Hansi Flick

BR24 Sport Trainerbeben beim DFB: Woran Hansi Flick gescheitert ist

Stand: 10.09.2023 20:23 Uhr

Hansi Flicks Zeit als Bundestrainer ist beendet, nur Erich Ribbeck blickt auf einen schlechteren Punkteschnitt zurück. Am Ende bleibt der Eindruck, dass Mannschaft und Trainer nie so richtig warm wurden.

Von Johannes Kirchmeier

In seinen letzten Minuten als Bundestrainer in einem Fußballstadion war Hansi Flick am Samstagabend (09.09.2023) noch einmal der "nette Hansi", wie ihn so viele kannten. Er herzte die Fans, machte Selfies mit ihnen und unterschrieb wirklich auch noch auf dem allerletzten Trikot, das ihm kurz vor Mitternacht entgegengehalten wurde. Und das, man muss daran erinnern, nachdem seine Mannschaft gerade 1:4 gegen Japan untergegangen war in Wolfsburg.

Der 58-Jährige hätte also durchaus deutlich angefressener sein und sich nach einem Interview mit dem übertragenden Sender sofort auf den Weg in die Kabine machen können. Doch Hansi Flick wahrte schon als Bayern-Coach den Respekt vor den Fans, sein öffentliches Auftreten war menschlich sauber - und so ist es auch beim DFB-Team geblieben.

Erster freigestellter Bundestrainer - Bernd Schmelzer: "Entscheidung überfällig"

Tags darauf durfte Hansi Flick noch eine Trainingseinheit beim DFB-Team leiten, ehe er anschließend vom DFB freigestellt wurde - als erster Bundestrainer überhaupt! "Der sportliche Erfolg hat für den DFB aber oberste Priorität. Daher war die Entscheidung unumgänglich", sagte der Präsident Bernd Neuendorf. "Das Japan-Spiel hat uns klar gezeigt, dass wir in dieser Konstellation nicht mehr weiterkommen", sagte der Sportdirektor und interimistische Nachfolger Flicks, Rudi Völler.

"Die Entscheidung ist nicht überfällig gewesen, sondern genau richtig in der jetzigen Situation neun Monate vor der Heim-Europameisterschaft", sagt der BR24Sport-Reporter Bernd Schmelzer, der für den BR und die ARD über die Nationalmannschaft berichtet. "Es gab jetzt nichts anderes mehr, keine andere Lösung, als die Reißlinie zu ziehen. Von daher war die Entscheidung absolut in Ordnung."

Bernd Schmelzer: "Flick hat die Ergebnisse aus dem Blick verloren"

Doch, was ist passiert? Woran ist Hansi Flick gescheitert? "Der Trainer gibt das Personal vor, der Trainer gibt die Taktik vor, der Trainer gibt die Richtung vor. Hansi Flick hat sehr viel probiert. Er hat drei Länderspiele im März gehabt, in denen er sehr viel Personal getestet hat. Aber er hat die Ergebnisse so ein bisschen aus dem Blick verloren", sagt Schmelzer.

In seinen insgesamt 25 Spielen als Bundestrainer hatte Flick nie in zwei aufeinanderfolgenden Partien der gleichen Aufstellung vertraut. Immer wieder wechselte er - besonders in der Abwehrformation signifikant. Mal probierte er die Dreierkette, mal die Viererkette. Mal eine sogenannte "Ochsenabwehr" aus lauter Innenverteidigern, am Samstag dann überraschend den Münchner Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger. Der war zuvor noch der Anker im Mittelfeld.

Im Video: Flicks letzter Arbeitstag als Bundestrainer

Hansi Flick

Nur Ribbeck war schlechter als Flick

Von den vergangenen 17 Partien hat Flicks Mannschaft lediglich vier gewonnen - und nur einmal kein Gegentor kassiert. Nur Erich Ribbeck (1,50 Punkte) hatte letztlich einen schlechteren Punkteschnitt als DFB-Trainer als Flick (1,72 Zähler). Und der, die Älteren werden sich erinnern, coachte die Mannschaft in der "Rumpelfüßler"-Ära.

Zum Vergleich: Joachim Löws Schnitt beträgt 2,09 Punkte in 198 Länderspielen. "Wenn du so viele Spiele nacheinander nicht gewinnst und so viel versuchst, dann ist irgendwann der Punkt angekommen, an dem es nicht mehr weitergeht", findet Schmelzer. In den vergangenen Monaten war da keine Weiterentwicklung zu besichtigen.

Doku zeigt Flick auch als "bösen Hans-Dieter"

Und die eingangs erwähnte Sache mit dem "netten Hansi", die galt zwar öffentlich, aber im Dialog mit der Mannschaft nicht durchweg. In den Sitzungen konnte Flick auch zum "bösen Hans-Dieter" mutieren, dieser Eindruck blieb nun vor allem nach der Veröffentlichung der Amazon-Doku "All or Nothing" am Freitag haften. "Spreche ich eine andere Sprache?", fragt Flick da einmal pikiert, als er die Japan-Niederlage zum WM-Auftakt in Katar analysiert. Die Mannschaft weiß nicht so recht zu antworten. Lediglich Kimmich traut sich aus der Reserve, worauf Flick erneut pikiert antwortet. Eintracht sieht anders aus.

Anderntags kam dann der Dortmunder Julian Brandt auch noch deutlich zu spät zur Teambesprechung. So blieb: Es knarzte und knirschte einfach immer wieder zwischen Team und Trainer. Auch weil die Mannschaft mit Flicks eigens eingespielten WM-Motivationsfilm für Katar, dem Flug der Graugänse, wirklich nichts so rechtes anzufangen wusste.

Wer folgt auf Flick? Erste Namen werden gehandelt

Die wichtige Frage für den DFB und seine Fans ist nun: Mit wem gibt es die nächsten Trainer-Selfies? Wer könnte Flick folgen? "Ob es Rudi Völler mehr als ein Spiel machen wird, das bezweifle ich. Obwohl es die Kassen des DFB schonen würde", sagt Schmelzer. "Es werden viele Namen gehandelt: Matthias Sammer, Julian Nagelsmann oder Louis van Gaal."

Eines sei jedoch klar, unterstreicht Bernd Schmelzer: "Die Ausrede Trainer ist nicht mehr da. Die Mannschaft ist in der Pflicht. Wenn es jetzt wieder nicht funktioniert, weiß man wirklich nicht, wie es weitergehen soll."

Im Video: DFB trennt sich von Bundestrainer Hansi Flick

Hansi Flick ist nicht mehr Bundestrainer

Quelle: BR24Sport 10.09.2023 - 18:30 Uhr