Die niederländische Torhüterin Daphne van Domselaar

Van Domselaar neue Nummer eins "Naturtalent" soll Niederlande im Turnier halten

Stand: 13.07.2022 08:45 Uhr

Titelverteidiger Niederlande geht vor dem Spiel gegen Portugal personell am Stock: Jackie Groenen und Vivianne Miedema haben Corona, Aniek Nouwen fehlt genauso verletzt wie Kapitänin Sari van Veenendaal, die sogar schon abgereist ist. Für sie steht Daphne van Domselaar im Tor. Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot lobt die junge Keeperin in den höchsten Tönen.

Tommy Stroot hatte sich auf der Tribüne in Sheffield niedergelassen, um die Leistung seiner niederländischen Spielerinnen beim VfL Wolfsburg zu begutachten. Lynn Wilms, Dominique Janssen, Jill Roord - alle drei hatten es im ersten EM-Spiel gegen Schweden (1:1) in die Startelf geschafft. Urplötzlich rückte aber eine Spielerin in den Mittelpunkt, die Stroot auch sehr gut kennt: Daphne van Domselaar.

Die 22-Jährige vom FC Twente aus Enschede wurde ins kalte Wasser geworfen, nachdem sich Kapitänin Sari van Veenendaal schon in der Anfangsphase so schwer an der Schulter verletzt hatte, dass das Turnier für die Nummer eins bereits beendet ist. Doch während sich unter den "Oranje"-Fans an der Bramall Lane nach gut 20 Minuten große Unruhe breitmachte, blieb Stroot ganz gelassen, als sich sein ehemaliger Twente-Schützling in seinem zweiten Länderspiel gleich auf großer Bühne beweisen musste. Ihr Entdecker wusste genau, was die junge Keeperin draufhat.

Stroot über van Domselaar: "Daphne ist die Zukunft"

"Ich will nicht sagen, dass sie endlich bekommt, was sie verdient, denn Sari ist auch eine fantastische Torhüterin. Aber Daphne ist die Zukunft, und es ist schön für sie, dass sie die Chance auf ein solches Turnier bekommt", sagte Stroot der niederländischen Zeitung "De Volkskrant". Tatsächlich nahm die junge Frau aus der Provinz Noord-Holland die Aufgabe an, als hätte sie es tagtäglich mit solchen Herausforderungen zu tun. Am 0:1 durch Jonna Andersson traf sie keine Schuld, nach dem 1:1 von Roord hielt sie den Punkt fest.

Stroot erlebte schon vor drei Jahren, wie unverfroren die junge Torhüterin ist. Er brachte die Reserve-Keeperin im entscheidenden Meisterschaftsspiel der Eredivisie für Enschede, obwohl sie sich die ganze Saison hatte hinten anstellen müssen. "Das war eine verrückte Idee von mir, am Ende der Saison den Torwart zu wechseln", erzählt er. "Und dann auch noch in so einem wichtigen Spiel. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie bereit dafür war. Das macht man nicht mit jeder."

Naturtalent im Fokus der Spitzenclubs

Stroot lobt van Domselaar als "reines Naturtalent" - das auch nicht immer tue, was der Torwarttrainer sagt. "Man kann viel lernen, aber manchmal gibt es eben Spielerinnen, die einfach mehr Talent haben. Das ist bei Daphne ein bisschen so." Er lotste sie als 17-Jährige vom SC Telstar in Velsen nach Enschede. Bis 2023 hat sie dort noch Vertrag, aber Stroot ist sich sicher, dass internationale Spitzenclubs sie längst auf dem Zettel haben. Torhüterinnen auf Topniveau in ihrem Alter sind noch immer eine Rarität. Insofern ist die EM für sie die perfekte Bühne.

Portugal lässt Freigeister von der Leine

Ein bisschen wild könne van Domselaar manchmal noch sein. Das sei normal für das Alter, findet Stroot: "Sie wird Fehler machen, sie braucht ihre Zeit, aber ich bin überzeugt, dass sie mit dem internationalen Niveau zurechtkommen wird." Gegen Portugal wird sie möglicherweise nicht so im Brennpunkt stehen wie gegen Schweden, aber die Elf von Nationaltrainer Francisco Neto hat mit der Aufholjagd zum 2: 2 gegen die Schweiz auf sich aufmerksam gemacht.

Auch Portugals Team steckt voller Freigeister, die auf taktische Vorgaben mitunter pfeifen, aber imstande sind, immer mal wieder etwas Besonderes zu zaubern. Neto will seine Truppe nicht verbiegen: "Ich habe den Spielerinnen gesagt, dass der Einsatz, die Leidenschaft und die Freude, die ich bei ihnen gesehen habe, etwas war, was ich in der Vergangenheit nicht so oft gespürt habe. Das macht mich als Trainer stolz."

Niederlande auch ohne Nouwen, Groenen und Miedema

Natürlich sind die Portugiesinnen gegen den Titelverteidiger heute Abend (13.07.22 / 21 Uhr MESZ) im Leigh Sports Village Stadium krasser Außenseiter, aber es wird spannend sein zu sehen, wie der Topfavorit seine personellen Rückschläge wegstecken kann. Neben van Veenendaal fehlen auch Innenverteidigerin Aniek Nouwen, die sich gegen Schweden am Sprunggelenk verletzte, und Jackie Groenen, die sich nach einem positiven Corona-Test am Sonntag (10.07.22) für mindestens fünf Tage in Isolation begeben musste. Auf Groenen folgte dann am Dienstag (12.07.22) noch ein positiver Befund bei Vivianne Miedema. Damit ist auch die Arsenal-Stürmerin, die das Kapitänsamt von van Veenendaal übernommen hatte, vorerst aus dem Spiel.

Miedema feiert Geburtstag in Isolation

Miedema dürfte der schwerwiegendste Ausfall bei "Oranje" sein. Nicht nur, weil sie gegen Schweden die beste Niederländerin war. Miedema hat in 112 Länderspielen 94 Tore erzielt - die ersten drei als 17-Jährige beim 7:0 in der WM-Qualifikation 2013 gegen Portugal, nachdem sie erst 15 Minuten vor Schluss eingewechselt worden war. Wäre Corona nicht dazwischengekommen, hätte sie ihre sagenhafte Torausbeute wohl weiter in Richtung der magischen 100 schieben können. Nun erlebt sie nicht nur das zweite Gruppenspiel in Isolation, sondern muss auch ihren 26. Geburtstag an diesem Freitag (15.07.22) maximal spaßbefreit verbringen.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 12.07.2022 | 20:15 Uhr