Johannes Vetter beim Meeting in Leverkusen

Leichtathletik-WM in drei Wochen Vetters WM-Traum geplatzt - deutsche Medaillenhoffnungen leben

Stand: 30.07.2023 20:02 Uhr

Beim Leichtathletik-Meeting in Leverkusen gab es große Freude und bittere Enttäuschungen im DLV-Team. Sportschau-Experte Ralf Scholt schätzt die Situation drei Wochen vor der WM in Budapest ein.

Manchmal ist es schon grotesk, wie wenig zwischen der Erfüllung eines Traumes und der ganz großen Enttäuschung liegt. Das musste Dreispringerin Maria Purtsa nun auf ganz bittere Weise erfahren. Beim Leichtathletik-Meeting True Athletes Classics in Leverkusen machte die 27-Jährige einen guten Wettkampf und wurde mit 13,69 Metern bei schwierigen Verhältnissen Zweite - und dennoch endete ihr Tag mit Tränen.

Purtsa reiste mit dem Ziel an, ihre Bestleistung aus dieser Saison noch steigern zu können, um doch noch die notwendige Leistungsbestätigungsnorm für die Weltmeisterschaften in Budapest in drei Wochen zu schaffen. Das gelang ihr jedoch nicht.

Und so dankte sie im Stadion-Interview den Zuschauern, ihrem Stab und vielen weiteren Menschen, um dann aber emotional feststellen zu müssen, dass nach wie vor drei Zentimeter fehlen, um zur WM zu dürfen. 14,05 Meter mussten die deutschen Dreispringerinnen in diesem Jahr schaffen, Purtsas weitester Sprung ging aber nur 14,02 Meter weit.

Maria Purtsa in Aktion

Maria Purtsa

Zernikel schafft die nationale Pflicht

In Leverkusen hatten viele Athleten und Athletinnen die letzte Chance, noch die Vorgabe für Budapest zu schaffen. Gelungen ist es dem Stabhochspringer Oleg Zernikel, der die Latte in der geforderten Höhe von 5,65 Meter überquerte. Er freute sich wahrlich über den geteilten Sieg mit dem Türken Ersu Sasma, viel mehr aber darüber, wahrscheinlich mit dem DLV-Team nach Ungarn zu dürfen.

Bis Sonntag (30.07.2023) um 23.59 Uhr müssen die Athleten und Athletinnen die für die WM nötigen Leistungen erbracht haben. Bisher haben 26 Läufer, Springer, Werfer und Mehrkämpfer ihr Ticket sicher, es ist also noch eine große Zahl an Plätzen frei für Budapest. Dabei sein können nur Sportler und Sportlerinnen, die mindestens die nationale Leistungsbestätigungsnorm geschafft haben. Endgültig nominieren darf der DLV bis zum 7. August, die WM findet vom 19. bis 27. August statt.

Vetter muss WM abhaken - was vielleicht gar nicht schlecht ist

Keinen dieser Plätze wird Johannes Vetter bekommen. Der Speerwerfer, der die zweit- und drittgrößten Weiten in der Geschichte seines Sports vorzuweisen hat, konnte sich in Leverkusen zwar steigern, nach seinen Verletzungsproblemen der vergangenen Monate ist er aber noch nicht in der Lage, die geforderten 82,50 Meter zu werfen.

Mit 80,82 Metern knackte Vetter zwar erstmals im Jahr 2023 die 80-Meter-Marke, es fehlten aber doch über 1,5 Meter für die WM-Chance. In den vorigen Jahren wäre selbst die höhere WM-Norm von 85,20 Metern kein Problem für den 30-Jährigen gewesen.

Vetter - "Ich bin einigermaßen schmerzarm"

Sportschau, 29.07.2023 20:06 Uhr

"Das war keine Enttäuschung. Es war der Versuch, nach dem allerletzten Strohhalm zu greifen, aber auch ihm selbst war eigentlich klar, dass er einen ganz besonderen Wurf brauchte", sagte Sportschau-Kommentator und Leichtathletik-Experte Ralf Scholt.

"Sein Wettkampf war schon gut, aber er hat einfach noch nicht das Niveau, dass auch er sich vorstellt. Johannes würde ja nicht zur WM fahren, um Zwölfter zu werden. Vielleicht ist es ganz gut, dass er sich jetzt ohne WM-Druck auf die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Paris vorbereiten kann."

Vita mit einem Fingerzeig Richtung WM-Kader

Wer sich spätestens seit ihrem Auftritt in Leverkusen größte Hoffnungen auf die WM machen darf, ist Claudine Vita. Die Diskuswerferin, die mit 65,51 Metern in dieser Saison weltweit die siebtbeste Weite erzielte, bei den deutschen Meisterschaften aber nur Vierte wurde, gewann mit einer Weite von 64,05 Metern. Und sie distanzierte dabei Marike Steinacker, ihre Kontrahentin um das dritte WM-Ticket, sehr deutlich.

"Das war ein sehr gutes Ergebnis, gerade bei den Bedingungen. Ich weiß, dass ich eine gute Form habe und ich bin zuversichtlich, dass ich für die WM ganz gut aufgestellt wäre", sagte Vita im Sportschau-Gespräch. "Die Nominierung ist das erste Ziel und wenn das klappt, möchte ich es unter die besten acht schaffen, das Niveau ist sehr hoch. Ich will auf dem Höhepunkt meine Bestleistung zeigen".

Scholt traut ihr sogar "eine Platzierung unter den Top fünf" zu, dem deutschen Team winke im Diskuswurf der Frauen sogar vielleicht eine Medaille. Sicher dabei sind bereits Shanice Craft und Kristin Pudenz. "Die Beste von ihnen kann es auf das Treppchen schaffen. Man darf dabei nicht vergessen, dass Claudine Vita als Fünfte im vergangenen Jahr in Eugene schon beste Deutsche und nah dran war."

Scholt: Zwei, drei WM-Medaillen wären in Ordnung

Die bereits nominierten Julian Weber (Speerwurf), Tobias Potye (Hochsprung) und Sara Gambetta (Kugelstoßen) waren ebenfalls erfolgreich und konnten nochmal Selbstvertrauen für Budapest tanken. Gerade die beiden Männer sieht Scholt als Medaillenkandidaten. "Vielleicht sah es bei Tobias Potye (siegte mit einer Höhe von 2,24 Metern, d. Red.) nicht so aus, aber es war bis zum Einspringen gar nicht klar, ob er teilnehmen würde. Dafür hat er gute Sprünge gezeigt. Er hat nun noch drei Wochen Zeit, wenn er die richtig nutzt, traue ich ihm eine Medaille zu", sagte Scholt.

Staffelübergabe der deutschen 4x400m Mixed-Staffel

Staffelübergabe der deutschen 4x400m Mixed-Staffel

Insgesamt sieht der Leichtathletik-Experte "eine Handvoll Medaillenchancen". Scholt setzt neben Weber, Potye und den Diskuswerferinnen auf die Zehnkämpfer Niklas Kaul und Leo Neugebauer sowie Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre, dessen Teilnahme wegen einer Verletzung aber noch offen ist. Auch die 4x100-Meter-Staffeln seien nicht chancenlos, so Scholt.

"Es wäre insgesamt okay, wenn das deutsche Team zwei, drei Medaillen holt. Das entspricht dem Leistungsniveau, auch nach den Absagen", sagte er. Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo musste zuletzt verletztungsbedingt ihre WM-Teilnahme absagen.