Die deutsche Basketballerin Marie Gülich

DBB-Frauen im EM-Viertelfinale Das heimliche Sommermärchen

Stand: 22.06.2023 10:04 Uhr

Die deutschen Basketballerinnen haben es bei ihrer ersten EM seit zwölf Jahren auf Anhieb ins Viertelfinale geschafft. Nationalspielerin Marie Gülich über die Gründe für den überraschenden Erfolg, den kommenden Gegner Spanien und die Chance auf Olympia 2024.

Von Julius Ostendorf

Wenn der Nationalmannschaft eines der bevölkerungsreichsten Länder Europas die Qualifikation für eine EM misslingt, dann bietet das meist durchaus Grund zur Sorge. Wenn sich dieses Missgeschick dann aber über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt jedes Mal aufs Neue wiederholt, dann kann man sich sicher sein, dass so einiges im Argen liegt. So war es zuletzt wohl auch bei der Frauenabteilung des Deutschen Basketball Bundes (DBB).

Christian Schulze, Sportschau, 22.06.2023 14:47 Uhr

Die Wende

Zwölf Jahre lang durfte man die Europameisterschaft nur aus der Zuschauerperspektive verfolgen. Doch dann die plötzliche Wende: Im Februar gewinnt das Team das letzte Qualifikationsspiel und sichert sich damit die erste EM-Teilnahme seit 2011. "Wir wollen zeigen, dass wir dazugehören", hatte DBB-Trainerin Lisa Thomaidis vor dem EM-Start die eigene Zielsetzung demütig ausgerufen.

Knapp vier Monate später kann man mit Fug und Recht behaupten, dass ihre Mannschaft ihr Ziel nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen hat. Abgesehen von der Auftaktniederlage gegen Ex-Vize-Europameister Frankreich haben die DBB-Frauen jedes ihrer bisherigen Spiele gewonnen. Nach zwölf Jahren gehören die deutschen Basketballerinnen plötzlich zu den besten acht des Kontinents. Wie kam es dazu?

Talent, Verantwortung und eine gute Stimmung

Marie Gülich gehört zum erfahrenen Kern des Teams. Die 29-Jährige ist seit fast sechs Jahren Teil der deutschen A-Nationalmannschaft und hat die Entwicklung hautnah miterlebt. Für sie hängt der Fortschritt ganz klar mit den talentierten Neuankömmlingen im Team zusammen. "Vor allem mit Leonie Fiebich und Luisa Geiselsöder sind jetzt junge Spielerinnen dabei, die viel Verantwortung übernehmen können", sagt Gülich im Interview mit der sportschau.

Marie Gülich über den überraschenden sportlichen Erfolg des DBB-Teams

Julius Ostendorf, Sportschau

Ein weiterer Pluspunkt der Mannschaft sei die Chemie untereinander, meint Gülich. "Das ist einfach eins der harmonischsten Teams, in denen ich je gespielt habe. Man sieht schon, dass wir Phasen haben, wo wir vielleicht noch nicht so klicken auf dem Spielfeld, aber weil wir uns gegenseitig vertrauen und respektieren, funktioniert es dann trotzdem."

"Basketball ist einfach ein Spiel, wo es hilft, sich gut zu kennen"

Erst Ende Mai hatten die DBB-Frauen die ersten Spiele in der neuen Konstellation bestritten. Dass es zu Beginn noch nicht richtig geklickt hat, zeigen auch die Zahlen. 23 Ballverluste verzeichnete das Team im Auftaktspiel gegen Frankreich. Seitdem hat sich die Zahl kontinuierlich nach unten bewegt.

"Basketball ist einfach ein Spiel, wo es hilft, sich gut zu kennen auf dem Spielfeld", meint auch Gülich. "Je mehr man zusammenspielt, umso höher die Chance, dass man besser performt, desto weniger Turnover und Missverständnisse."

Gülich: "Traue dem Team noch sehr viel zu"

Julius Ostendorf, Sportschau

Im Viertelfinale gegen das beste Team Europas

Ein funktionierendes Zusammenspiel wird auch im anstehenden Viertelfinalduell (ab 20.45 Uhr im Live-Ticker bei sportschau.de) zwingend erforderlich sein. Schließlich wartet mit Spanien die laut Weltrangliste beste europäische Mannschaft auf die DBB-Auswahl. Marie Gülich kennt das Team nur zu gut, mit vier Spielerinnen hat sie gerade die spanische Meisterschaft gewonnen.

"Der größte Unterschied zwischen uns und Spanien ist die Erfahrung, die sie bringen, auf diesem Level zu spielen. Die haben schon Titel gewonnen, sind jedes Jahr präsent." In der klaren Rollenverteilung sieht die Centerspielerin zugleich eine Chance. "Uns ist natürlich bewusst, dass wir die Underdogs sind, was aber auch ein Vorteil sein kann. Spanien geht in das Spiel mit Druck und wir können einfach versuchen, das Beste rauszuholen."

Gülich über den kommenden Viertelfinalgegner Spanien

Julius Ostendorf, Sportschau

Olympia so nah wie nie

Sollte am Ende sogar ein Sieg für Deutschland herausspringen, hätte dies - neben dem Einzug ins Halbfinale - noch einen attraktiven Nebeneffekt. Die DBB-Frauen würden sich damit einen Platz beim Qualifikationsturnier der olympischen Spiele sichern. Da hier von 16 Teilnehmern zwölf auf ein Olympia-Ticket hoffen dürfen, ist der Reiz entsprechend hoch.

Für Gülich schien diese Möglichkeit lange Zeit in weiter Ferne. "Was am Anfang so ein bisschen surreal wirkte, ist jetzt schon greifbar", sagt sie stolz, mahnt aber gleichzeitig: "Wenn wir uns jetzt zu stark darauf konzentrieren würden, wäre das ablenkend." Stattdessen will sie sich auf jeden Tag einzeln fokussieren und versuchen, jeweils das Beste für sich herauszuholen. Den Anfang kann sie heute Abend im bislang wohl wichtigsten Länderspiel ihrer Karriere machen.

Gülich über die Möglichkeit, an Olympia 2024 teilzunehmen

Julius Ostendorf, Sportschau