Fußball | Präsidentsuche beim DFB Amateurvertreter über DFB-Kandidaten: "Müssen das System verändern"

Stand: 22.11.2021 17:24 Uhr

Gerd Thomas ist Vorsitzender des FC Internationale Berlin und in der Initiative "Rettet die Amateure" engagiert. Im großen Interview spricht er über die Kandidaten für das Amt des DFB-Präsidenten, den "Mann des Systems" und "Kai aus der Kiste" sowie fehlende Aufklärung und fehlende Inhalte, auch bei der Fraueninitiative.

Im Berliner Bezirk Schöneberg ist der FC Internationale zu finden. Etwa 1.200 Mitglieder zählt der 1980 gegründete Verein, der etliche Preise erhielt, darunter die vom Bundesinnenministerium verliehene Auszeichnung "Botschafter für Demokratie und Toleranz" und den Integrationspreis des DFB. Gerd Thomas ist der Vorsitzende des Klubs, dessen 50 Mannschaften "No Racism" statt eines Sponsorennamens auf dem Trikot tragen. Die Sportschau traf Thomas in der Geschäftsstelle des Klubs zu einem ausführlichen Gespräch.

Gerd Thomas, was macht der DFB richtig?

Gerd Thomas: Na ja, der DFB sorgt zusammen mit den Landes- und Regionalverbänden dafür, dass der Spielbetrieb organisiert wird, dass das ganze Pass- und Meldewesen funktioniert. Er gibt den Landesverbänden jede Menge Instrumente an die Hand, dass das Alltagsgeschäft funktioniert. Der DFB gibt auch den Landesverbänden sehr viel Geld, und es ist immer leicht zu sagen, der DFB macht alles falsch. Nun hat der DFB ja wahlweise 27 oder sieben Millionen Mitglieder, je nachdem, wie es gerade passt. Aber ich würde gar nicht so sehr auf dem DFB rumhacken.

Sondern?

Thomas: Ich finde, es arbeiten beim DFB einige ziemlich gute Leute. Wobei ich die Sorge habe, dass mit der neuen überteuerten Akademie ein neuer Fußball-Elfenbeinturm entstehen könnte, der noch weiter von der Basis weg ist. Aber man müsste auch hinterfragen: Was machen die Landesverbände eigentlich mit dem vielen Geld vom DFB? Es ist ja tatsächlich so, dass der DFB teilweise völlig zu Recht sagt: Wir können ja gar nicht ins Alltagsgeschäft der Landesverbände eingreifen. Natürlich hat der DFB ein etwas fragwürdiges Transparenz- und Partizipationsverhalten, weshalb ich ja für die Urwahl bin. Aber das gilt mindestens für die Landesverbände auch, und die Landesverbände werden fast nie hinterfragt. Da müssen sich dann auch die Journalisten mal hinterfragen.

Der DFB ist halt der Dachverband, und die Personen, die ihn vertreten, sind in der Öffentlichkeit sehr gut bekannt.

Thomas: Diese persönlichen Fehden, die beim DFB laufen, die sind unappetitlich, aber manchmal ganz unterhaltsam. Wobei ich als Heavy-User bei der ganzen gegenseitigen Bespitzelei aber auch feststelle: So viel Neues kam in den vergangenen Monaten nicht dazu. Da wird oftmals die alte Soße aufgewärmt.

Sie sprechen die Kritik an DFB-Interimspräsident Rainer Koch, der auch noch 1. Vizepräsident Amateure ist, an?

Thomas: Fakt ist: Er ist bislang nie verurteilt worden, hat sich also nichts zuschulden kommen lassen. Das gilt auch für andere beim DFB. Ich glaube, Rainer Koch hält den Laden einigermaßen in Ordnung.

Aber?

Thomas: Was gar nicht funktioniert, ist die Aufklärung der vielen Ungereimtheiten. Stichwort "Sommermärchen", Stichwort "Intrigen". Das ist ein Problem für den gesamten Fußball. Das schlechte Image des DFB schlägt natürlich auch auf den Amateurfußball durch, direkt auf die Vereine. Ich würde mir auch wünschen, dass der DFB im Bereich gesellschaftliche Verantwortung viel aktiver und viel, viel klarer agieren würde.

Es sieht tatsächlich danach aus, als gäbe es erstmals in der Geschichte des DFB eine Kampfabstimmung. Bernd Neuendorf und Peter Peters sind jetzt schon nominiert. Wie sehen Sie diesen Prozess?

Thomas: Also es wundert einen ja nichts mehr. Man weiß, es wird noch eine Menge passieren, man weiß nur nicht, wann und von wem.

Glauben Sie, dass es schmutzig wird?

Thomas: Ich weiß nicht, ob "schmutzig" der richtige Begriff ist. Aber dass der Westdeutsche Fußball- und Leichtathletikverband gleich zwei Kandidaten ins Rennen schickt, ist ja schon ein bisschen ulkig. Vielleicht wollen der DFB oder die DFB-Spitze ja aber auch wirklich mehr Demokratie wagen. Das wäre ja toll.

Herr Thomas, Ironie funktioniert verschriftlicht ganz schlecht.

Thomas: Ich habe ein bisschen den Verdacht, dass die Demokratie nicht der Hauptgrund ist. sondern, - naja - Peter Peters ist natürlich ein Mann der Profis. Im Amateurlager, das ja immer wie so ein gallisches Dorf gegen den Profifußball dargestellt wird, scheinen nicht alle Palisaden zu halten. So groß ist der Zusammenhalt im Amateurlager wohl nicht. Ich finde eine wirkliche Wahl im Sinn von Auswahl grundsätzlich erst mal gut. Es gibt ja auch Leute aus dem Amateurlager - oder die vorgeben, sie seien Amateurvertreter -, die sagen, wir müssen eine Gegenorganisation zur DFL aufbauen. Ich finde, das müssen wir nicht.

Sondern?

Thomas: Wir müssen einfach versuchen, dass der Amateurfußball innerhalb des DFB besser vertreten wird. Ich glaube nicht, dass es immer nur gegeneinander geht. Ich glaube, es braucht dringend Leute an der Spitze, die in der Lage sind, Profis und Amateure, aber auch andere Teile der Gesellschaft und Politik an einen Tisch zu setzen und zu sagen: Wir müssen miteinander reden, weil es um den Fußball an sich geht und nicht um Amateurfußball und auch nicht um Profifußball.

Ist Peter Peters dann als DFB-Präsident geeignet?

Thomas: Peter Peters ist ein Mann des Systems. Ich weiß nicht, was sich da ändern soll. Schalke 04 hat ihn nicht mehr nominiert für die Wahl zum Aufsichtsrat, aber für den DFB-Präsidenten scheint es noch zu reichen. Das ist bemerkenswert. Aber das muss man so hinnehmen. Scheinbar. Ich würde mich nicht wundern, wenn noch weitere Leute kommen und sagen, ich könnte mir auch vorstellen, DFB-Präsident oder DFB-Präsidentin zu werden.

Wenn Sie sich eine oder einen aussuchen dürften, wer würde den Posten dann bekommen?

Thomas: Ich würde anders rangehen. Ich glaube, es gibt nicht die perfekte Person. Ich glaube, wir müssen das System verändern. Wir müssen überhaupt erst mal eine Situation herstellen, in der über Inhalte überhaupt diskutiert wird, in der für Inhalte geworben wird. Das haben wir ja nicht. Ich weiß nicht, was die Inhalte von Peter Peters sind. Ich weiß auch nicht, was die Inhalte von Herrn Neuendorf sind. Den Mann kenne ich nicht. Der ist ja wie Kai aus der Kiste gesprungen auf einmal. Ich kann mir schon vorstellen, wer gesagt hat: Du musst das jetzt machen.

Sie sprechen viel über Rainer Koch, ohne den Namen Rainer Koch zu wiederholen.

Thomas: Das lassen wir mal so stehen.

Wie sieht es mit einer Kandidatin aus?

Thomas: Diese Gruppe um Katja Kraus hat den schönen Slogan "Fußball kann mehr". Den finde ich gut. Aber was die inhaltlich wollen, weiß ich nicht, das habe ich nicht verstanden. Und wie gesagt, ich bin Heavy User. Ich lese fast alles, was ich in die Finger kriege. Inhaltlich habe ich nichts gefunden, außer dass sie sagen, es müssen mehr Frauen mit rein. Ja gut, mehr Diversität in DFB-Gremien - das unterschreibe ich sofort. Mich interessieren aber in erster Linie Inhalte und mich interessieren Personen, die sagen: Wir versuchen die Bedingungen für den Fußball an sich zu verbessern. Und wir versuchen wirklich, den Watzkes und Rummenigges und Hoeneß’ dieser Welt klarzumachen: Der Profifußball kann ohne Amateurfußball nicht.

Den zweiten Teil des Interviews, in dem Gerd Thomas über Vereine vor dem Crash, seinen gescheiterten Wahlkampf mit Gaby Papenburg und Sucuk vom Grill spricht, finden Sie hier.