu verwundert, denn weder hatte der Club zu diesem Zeitpunkt noch Möglichkeiten, oben anzugreifen noch drohte der Abstiegskampf. "Neue Impulse" versprachen sich die Funktionäre.
Die Trainersuche
Nun kommt ein neuer Trainer - der zehnte seit der Trennung von Dieter Hecking 2016. Favorit auf den Job soll der Däne Jacob Neestrup sein, der seit 2022 erfolgreich den FC Kopenhagen betreut und dort mit Christiansen zusammenarbeitete.
Experten in Dänemark charakterisieren den 37-Jährigen als sachlichen Taktiker - und sicher nicht als emotionalen Typen an der Linie und "Menschenfänger". Gerade so einer aber würde dem VfL - abgesehen von spielphilosophischen Aspekten - guttun.
Jemand, der wachrütteln und für Euphorie sorgen kann beim Club, der in der vergangenen Saison am meisten Schlagzeilen generierte, als damals-noch-Trainer Hasenhüttl die seiner Meinung nach fehlende Stimmung im Stadion mit den Worten "Nach dem zweiten Tor ist wieder Friedhof" kritisierte. Man würde dem VfL insgesamt mehr Leben wünschen. Jemanden wie Bo Hendriksen vielleicht, der Mainz vom Abstiegskandidaten zum Europapokalteilnehmer wandelte.
Umstrukturierungen und die Suche nach der Identität
Der Geschäftsführer, seit vergangenem Sommer im Amt, hat mehr als nur die Besetzung der Trainerposition im Blick, Christiansen krempelt auch Teile des Clubs um: Von der Jugend bis zu den Profis soll künftig eine einheitliche Spielphilosophie - im Kern: dominanter Ballbesitzfußball - vermittelt werden, dafür soll ein Fachmann aus den Niederlanden engagiert werden.
Dazu kommen Umstrukturierungen in einigen Abteilungen, unter anderem in der Kommunikation. Vielleicht geht es auch um die Frage, die wohl aktuell niemand zufriedenstellend beantworten kann: wofür der VfL insgesamt eigentlich stehen soll.
Sportliches Mittelmaß vermag niemanden in Wolfsburg und schon gar nicht über die Stadtgrenzen hinaus zu begeistern. Und Gesichter hat der Verein viel zu wenige - das gilt für die Profis ebenso wie für die Funktionärsebene. Christiansen folgt als Geschäftsführer auf so charismatische Persönlichkeiten wie Felix Magath, Dieter Hoeneß und Jörg Schmadtke - er selbst ist in der Öffentlichkeit noch kaum bekannt.
VfL-Aufsichtsratschef Sebastian Rudolph betonte in der vergangenen Woche die Rückendeckung für ihn ebenso wie für Sportdirektor Schindzielorz. Die beiden haben in Wolfsburg viel zu tun.
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Sportclub | 18.05.2025 | 22:45 Uhr