Seoane und Cvancara

Psychologie gegen schlimme Statisitk Gladbach guckt vor BVB-Duell besser nur nach vorne

Stand: 24.11.2023 08:04 Uhr

Gladbach steht seit dem Sieg über Wolfsburg erstmals in der oberen Tabellenhälfte. Am Samstag (23.11.2023, 15.30 Uhr/Ausschnitte in der Sportschau und Live-Ticker bei sportschau.de) geht es aber zum Angstgegner.

Ob man erst einmal seine Vergangenheit aufarbeiten muss, um die Herausforderungen der Gegenwart anzunehmen und positiv in die Zukunft zu gehen, darüber gibt es in der Psychologie einen Dauerstreit. Einige psychologische Online-Ratgeber raten jedenfalls eindeutig davon ab, sich immer wieder als Opfer seiner Vergangenheit zu sehen, weil man dann auch "in der Gegenwart oft hilflos und überfordert" sei und sich "auch wenig aus der Zukunft" mache. Für die Fußballprofis von Borussia Mönchengladbach erscheint dieser sehr kontrovers diskutierte Ansatz auf den ersten Blick durchaus hilfreich.

Zehn Pleiten in Serie

Würde sich die Mannschaft von Gerardo Seoane nämlich die Bilanz ihrer Auswärtsfahrten nach Dortmund im vergangenen Jahrzehnt zu Gemüte führen, läge die Opferrolle nahe. Handlungsansätze zur erfolgreichen Bewältigung der 90 Minuten am kommenden Samstag lassen sich aus den jüngsten zehn Auftritten auch nur in einer Richtung herleiten: wie man es nicht macht.

Zehn Niederlagen in Serie, neun in der Bundesliga, eine im DFB-Pokal, haben sich die "Fohlen" bei der Namenscousine abgeholt. Allein die jüngsten Ergebnisse lauteten: 2:5, 0:6, 0:3. Als Seoane vor dem Borussen-Duell auf diese Bilanz angesprochen wird, folgt er eindeutig der Sorte von Psychologen, die empfehlen, die Vergangenheit nicht zu leugnen, sie aber total loszulassen und nach vorn zu schauen.

"Fehler provozieren, Umschaltmomente nutzen"

Der Schweizer behauptet, dass er die Opferrolle in der Kabine definitiv nicht zum Thema machen werde und sieht das Fußballerleben ganz im Sinne des Psychologen Dr. Rolf Merkle "als eine unablässige Chance an, zu lernen, zu wachsen und sich zu verändern". Seoane: "Wir können in Dortmund ein positives Ergebnis erzielen, wenn wir nicht nur passiv abwarten, sondern Fehler beim Gegner provozieren, selbst Ballbesitzphasen haben, Umschaltmomente suchen und konsequent nutzen."

Mutig soll seine Mannschaft auftreten, und er will bei der Aufstellung offenbar mit positivem Beispiel vorangehen. In den bisherigen elf Ligaspielen traf Seoane stets eine Entscheidung zwischen seinen beiden Stoßstürmern Tomas Cvancara und Jordan Siebatcheu. Die sind sehr unterschiedlich gestrickt. Cvancara ist trotz seiner 1,90 Meter Körpergröße erstaunlich schnell, er verlässt oft das Zentrum, weicht aus, will kombinieren. Jordan postiert sich hingegen oft mit dem Rücken zum gegnerischen Tor, bleibt gern im Zentrum. Er ist eine gute Anspielstation, kann die Bälle auch unter Gegnerdruck behaupten und ermöglicht damit den Kollegen das Nachrücken.

"Gut möglich, dass beide beginnen"

Seoane macht zwei Tage vor einem Spiel normalerweise nie Andeutungen, wie er seine Mannschaft taktisch formiert, schon gar nicht, wie er sie personell bestückt. Diesmal hält er das, angesprochen auf die Entscheidung zwischen Cvancara oder Jordan, anders: "Wir werden in Dortmund beide Spielertypen brauchen. Gut möglich, dass sogar beide zusammen beginnen."

Diese Aussage ist eine Premiere für ihn in seiner Gladbacher Zeit, und es wird spannend zu beobachten sein, ob es sich um taktisches Geplänkel handelt, um den Gegner zu verwirren. Oder ob Seoane tatsächlich aus den vielen mutlosen Opferauftritten der Gladbacher die Lehre zieht, die Aufgabe diesmal voller Sturm und Drang anzugehen.

Bisher letzter Sieg vor neun Jahren - mit Doppelspitze

Damit würde der Coach auf jeden Fall eine weitere psychologische Stütze von Dr. Merkle befolgen, nämlich sich in Zweifelsfällen "an die lichten Momente des eigenen Lebens zu erinnern". Die liegen im konkreten Fall von Borussia Mönchengladbach in Dortmund zwar schon über neun Jahre zurück. Aber bei diesem 2:1-Sieg am 15. März 2014 in Dortmund trat die "Fohlenelf" mit einer Doppelspitze an: Max Kruse und Raffael. Und beide erzielten auch jeweils ein Tor.