Die Fußballerinnen Felicitas Rauch (v.l.n.r.), Lina Magull, Ingibjörg Sigurðardóttir und Linda Sembrant.

Frauen-Bundesliga Magull, Rauch und Co. - Die Entwicklung der Wintertransfers

Stand: 26.01.2024 11:58 Uhr

Mit Lina Magull und Felicitas Rauch verlassen diesen Winter gleich zwei Nationalspielerinnen die Bundesliga, und auch sonst scheint die Aktivität auf dem Transfermarkt hoch.

Mailand statt München: Lina Magull (29) feierte am 17. Januar ihr Debüt für Inter in der Coppa Italia gegen die AC Florenz und lieferte in der 66. Minute die Vorarbeit zum 2:2-Ausgleich für ihren neuen Verein.

Die gebürtige Dortmunderin hat kein unbeschwertes Jahr hinter sich. Sie suchte nach der EM 2022 ihre Form und führte die Münchenerinnen dennoch zum Titel. Sie entschied sich im vergangenen Sommer, das Kapitäninnen-Amt bei Bayern München abzugeben und erhielt auf ihrer Position Konkurrenz in Person von Pernille Harder, die dann selbst lange verletzt war.

Magull zog sich im Oktober eine Muskelverletzung zu, danach waren die Einsatzzeiten kürzer: Sie kam in dieser Saison auf 432 von 900 möglichen Bundesliga-Spielminuten. Ein Wechsel kommt an sich also nicht völlig überraschend. Dabei ist Inter Mailand kein Spitzenverein der Serie A Femminile. Eine Champions-League-Teilnahme oder gar die Meisterschaft scheinen nach aktueller Tabellenlage unwahrscheinlich, zumal Italien in der jüngeren Vergangenheit kein übliches Transferziel für deutsche Nationalspielerinnen war.

Felicitas Rauch - von Wolfsburg in die USA

Wenige Tage später wurde dann der nächste Abgang einer Nationalspielerin aus der Bundesliga bekannt: Felicitas Rauch (27) verlässt den VfL Wolfsburg und wechselt in die NWSL zu North Carolina Courage. Auch sie verlor ihren Stammplatz auf der linken Abwehrseite wegen Formschwankungen und einer langwierigen Verletzung an neu hinzugekommene Konkurrenz.

Der Schritt in die USA ist groß, zumal zu erwarten ist, dass die NWSL in den nächsten Jahren wächst: Ein neuer TV-Vertrag bringt rund 225 Millionen Euro über vier Jahre. Im Interview mit dem 'Kicker' sagte Rauch auch im Hinblick auf ihre Karriere in der Nationalelf: "Ich will eventuell eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster aufweichen, frischen Wind reinbringen."

Mehr Wintertransfers als im Vorjahr

Wenn zwei Gesichter der Nationalelf und der Bundesliga eben jene verlassen, ist das Medien-Echo entsprechend groß und mit Blick auf die vielen anderen Wechsel vor dem Wiederanpfiff der Bundesliga stellt sich die Frage: Sind es gerade ungewöhnlich viele Transfers oder liegt dieser Eindruck an einer gestiegenen Medienaufmerksamkeit?

Einerseits gibt es tatsächlich mehr Wintertransfers als in der Vorsaison, aber trotzdem ist die erhöhte Berichterstattung ein entscheidender Punkt. Zum einen geben die Vereine selbst ihre Transfers inzwischen deutlich offensiver via Social Media bekannt, zum anderen berichten inzwischen auch große Medien über einzelne Transfers im Fußball der Frauen, das ist eine noch recht neue Entwicklung.

Bisher vermeldeten die Vereine der Bundesliga der Frauen in diesem Wintertransferfenster 21 Neuzugänge und 17 Abgänge (Stand 25.01.2024) und bis Ende Januar könnten noch einige hinzukommen. Der Eindruck, dass es in dieser Saison eine ungewöhnlich hohe Aktivität gibt, liegt nahe. Vergleicht man aber mit den Zahlen der Vorjahre, stellt sich schnell heraus, dass das nicht stimmt. Dafür muss der Blick gar nicht allzu weit zurück gehen. In der Saison 2021/22 gab es im Wintertransferfenster 22 Zugänge und 18 Abgänge.

Anzahl Wintertransfers in der Bundesliga der Frauen während der vergangenen 15 Spielzeiten
Saison Eingehende Transfers gesamt Ausgehende Transfers gesamt Eingehende Transfers aus dem Ausland Ausgehende Transfers ins Ausland
2023/24 21 17 15 (71,43%) 7 (41,18%)
2022/23 15 15 13 (86,67%) 7 (43,75%)
2021/22 22 18 11 (50%) 12 (66,67%)
2020/21 23 15 14 (69,87%) 9 (60%)
2019/20 4 10 1 (25%) 5 (50%)
2018/19 13 12 8 (61,54%) 5 (41,67%)
2017/18 16 10 12 (75%) 5 (50%)
2016/17 15 10 8 (53,33%) 5 (50%)
2015/16 11 13 8 (72,73%) 3 (23,08%)
2014/15 18 26 12 (66,67%) 10 (38,46%)
2013/14 19 12 10 (52,63%) 8 (66,67%)
2012/13 19 27 12 (63,16%) 14 (51,85%)
2011/12 21 18 11 (52,38%) 4 (22,22%)
2010/11 11 15 4 (36,36%) 8 (53,33%)
2009/10 21 13 14 (66,67%) 2 (15,38%)

Eine Zäsur ist die Spielzeit 2019/20, die durch die Covid-19-Pandemie von Ende Februar bis Ende Mai 2020 unterbrochen war und dann mit Schutzmaßnahmen wiederaufgenommen wurde. Direkt danach gab es ein erhöhtes Aufkommen von Vereinswechseln im Winter, die 20er-Marke bei den Neuzugängen aller Bundesligavereine wurde zum ersten Mal seit der Saison 2011/12 geknackt.

In den vier Spielzeiten vor der Pandemie war die Gesamtanzahl der Transfers auf der Zugangsseite leicht zurückgegangen, nachdem Ende der 2000er bis zur Saison 2014/15 schon einmal fast eine ähnlich hohe Gesamtanzahl erreicht worden war wie aktuell. Die WM 2011 in Deutschland mit allen Bemühung rundherum dürfte darauf trotz des Viertelfinal-Aus der Gastgeberinnen einen nachwirkenden Effekt gehabt haben.

Neuzugänge aus Skandinavien

Relativ konstant sind während der meisten Zeit die Anteile der Wechsel aus dem und ins Ausland, was sich damit erklären lässt, dass es wichtige Beziehungen zu den skandinavischen Ligen und der NWSL gibt, die im Gegensatz zur Bundesliga im Jahresverlauf (statt über einen Jahreswechsel) gespielt werden. So kommen vor allem Spielerinnen aus den skandinavischen Ligen nach dem Ende ihrer Saison für die deutsche Rückrunde und eventuell darüber hinaus in die Bundesliga.

Ein aktuelles Beispiel ist Ingibjörg Sigurðardóttir, die isländische Nationalspielerin soll die Abwehr des MSV Duisburg verstärken und kommt dafür vom norwegischen Meister Vålerenga. Ihr Vertrag bei den abstiegsbedrohten Duisburgerinnen läuft bis zum Ende dieser Bundesliga-Saison. Generell ist es so, dass bei den Transferbewegungen pro Verein häufig die Klubs aus den unteren Regionen der Tabelle aktiver sind, als die Top-Klubs. Beim MSV sind es im aktuellen Transferfenster fünf Neuzugäng und drei Abgänge.

In absoluten Zahlen sind internationale Zugänge wie Abgänge nach der Pandemie-Saison im Vergleich zu vorher gestiegen. Bei den Neuzugängen machen Spielerinnen aus anderen Ligen in diesem und dem vergangenen Jahr außerdem einen erhöhten Anteil an den Gesamtzugängen aus. Bei den Wechseln von Deutschland ins Ausland ist die Entwicklung eher leicht andersherum. Die Bundesliga ist also ein beliebtes Wechselziel und Spielerinnen in der Liga verlassen sie etwas seltener. Top-Spielerinnen und -Talente wechseln in beide Richtungen aber in der Regel im Sommer - auch deshalb waren die beiden Transfers von Lina Magull und Felicitas Rauch so auffällig.