
Beinahe-Rentner glänzt im Endspurt Eintracht-Held Kristensen: "Ich wollte eigentlich aufhören"
Im vergangenen Sommer kurz vor dem Karriere-Ende, jetzt der Held im Rennen um die Champions League: Rasmus Kristensen hat ein turbulentes Jahr hinter sich, im Saison-Endspurt zeigt er bei Eintracht Frankfurt ungeahnte Fähigkeiten.
Rasmus Kristensen gab am Samstagabend auch in den Stunden nach Abpfiff eine sehr gute Figur ab. In einem von Eintracht Frankfurt veröffentlichten Video ist zu sehen, wie der Däne freudetrunken durch eine Autobahn-Tankstelle hüpft. In der linken Hand ein Bier, Schal um den Kopf gebunden, Sonnenbrille auf, gekleidet in ein Trikot von Timothy Chandler. Szenen einer erfolgreichen Auswärtsfahrt, die jeder Amateurfußballer bestens kennt. Und jetzt trinken wir denen auch noch das Vereinsheim leer.
Anders als bei den meisten Kickern in diesem Bundesland gab es aber nicht etwa einen Sieg beim Lokal-Rivalen der Bezirksliga zu feiern. Kristensen und seine ebenfalls an der Tankstellen-Party beteiligten Teamkollegen zelebrierten auf ihre ganz eigene Art und Weise den Einzug in die Champions League. Die Eintracht darf nach dem 3:1-Sieg beim SC Freiburg in der kommenden Saison in der Königsklasse starten. Einer der Hauptverantwortlichen dafür: Rasmus Kristensen. Dabei hatte dieser noch im vergangenen Sommer ganz andere Pläne.
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Kristensen hatte genug vom Fußball
"Ich wollte eigentlich aufhören mit dem Fußball im letzten Jahr", gab der Däne in der Mixed Zone bei Eintracht-TV überraschend zu. Gründe für sein Beinahe-Rentnertum nannte der Rechtsverteidiger, der im vergangenen Sommer auf Leihbasis von Leeds United zur Eintracht gewechselt war und inzwischen einen langfristigen Vertrag unterschrieben hat, nicht. Er stellte aber klar: "Ich hatte keinen Bock mehr. Dann hat mich die Eintracht da rausgeholt." Aus Sicht der Hessen lässt sich festhalten: Alles richtig gemacht.
Trainer Dino Toppmöller bestätigte am Abend auf der Pressekonferenz dann, dass Kristensen nach der vergangenen Saison als Leihspieler bei der AS Rom tatsächlich alles hinschmeißen wollte. "Er hatte Gedanken, aufzuhören." Kaderplaner Markus Krösche hätte dann zuerst mit Kristensen gesprochen, um ihn vom Weitermachen und einem Neustart in Hessen zu überzeugen. Später tat das auch Toppmöller selbst. Das Ergebnis ist bekannt: Kristensen ging zur Eintracht und startete durch. Er kam, sah und fand wieder Spaß am Fußball.
Kristensen ein Glücksgriff für die Eintracht
Und zwar so sehr, dass er dank seiner mitreißenden Art in Windeseile zum Führungsspieler und zum Publikumsliebling aufstieg. Ein Typ wie Kristensen, der immer mit dem Messer zwischen den Zähnen spielt und nie zurücksteckt, hat der Eintracht in den vergangenen Jahren gefehlt. In Kombination mit dem ebenfalls vor Siegeswille fast überlaufenden Arthur Theate und Abwehrchef Robin Koch bildete der Däne das Fundament für den Frankfurter Erfolg. Die Stürmer werden gefeiert, die Defensivspieler sind oft die wahren Helden.
"Er ist ein Spieler, den du dir als Trainer immer wünschst", fasste Toppmöller passend zusammen. Kristensen, der selbst im Training jedes Spiel und jeden Zweikampf unbedingt für sich entscheiden will und seine Teamkollegen bei einer in seinen Augen zu lässigen Einstellung schon mal lautstark zusammenfaltet, sei zwar neben dem Platz "ein bisschen anstrengend", fügte der Frankfurter Trainer mit einem Grinsen an. Ein Aggressive Leader wie Kristensen, der in jeder Situation alles für den Erfolg gibt, ist für den mannschaftlichen Erfolg aber unabdingbar.
Plötzlich auch noch torgefährlich
Fernab seiner Defensiv- und Motivations-Künste entdeckte Kristensen im Saison-Endspurt dann sogar noch eine ganze andere Stärke in sich. Der 24-fache Nationalspieler erzielte in den letzten drei Saison-Spielen jeweils einen Treffer und hievte die Eintracht damit auf Platz drei. Nachdem Kristensen im Viertelfinal-Rückspiel gegen Tottenham noch gleich mehrere Großchancen vergeben hatte, zeigte er sich in der Bundesliga umso treffsicherer. Beim 1:1 in Mainz traf er zur zwischenzeitlichen Führung, beim 2:2 gegen St. Pauli ließ er das Stadion nach wenigen Sekunden beben, in Freiburg ebnete er mit seinem Tor den Weg zum Sieg und zur Königsklasse.
"Er hat vor dem Spiel gesagt, dass er eigentlich nicht mehr treffen will, weil wir dann nicht gewinnen", so Toppmöller. "Aber heute lief das ja gut." Kristensen machte das 2:1, die Eintracht gewann, ein perfekter Nachmittag.
Das persönliche Glück ist zurück
Was Kristensen zudem auszeichnet: Unmittelbar nach Schlusspfiff, der Großteil des Teams war da schon längst in der Frankfurter Fankurve angekommen, kümmerte er sich erst einmal um die niedergeschlagenen Freiburger. Der Däne ging von Gegenspieler zu Gegenspieler, klatschte ab, umarmte, half wieder auf die Beine. Während des Spiels kennt der Held mit den hochgekrempelten Ärmeln keine Freunde. Sobald abgepfiffen ist, ändert sich der Charakter aber komplett. Kristensen hat ein gutes Gespür für das richtige Verhalten.
Gedanken an den frühzeitigen Ruhestand und Abstand vom Fußball, das wurde am Samstagabend sehr deutlich, gibt es bei Kristensen inzwischen nicht mehr. Der Rechtsverteidiger hat sein Glück in Frankfurt gefunden, die Aussicht auf die Champions League rundet den Umschwung in den vergangenen Monate perfekt ab. "Ich bin erst Vater geworden, dann kam der Wechsel zu diesem Verein. Das war das beste Jahr meines Lebens." So schnell kann es manchmal gehen.