Andreas Rettig ist der neue Geschäftsführer des Deutschen Fußball-Bundes

BR24 Sport Vorbild Augsburg? Chefkritiker Rettig soll DFB aufräumen

Stand: 15.09.2023 17:04 Uhr

Mit Andreas Rettig macht der Deutsche Fußball-Bund (DFB) einen seiner ärgsten Kritiker zum Geschäftsführer. Ausgerechnet mit seinem alten Konterpart Rudi Völler sucht er nun einen neuen Fußball-Bundestrainer.

Von Hannes Nebelung

"Beim DFB und der DFL fehlt derjenige, der die Orientierung und die inhaltlichen Themen vorgibt und diese vertritt" - diese Aussage von Andreas Rettig ist 32 Tage alt. Sie stammt aus "Blickpunkt Sport"-Sendung avom 14. August 2023. Damals trat Rettig - wie so häufig - als Chefkritiker des deutschen Fußballs auf. Und jetzt sitzt der ehemalige Manager des FC Augsburg selbst am Ruder des größten nationalen Sport-Fachverbands der Welt.

Am Freitag verkündete der Deutsche Fußball-Bund den Paukenschlag: Rettig wird DFB-Geschäftsführer und tritt die Nachfolge von Oliver Bierhoff an. Investoren-Einstieg, Nachwuchsförderung oder Regenbogenbinde: Der 60-Jährige steht seit jeher für eine klare Haltung und soll für frischen Gegenwind in der DFB-Spitze sorgen. Nicht zuletzt wird er federführend bei der Bundestrainer-Suche sein.

Vom Fußballzwerg zum Bundesligisten - Rettig saniert FC Augsburg

Sehr erfolgreich arbeitete Rettig als Manager beim FC Augsburg. 2006 heuerte er als Sportlicher Leiter bei den bayerischen Schwaben an, die damals gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegen waren. In den folgenden sechs Jahren führte Rettig den FCA nicht nur in die Bundesliga und schaffte 2012 den Klassenerhalt, sondern stellte den bis dato unbedeutenden Klub auf wirtschaftlich solide Füße.

Unter anderem verpflichtete Rettig Klublegende Daniel Baier und trieb den Bau der neuen Arena voran, die 2009 eröffnet wurde. In seiner Zeit in Augsburg verdoppelte sich der Zuschauerschnitt auf rund 30.000 Zuschauer pro Spiel, die Zahl der Dauerkarten wurde gar versechsfacht. Auch die Mitgliederzahl stieg auf über 10.000 an. Mittlerweile ist der FC Augsburg ein fester Bestandteil der Bundesliga und bestreitet seine 13. Saison am Stück im Oberhaus.

DFL-Chef und "Schweinchen Schlau"

Rettig zog es im Anschluss zur Deutschen-Fußball-Liga (DFL), die er zwei Jahre lang als Chef leitete. Auch hier behielt Rettig seine klare Linie, machte sich mit seiner strikten Investoren-Ablehnung und der Bestärkung der 50+1-Regel aber nicht nur Freunde in der deutschen Fußball-Szene. Im Streit um die Verteilung von TV-Geldern bekam er sich in dieser Zeit ausgerechnet mit dem heutigen Nationalmannschafts-Direktor Rudi Völler in die Haare. Dieser bezeichnete Rettig damals scherzhaft als "Schweinchen Schlau".

Die damalige Auseinandersetzung hat keinen tieferen Riss zwischen den beiden Funktionären hinterlassen, dennoch liegen Rettig und Völler auch heute nicht immer auf einer Linie. "Wir haben uns unnötig in eine Situation reinmanövriert", sagte Rettig in "Blickpunkt Sport" in Bezug auf Völlers Ansage, dass sich die Nationalmannschaft nach der WM in Katar wieder mehr auf das Sportliche konzentrieren soll.

Rettig über Völler: "Er ist Gold wert"

"Ich schätze Rudi Völler sehr, er ist Gold wert, weil er die Sache beruhigt. Diese Nahbarkeit und Bodenständigkeit ist großartig", erklärte Rettig: "Aber wenn ich sage, dass ich den Sport von der Politik entkopple (...), dann muss ich mich auch an den Ergebnissen messen lassen. Anders ist das bei Vereinen wie dem FC St. Pauli, der sportlich auch nicht besonders erfolgreich war, aber bei allen anderen Themen die Herzen aller erreicht hat."

Ärger um Nachwuchs-Reform: "Es geht um Eitelkeiten"

Besonders stört sich Rettig an der Nachwuchsförderung des DFB. Entgegen der harschen Kritik vieler ehemaliger Profis wie Thomas Helmer oder Dietmar Hamann verteidigt er die angestrebte Reform im Kinder- und Jugendbereich vehement. Gemeinsam mit Unterhachings Präsident Manfred Schwabl monierte er im "Blickpunkt Sport" die mangelhaften Prozesse beim Verband: "Wir brauchen fünf Jahre von dem Entstehen der Ideen und der Diskussion bis zur Umsetzung. Das ist abenteuerlich."

Dass Deutschland international den Anschluss zu verpassen droht, liegt für Rettig an den Machtspielchen im Spitzenfußball. "Beim DFB haben nacheinander (Robin) Dutt, (Matthias) Sammer und (Hansi) Flick und wie sie alle heißen (als Sportdirektoren, Anm.d.Red.) kapituliert. Es geht um Eitelkeiten und wir arbeiten nicht mehr konkret an diesen Dingen."

Schluss mit "Alles wird gut"

Nach den desaströsen Turnieren 1998 und 2000 habe man beim DFB die Zeichen erkannt und Änderungen angestoßen. "Jetzt gefallen wir uns in dieser Rolle 'Alles wird gut'", sagte Rettig und in Bezug auf Schwabl: "Wir brauchen auch diese kritischen Geister, die gehört werden müssen." Dieses Gehör wird sich Rettig, auch zum Unmut des einen oder anderen Funktionärs, nun beim DFB verschaffen.

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Quelle: BR24Sport im Radio 15.09.2023 - 16:55 Uhr