Am Ende feiern die Bayern doch wieder.

BR24 Sport FC Bayern: Dramatischer Abschluss einer Saison voller Tiefen

Stand: 28.05.2023 06:07 Uhr

Der FC Bayern München ist deutscher Meister. Zum elften Mal in Serie. Was normalerweise zu Münchner Jubelarien führen würde, fühlt sich dieses Jahr wie ein Trostpreis an. Und dann kamen noch die Trennungen. Eine bemerkenswerte Saison im Rückblick.

Von Raphael Weiss

Dramatischer hätte diese Saison kaum zu Ende gehen können. Der BVB patzt gegen Mainz und der FC Bayern setzt sich durch ein 2:1 in der 89. Minute beim 1. FC Köln am letzten Spieltag wieder an die Tabellenspitze. Kaum noch einer hatte mit diesem Titel gerechnet und doch holen die Münchner nach einem wochenlangen Kopf-an-Kopf-Rennen den elften Meistertitel in Serie, weil Jamal Musiala einfach genau ins Eck der Kölner - und Herz der Dortmunder - traf. Was war das für ein für den FCB fast schon ungewöhnlicher Jubel am Samstagnachmittag! An dessen Ende dann auch noch die Trennungen von Oliver Kahn und Hasan Salihamdzic standen.

Die Pressekonferenz zu den Hintergründen der Trennung sehen Sie live bei BR24Sport am Sonntag, 28. Mai, ab 11.30 Uhr.

Diese Dramatik passt zur gesamten Spielzeit der Münchner. Und doch wirkt der Titel wie ein Trostpflaster in einer Saison voller Tiefen und Unruhen. Die Münchner dürften sich neben der Meisterschale vor allen Dingen darüber freuen, dass diese Saison nun zu Ende geht.

Neue Stars und neuer Vertrag für Brazzo

Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen. Mit Julian Nagelsmann schien man einen Trainer in den eigenen Reihen zu haben, der - überschüttet mit dem Vertrauen der Führungsriege - den FC Bayern in eine erfolgreiche Zukunft führen sollte. Mit Sadio Mané hatte man zwar keinen Mittelstürmer verpflichtet, aber - so war man sich an der Säbener Straße sicher - so viel unbändige Offensivkraft, dass man auf eine echte Neun nicht angewiesen sein würde. Zudem gelang mit Matthijs de Ligt ein Transfercoup, der die Münchner Abwehrsorgen auf lange Sicht beenden sollte.

Auch als Belohnung für diesen Sommer wurde der Vertrag von Hasan Salihamidzic bis 2026 verlängert. "Hasan Salihamidzic gibt für den FC Bayern 24 Stunden am Tag alles. Er steht für das FC Bayern-Gen, für Kontinuität und für Titel. Unsere Mannschaft begeistert unsere Fans mit attraktivem und erfolgreichem Fußball", sagte Herbert Hainer Ende August 2022. All das sollte nur wenige Monate später in Frage gestellt werden.

Durststrecke nach furiosem Beginn

6:0, 2:0, 7:0 - Der FC Bayern pflügte durch die ersten Saisonspiele. Der Plan, auf einen direkten Lewandowski-Nachfolger zu verzichten, schien bravourös aufzugehen. Und Mané zeigte Spiele, die den Fans Freude auf den nächsten Weltstar im rot-weißen Trikot machten. Doch schon bald wackelte das frühe FC-Bayern-Glück.

Es kam die erste Durststrecke. 1:1 gegen Gladbach, 1:1 gegen Union Berlin, 2:2 gegen den VfB Stuttgart, 0:1 gegen den FC Augsburg, 2:2 gegen Dortmund. Nur ein Sieg aus sechs Spielen. Nach der Euphorie zum Saisonstart zeigte der Kader erste Schwächen. Schwächen, die sich durch die ganze Saison ziehen sollten. Schwächen, die zu einer der turbulentesten Phasen in der jüngeren FCB-Vergangenheit führen sollten. Quasi die Vorboten des Unheils, das Vorspiel zur Götterdämmerung.

Sechs Spiele, sechs Siege - Bayern dominiert in der Champions League

Die Offensive wollte das Tor nicht treffen, die Anbindung zwischen den Mannschaftsteilen funktionierte nicht, die Verteidigung hatte sich nicht richtig gefunden und leistete sich immer wieder folgenschwere Unkonzentriertheiten. Doch die Schwäche des BVB und die eigene Stärke in DFB-Pokal und Champions League mit glamourösen Auftritten gegen den FC Barcelona und Inter Mailand ließen die Sorgen verpuffen.

Und tatsächlich fing sich der FC Bayern, marschierte in Bundesliga, Pokal und Champions League von Sieg zu Sieg, zog mit 18 Punkten in die Champions-League-K.o.-Runde ein, eroberte die Tabellenspitze der Bundesliga zurück und ging mit gutem Gewissen in die verfrühte Winterpause, die die Weltmeisterschaft in Katar bescherte. Voller Selbstbewusstsein reisten die Bayern-Stars zur WM.

WM stürzt Bayern in die Krise

Doch schon im Vorfeld fingen die Probleme an: Sadio Mané verletzte sich schwer, bei Noussair Mazraoui wurde eine Herzbeutelentzündung diagnostiziert - und die schlechten Nachrichten für die Münchner sollten sich häufen. Erst riss das Kreuzband von Lucas Hernández, dann schied die deutsche Nationalmannschaft, gespickt mit Bayerns Leistungsträgern, in der Vorrunde aus. Begleitet wurden die Spieler von einem medialen und politischen Getöse rund um die Frage von Menschenrechten und LGBTQ-Feindlichkeit im Gastgeberland Katar.

Im Video: BR24Sport-Reporter Vischer: Bayern erneut Meister - "Schlechtes Zeichen für deutschen Fußball

Neuers Verletzung löst eine Kettenreaktion aus

Um all das hinter sich zu lassen, wollte Manuel Neuer auf eine Skiwanderung gehen, rutschte aus, schlitterte den Hang herunter, brach sich Schien- und Wadenbein und stürzte seinen Verein in eine Krise. Denn diese Verletzung löste eine Kettenreaktion aus. Ein Grummeln, das zu einem Donnern und schließlich einem Gewitter anwachsen sollte, aus dem der FC Bayern bis zum Saisonende nicht mehr herauskommen sollte. Auf der Suche nach einem Neuer-Ersatz fragte der FC Bayern bei seinem Leihkeeper Alexander Nübel nach - der lehnte mit einem Verweis auf seinen gültigen Leihvertrag ab und nutzte die mediale Aufmerksamkeit, um Torwarttrainer Toni Tapalovic öffentlich zu kritisieren.

Tapalovic - ohnehin mit einem schweren Stand bei Nagelsmann - wurde kurz darauf entlassen, was Tapalovic-Freund und Zögling Neuer seinerseits zu einem Gegenschlag ausholen ließ, der seinen Verein erneut ins Wanken brachte. Diskussionen um die Zukunft des Bayern-Kapitäns, Mitspieler, die Neuer und Tapalovic zur Seite sprangen, das Drama nahm an Fahrt auf. Und ganz nebenbei stolperte der FC Bayern einmal mehr durch die Bundesliga. Die Mannschaft verlor schließlich die Tabellenführung an Borussia Dortmund - und die Führungsriege die Fassung.

Ende der Ära Nagelsmann

Die prophezeite Ära Nagelsmann endete nach etwas mehr als 600 Tagen. Thomas Tuchel war der neue Trainer - alles eingefädelt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, die wohl für immer in die an Anekdoten nicht armen Geschichtsbücher des Rekordmeisters eingebrannt sein wird.

Unter dem neuen Coach eroberte man zwar die Tabellenführung wieder, doch schied umgehend aus Pokal und Champions League aus und verlor kurz darauf auch die Spitze der Bundesliga wieder an Dortmund. Zudem schlug Mané Mitspieler Leroy Sané ins Gesicht - es war die Manifestation der verpatzen Premierensaison des erhofften Heilsbringers. Die Münchner schienen endgültig am Boden.

Schützenhilfe aus Bochum - das Feuer brennt wieder

Es war der taumelnde Abstiegskandidat VfL Bochum, der dem FC Bayern neues Leben einhauchte. Das 1:1 gegen Dortmund war wie eine Neustart. Das erkaltete Feuer in der Bayernseele bekam erneut Luft. Mit einem 2:0 gegen Hertha hievten sich die Münchner wieder an die Tabellenspitze und steigerten sich seitdem kontinuierlich. Das überzeugende 6:0 gegen Schalke 04 hätte eigentlich die letzten Zweifel an der eigenen Stärke beseitigen sollen, doch es folgte der erneute Einbruch: Mit einer blutleeren zweiten Hälfte gegen Rasenballsport Leipzig schienen die Münchner jede Titelchance verspielt zu haben.

Dann kam der letzte Spieltag und dieser genau getimte Schuss in der 89. Minute von Jamal Musiala. So schob sich der FC Bayern mit einer letzten Kraftanstrengung über die Ziellinie. Ehe sich das Personalbeben anschloss: Julian Nagelsmann, Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic sind nicht mehr Teil des FC Bayerns. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht?

BR-Sportreporter Dominik Vischer

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Quelle: Blickpunkt Sport 21.05.2023 - 21:45 Uhr