Magdeburgs Lukas Mertens jubelt über ein Tor

Handball-Champions-League SC Magdeburg - Zweite Chance beim Final-Four-Debüt

Stand: 16.06.2023 15:17 Uhr

Am Wochenende kämpfen die vier besten Handball-Teams Europas in Köln um den Champions-League-Titel. Der SC Magdeburg feiert sein Debüt beim prestigeträchtigen Final-Four-Turnier - und hat gleichzeitig etwas wiedergutzumachen.

Das bislang letzte Mal als der SC Magdeburg die Champions League gewann, war Gerhard Schröder Kanzler, der Euro wurde gerade eingeführt und man tanzte zum Las-Ketchup-Song. 8.000 Zuschauer, bepackt mit Säcken voll Konfetti, feuerten das Team um Stefan Kretzschmar, Olafur Stefansson und Bennet Wiegert in der Bördeland-Halle im Finale um die Champions League 2002 an. Es war der erste Titel in der Königsklasse für einen deutschen Verein. Historisch.

Mittlerweile steht Wiegert als SCM-Trainer an der Seitenlinie. Statt 8.000 erwarten ihn und sein Team 20.000 frenetische Fans in der ausverkauften Kölnarena. Ohrenbetäubender Jubel, die Fanblöcke getunkt in die Farben der Vereine, die Atmosphäre elektrisierend - eine besondere Kulisse für jeden Handballer. "Es ist riesig. Ich habe früher vor dem Fernseher gesessen und gedacht, es wäre fantastisch, mit dem SCM mal hier dabei sein zu dürfen", sagt SCM-Trainer Bennet Wiegert beim Medientermin am Freitag. Für den SC Magdeburg ist es das Debüt beim Final-Four-Turnier, das seit 2010 existiert.

Magdeburg gegen Topfavorit Barcelona

Die Kölner-Final-Four-Kulisse ist den Magdeburger Spielern dennoch nicht unbekannt. Erst vor gut zwei Monaten spielte der SC Magdeburg im Final Four um den DHB-Pokal in der unter Handballfans bekannten "Kathedrale des Handballs". Das endete in einer bitteren Enttäuschung. Matchball vergeben, doppelte Verlängerung und die Niederlage im Siebenmeterwerfen im Finale gegen die Rhein-Neckar-Löwen. "Das ist eine ganz andere Geschichte hier", so Wiegert. Auf internationaler Bühne soll es nun anders laufen.

Aber: Der Weg ins Finale am Sonntag könnte für die Magdeburger kaum härter sein. Mit dem FC Barcelona wartet am Samstag (15.15 Uhr im Sportschau-Liveticker) im Halbfinale der Top-Favorit auf den Titel. Dika Mem, Ludovic Fabregas, Gonzalo Perez de Vargas - das Team ist gespickt mit absoluten Top-Stars, eine Ausnahme-Mannschaft, die "Elite im europäischen Handball", wie SCM-Spieler Lukas Mertens sie nennt. In der Champions League sind sie seit 25 Spielen ungeschlagen. Und: Barcelona kann Historisches schaffen. Der Titelgewinn wäre der dritte in Folge und der zwölfte insgesamt.

Gutes Terrain für Underdogs

Hoffnung macht, dass ausgerechnet der prestigeträchtigste Wettkampf im Vereinshandball immer wieder Überraschungssieger hervorbringt. Seit der Einführung des Final-Four-Modus 2010 reckten am Ende immer wieder die vermeintlichen Underdogs die Trophäe in die Höhe: 2013 der HSV Hamburg, 2014 die SG Flensburg-Handewitt, 2016 KS Kielce, 2018 Montpellier und Vardar Skopje gelang es gleich zweimal - 2017 und 2019.

"Man braucht eine verdammt gute Tagesform, um Barcelona zu schlagen. Alles muss passen", weiß der SCM-Trainer. Es wäre nicht das erste Mal, dass der SCM dem großen FC Barcelona ärgert: 2021 und 2022 konnte Magdeburg Barca in den IHF Super Globe Finals bezwingen. Für das Champions-League-Wochenende kann Wiegert außerdem wieder auf einen wichtigen Schlüsselspieler zurückgreifen: Spielmacher Gisli Krisjansson ist nur vier Wochen nach seinem Knöchelbruch zurück im Aufgebot. Er und Kay Smits im rechten Rückraum sind die beiden torgefährlichsten Spieler in den Magdeburger Reihen. Gegen die starke FCB-Abwehr wird der SCM die beiden dringend brauchen, um den DHB-Pokal-Frust vergessen zu machen.

Magdeburgs Trainer Wiegert - "Meist hat nicht der Favorit gewonnen"

Sportschau

Wolff will Revanche

Final-Frust, doppelte Verlängerung und dann die Niederlage im 7-Meter-Werfen - das kommt auch Andreas Wolff bekannt vor. Im vergangenen Jahr hatte der deutsche Nationaltorhüter bereits eine Hand am Pokal in der Königsklasse. Mit seinem Klub KS Kielce aus Polen musste er sich in einem dramatischen Finale dem FC Barcelona geschlagen geben. Minutenlang hatte er am Torpfosten gesessen, das Gesicht in den Händen vergraben, inmitten der dröhnenden Arena. Es sei "herzzerreißend und sehr, sehr frustrierend" gewesen, sagt Andreas Wolff heute. "Dieses Mal wollen wir den Titel auf jeden Fall holen. Dieses Jahr ist mehr Routine drin, deswegen denke ich, dass wir etwas abgeklärter auftreten können."

Das Team ist ähnlich stark wie im vergangenen Jahr, auf den Schlüsselpositionen hat es sich im Grunde nicht verändert. Alex Dujshebaev führt den starken Rückraum an, Rechtsaußen Arkadiusz Moryto ist mit aktuell 92 Toren und einer Trefferquote von unglaublichen 82 Prozent Anwärter auf die Topscorer-Trophäe dieser Saison. Der große Rückhalt im Tor: natürlich Andreas Wolff.

Sechster Anlauf für Paris

Kielce trifft im Halbfinale auf Paris Saint-Germain. Der französische Meister ist zum sechsten Mal in Köln dabei, gewonnen haben die Pariser noch nie - trotz der ein oder anderen Favoritenrolle in den vergangenen Jahren. Der 215 Zentimeter große Rückraumspieler Dainis Krisopans sticht im PSG-Kader wohl am meisten heraus. Er und der mehr als 40 Zentimeter kleinere Luc Steins auf der Spielmacher-Position ergänzen sich gut.

Wer in diesem Halbfinale die Nase vorn hat - schwer zu sagen. "Die Tagesform wird entscheiden, man kann nicht sagen, dass eine Mannschaft favorisiert ist", so Wolff. Mit seinen Fans hat Kielce aber noch ein Ass im Ärmel. Kaum ein Fanblock hat in den vergangenen Jahren die Arena so eingeheizt wie die Unterstützer des polnischen Meisters. Und schon bei der Abfahrt in Polen standen die Fans Spalier und zündeten Feuerwerke. Ein Gänsehaut-Moment für Andreas Wolff. Viele von ihnen werden nach Köln reisen.

"Unsere Fans sind ein absolutes Faustpfand. In der Arena ist eine unfassbare Stimmung. Ich bin in absoluter Vorfreude", sagt Wolff. "Es ist der größte Titel, den man als Vereinsspieler gewinnen kann, es war schon immer mein Traum", so Wolff. Für ihn wäre es der erste seiner Karriere.