Victor Lindelöf (links) und Casemiro bei der Niederlage gegen Brighton

Vor Bayern-Kracher Chaos-Tage bei Manchester United

Stand: 19.09.2023 20:00 Uhr

Manchester United fordert am Mittwoch den FC Bayern zum Auftakt der Champions-League-Saison heraus. Doch der ruhmreiche Klub kämpft sportlich gegen ein Formtief und droht abseits des Platzes im Chaos zu versinken.

Von Hannes Nebelung

Am Ende war es Neu-Nationalspieler Pascal Groß, der das "Theater der Träume" endgültig zum Schweigen brachte. Zwei Minuten und 30 Pässe nach dem Abstoß seines Keepers schob Groß aus knapp 15 Metern den Ball aufreizend lässig zum 2:0 für Brighton & Hove Albion in die Maschen. Manchester United war in diesen schier endlosen zwei Minuten nicht ein einziges Mal am Ball. Nach 90 Minuten stand es 3:1 für die Gäste, die nun schon das vierte Spiel in Folge gegen das Team von Erik ten Hag gewannen.

Diese Szene vom vergangenen Samstag aus dem Old Trafford steht exemplarisch für den verkorksten Saisonstart und die Grundstimmung bei den Red Devils. Nach einer durchaus positiven vergangenen Spielzeit, die United auf dem dritten Tabellenplatz hinter Meister Manchester City und dem FC Arsenal abschloss, hatten sich die Fans in Manchester sogar leise Hoffnungen auf die erste Meisterschaft seit 2013 gemacht. Doch die Vorfreude wich schnell der Enttäuschung über einen historisch schlechten Saisonstart.

Drei Niederlagen kassierte das Team von Erik ten Hag in den ersten fünf Premier-League-Partien. Dies ist ein negatives Novum für den englischen Rekordmeister und so beträgt der Abstand auf den übermächtig erscheinenden Stadtrivalen City schon neun Punkte. Und nun könnte der FC Bayern seinen Rivalen und seinen angezählten Ex-Trainer Erik ten Hag im berüchtigten Champions-League-Duell vollends in die Krise stürzen.

Ärger um "Sündenbock" Sancho

Die Kritik am Niederländer wird fast täglich lauter. Denn zur sportlichen Misere kommen zahlreiche Nebenkriegsschauplätze hinzu. Der frühere BVB-Star Jadon Sancho zum Beispiel wurde nach einem öffentlich ausgetragenen Streit mit ten Hag aus dem Kader für das Brighton-Spiel gestrichen. "Wenn Mitarbeiter, Spieler oder wer auch immer Grenzen überschreiten, muss man konsequent sein", sagte ten Hag im Anschluss. Schon vor der Länderspielpause bei der 1:3-Niederlage gegen Arsenal musste Sancho von draußen zuschauen.

Sein Coach begründete damals seinen Verzicht auf den Offensivspieler mit mangelhaften Trainingsleistungen. Dies ließ Sancho nicht auf sich sitzen und ließ bei X, ehemals Twitter, verlauten: "Ich werde es nicht zulassen, dass Menschen Dinge über mich sagen, die komplett unwahr sind. Ich glaube, es gibt andere Gründe für diese Angelegenheit. Ich bin schon lange der Sündenbock, was nicht fair ist." Es ist nicht der erste Star-Spieler, der den Trainer öffentlich angreift. Auch Cristiano Ronaldo hatte ten Hag vorgeworfen, ihn "provoziert" zu haben.

Schwere Vorwürfe gegen Anthony

Zudem war Sancho nicht der einzige Leistungsträger, der aus nicht-sportlichen Gründen am Samstag nicht im Kader stand. Der Brasilianer Anthony ist mit schweren Vorwürfen konfrontiert, die seine Ex-Freundin Gabriella Cavallin öffentlich machte. Der 23-Jährige habe sie mehrfach körperlich angegriffen, sagte Cavallin in einem Interview mit "UOL". Anthony wurde daraufhin aus dem brasilianischen Länderspiel-Kader gestrichen und auch Manchester teilte mit, dass der Flügelspieler bis auf Weiteres nicht zur Verfügung steht.

Milliarden-Verkauf? United vor unsicherer Zukunft

Auch auf höchster Ebene ist die Lage äußerst angespannt. Die Investoren-Familie um den US-amerikanischen Unternehmer Joel Glazer, die seit 2005 die Mehrheit am Klub besitzt, ist bei großen Teilen der Fans äußerst unbeliebt. Nun könnte der Wunsch nach einem Rückzug der Glazers Realität werden. Denn tatsächlich plant die Familie seit November 2022 den Verkauf ihrer Anteile. Doch seit dieser Ankündigung ziehen sich die Verhandlungen in die Länge, das Ende ist weiterhin offen. Der Wert der United Aktie sank seit der Verkündung von rund 4,3 Milliarden auf 2,9 Milliarden Euro.

Zudem ziehen sich die Besitzer, die ohnehin nicht gerne öffentlich auftreten, noch weiter aus den Medien zurück. "Diese Eigentümer, die Glazers, seit Juni haben wir nichts mehr gehört", kritisiert Vereinslegende Rio Ferdinand in seiner Youtube-Show "Five": "In meinen Augen ist das eine Schande, denn man hat eine Fangemeinde, eine Institution, einen Verein, ein Team, Spieler und einen Trainer, die, die richtige Kommunikation brauchen, um sie zu verstehen."

Ten Hag zwischen Krisenkommunikation und Glaube an den Umschwung

Das geht auch zulasten von ten Hag. Der Trainer steht in dieser schwierigen Situation nahezu ohne Rückendeckung da. So muss er nicht nur die sportliche Krise, sondern auch die Probleme neben dem Platz fast im Alleingang moderieren und öffentlich kommentieren - und zeigt dabei, dass dies nicht gerade seine Stärke ist. Ungelenke Aussage folgt auf ungelenke Aussage.

Es ist allerdings nicht die erste Krise, die ten Hag bei Manchester bewältigen muss. In der vergangenen Saison stand er nach einem 0:7-Debakel gegen den ewigen Rivalen vom FC Liverpool und einer derben 0:4-Pleite gegen Brentford kurz vor dem Aus. Doch in dieser Situation zeigte ten Hag, weshalb sich vor der Nagelsmann-Verpflichtung auch der FC Bayern mit seinem ehemaligen U23-Trainer beschäftigt hatte.

Nun könnte er gegen seinem alten Arbeitgeber erneut die Wende einläuten. Harry Kane warnte schon einmal seine neuen Kollegen eindringlich: "Ich weiß, dass Manchester United im Moment eine schwierige Phase hat, aber manchmal sind genau solche Mannschaften gefährlich, weil sie immer darauf aus sind, im großen Stil zurückzukommen." In München haben sie damit schon einmal schmerzhafte Erfahrungen gemacht.

Video: Tuchel gegen United auf der Tribüne - Insider Kane will ins Finale

Thomas Tuchel (rechts) und Harry Kane

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Quelle: BR24Sport im Radio 18.09.2023 - 10:55 Uhr