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Champions-League-Einzug als Meilenstein Champions-League-Einzug als Meilenstein: Die Eintracht-Wagnisse gehen auf

Stand: 17.05.2025 19:41 Uhr

Eintracht Frankfurt zieht erstmals über den Bundesliga-Weg in die Champions League ein. Ein verdienter Lohn für eine starke Saison, die auf wohlüberlegter Risikobereitschaft fußt. Dass die Entscheidung am letzten Spieltag fällt, passt ebenfalls.

Von Daniel Schmitt

Jetzt, da der erstmalige Champions-League-Einzug von Eintracht Frankfurt über den Liga-Weg in die Geschichtsbücher gekritzelt werden kann, wenn auch erst im allerletzten Anlauf, lohnt zur Einordnung der Gesamtleistung ein kurzer Blick zurück auf den Mai 2024. Damals nämlich kommentierte der hr-sport trotz erreichter Europa-Qualifikation: "Die Schonfrist ist vorbei". Gemeint war Dino Toppmöller, der Trainer, und seine teils gähnend-langweilig fußballspielende Mannschaft.

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Daniel Schmitt
hr-Sportredakteur

Dass die Eintracht-Verantwortlichen mit dem Vorstand Markus Krösche an der Spitze des Sports sich dennoch nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, mit Toppmöller in eine zweite Saison zu gehen, hielt der hr-sport im Frühsommer 2024 gleichermaßen für nachvollziehbar wie mutig. Könnte schließlich auch schiefgehen, so die einstige Einschätzung. Keine zwölf Monate später und nach einem nervenaufreibenden Finale in Freiburg (3:1), das so bestimmt nicht hätte stattfinden müssen, aber doch irgendwie den Erfolg noch einmal aufwertet und den Zusammenhalt des Teams untermauert, lässt sich festhalten: Am Ende alles richtig gemacht, die Herren. Chapeau!

Mutige Entscheidungen in Sommer und Winter

Denn der Erfolg der Eintracht basiert gleich auf mehreren Wagnissen, die sich im Laufe der Runde immer wieder in Wohlgefallen auflösten. Angefangen mit Toppmöllers Weiterbeschäftigung im Frühsommer, die das Team sofort unter immensen Druck setzte, über das klare Nein zu einem spätsommerlichen Omar-Marmoush-Verkauf. Wäre der Torjäger schon damals stiften gegangen auf die Insel, hätte die Eintracht die knapp 20 Millionen Euro mitgenommen - nicht wenige sahen Marmoush ja bereits am Leistungslimit angekommen -, dieser Saisonverlauf wäre (wohl) nicht möglich gewesen.

Wohl deshalb, weil sich die Risikobereitschaft im Winter fortsetzte - freilich unter anderen Voraussetzungen. Dass die Frankfurter ihren Besten in die Hände Pep Guardiolas übergaben, füllte zwar das Konto, war daher nur logisch, den sportlichen Erfolg aber gefährdete der 80-Millionen-Euro-Deal sehr wohl. Auch absolute Insider glaubten zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich an die realistische Möglichkeit einer Frankfurter Champions-League-Qualifikation über den Bundesliga-Weg.

In Schlupfloch gekrabbelt

Ohnehin ist es bemerkenswert, dass solche Erfolgsgeschichten noch zu schreiben sind, auch jene des VfB Stuttgart in der Saison zuvor. Die Struktur der obersten deutschen Fußballliga gibt so etwas kaum her. Die Bayern und Dortmund qua ihrer Wucht enteilt, Leverkusen dank Xabi Alonso und Florian Wirtz, Leipzig dank einer klebrigen Brause, dazu Retortenclubs aus Wolfsburg oder Hoffenheim.

Da bleibt wenig Raum für einen an der Schwelle zur Spitze stehenden Verein wie die Eintracht. Eigentlich. Uneigentlich verhedderten sich gerade der BVB und RB lange Zeit (oder bis zum Schluss) derart in ihren Problemen, dass sich ein Schlupfloch ergab. Die Eintracht krabbelte Woche für Woche tiefer hinein, steht seit dem neunten Spieltag auf einem Königsklassen-Rang, was trotz der Torschlusspanik in den Spielen gegen Mainz und St. Pauli nur einen Schluss zulässt: Die Champions-League-Teilnahme ist verdient und gleichzeitig eine "sportliche Überperformance", wie der Frankfurter Vorstandsboss Axel Hellmann in Freiburg zu Recht sagte.

Toppmöllers Arbeit ist nicht hoch genug zu bewerten

Mannschaft, Trainerteam und Sportliche Führung agierten als Einheit, nahmen Rückschläge als Ansporn, unlängst erst das ernüchternde Remis gegen St. Pauli, auch das bittere Europa-League-Aus gegen Tottenham. In Freiburg hat das Team bewiesen, dass es unter maximalem Druck funktionieren und also auch Alles-oder-wenig-Spiele auf die eigene Seite ziehen kann. Etwas, das der Mannschaft zuvor durchaus abging.

Der Marmoush-Abgang konnte zwar nie aufgefangen werden, was fast unmöglich war, zumal die Winter-Einkäufe Elye Wahi und Michy Batshuayi nicht einschlugen. Dafür aber machten andere Jungprofis den nächsten (Ansgar Knauff, Hugo Ekitiké, Hugo Larsson, Kaua Santos) oder übernächsten Schritt (Jean-Matteo Bahoya, Nathaniel Brown, Nnamdi Collins) nach vorne. Die Erfahrenen wie Arthur Theate, Rasmus Kristensen, Robin Koch, Ellyes Skhiri, Mario Götze und zuletzt auch Kevin Trapp bildeten ein stabiles Gerüst. Zwischenzeitliches Nervenflattern mal ausgeklammert.

Insofern ist die Arbeit von Toppmöller in diesem Zusammenhang nicht hoch genug einzuschätzen. Fernab einzelner Taktik- oder Wechselpatzer, die ihm sicher unterlaufen sind, bewahrte er stets die Ruhe, meckerte nicht über den Marmoush-Verkauf, sondern suchte nach Lösungen und fand sie letztlich in einer veränderten Systematik, auch in Leuten, die in der Hinrunde teils kaum eine Rolle spielten. Er hat das Auge dafür, gerade für junge Fußballer, und passt damit perfekt zur Idee der Eintracht. Seine Vertragsverlängerung bis 2028 war da nur folgerichtig.

Die gesamte Eintracht-PK nach dem Sieg gegen den SC Freiburg

Aus voller Überzeugung handeln

Es ist schön zu sehen, wenn Mut auf vielen Ebenen belohnt wird. Gleichzeitig gilt für einen aufstrebenden Club wie die Eintracht, will er ähnliche Erfolge auch in der Zukunft erreichen, von diesem Weg nicht abzukommen.

Sich einerseits nicht treiben zu lassen von der krittelnden Öffentlichkeit, über Entscheidungen lieber einen Tag zu viel als einen zu wenig nachzugrübeln, diese andererseits aber aus voller Überzeugung heraus zu tätigen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt - ein Sprichwort, das perfekt zur Saison von Eintracht Frankfurt passt. Der nächste Meilenstein, die Klasse der Könige, ist in dieser rasanten Entwicklung des Clubs erreicht.