Basketball-Nationalspieler Johannes Voigtmann (l.), Dennis Schröder, im Hintergrund David Krämer

Supercup als Härtetest Deutsche Basketballer suchen den EM-Kader

Stand: 17.08.2022 21:05 Uhr

Für Deutschlands Basketballer verläuft die Vorbereitung auf die Heim-EM nicht nach Plan. Der Bundestrainer muss noch zwei weitere Spieler streichen.

Die deutschen Basketballer haben eines der talentiertesten Teams ihrer Geschichte beisammen. Wie groß das Angebot an Top-Spielern ist, sieht man auch daran, dass es einer der langjährigen Anführer nicht ins Aufgebot für die Heim-Europameisterschaft (1. September bis 18. September) geschafft hat: Robin Benzing, Kapitän der Olympia-Mannschaft von Tokio, wurde von Bundestrainer Gordon Herbert aus dem vorläufigen Kader gestrichen.

Der 63-Jährige Kanadier, als Trainer schon viel herumgekommen in der Basketball-Welt, sprach im "Kicker" von einer der härtesten Entscheidungen, die er jemals treffen musste. "Ich habe einige Tage nicht geschlafen", gab Herbert zu. Er hätte "nichts lieber getan, als Robin dabei zu haben und dass er seine Karriere mit der Eurobasket in Deutschland beendet".

Härtefall Benzing - seit 2009 jeden Sommer beim DBB-Team

Der 33 Jahre alte Benzing, den bei der Vorbereitung eine Hüftverletzung plagte, hatte seit seinem Debüt im DBB-Trikot 2009 jeden Sommer bei der Nationalmannschaft verbracht. Bei der EM 2017 hatte er sogar die Geburt seiner Tochter verpasst, stattdessen war er beim Team in Israel geblieben. Auch bei den unpopulären Länderspielfenstern während der Saison stand der Kapitän Benzing immer bereit, anders als die Spieler aus der NBA und der Euroleague, die entweder nicht freigestellt wurden oder selbst aus anderen Gründen absagten.

Herbert muss noch zwei Spieler streichen

Benzing dürfte bei der Vorauswahl für den EM-Kader sicherlich der größte Härtefall gewesen sein. Der Bundestrainer wird aber noch zwei weitere Spieler aus dem vorläufigen 14er-Kader streichen müssen.

Ursprünglich hatte Herbert vor, schon nach den zwei Testspielen in Belgien und den Niederlanden am vergangenen Wochenende das endgültige Aufgebot für die EM festzulegen. Mit den zwölf Spielern, die dann auch das Heim-Turnier bestreiten sollen, bei dem die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) eine Medaille anstrebt. Der Bundestrainer hatte seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr kaum die Chance, mit den besten Spielern zu arbeiten, die meistens in der NBA und der Euroleague gebunden waren. Herbert hatte deshalb im Vorfeld der EM-Vorbereitung immer wieder betont, wie wichtig es sei, den Kern des Teams so früh wie möglich beisammen zu haben.

DBB-Team erneut nicht komplett zum Start der Vorbereitung

Im Vorfeld hatte der DBB-Coach noch die klare Devise ausgegeben, dass zum Start der Vorbereitung alle Spieler an Bord sein müssten. Dabei dürften auch die Erfahrungen bei der WM 2019 eine Rolle gespielt haben, seinerzeit war Anführer Dennis Schröder einige Tage später als der Rest des Teams im Trainingscamp angekommen. Damit, so konnte man im Anschluss hören, war schon der Nährboden bereitet für ein komplett verkorkstes Turnier, begleitet von atmosphärischen Störungen im Team.

Ähnliches wollte Herbert diesmal von vornherein vermeiden, sah seine Pläne dann aber schnell durchkreuzt: zum einen wegen des kurzfristigen Ausfalls von Moritz Wagner, einer der Schlüsselspieler aus der NBA, der zum Auftakt des Trainingslagers in Köln noch dabei war, dann aber wegen einer Verletzung abreisen musste.

Der kurz zuvor eingebürgerte Nick Weiler-Babb wiederum verpasste den ersten Teil der Vorbereitung komplett, weil er zu einer Familienfeier in die USA reiste. Der Bundestrainer, der Weiler-Babb eine wichtige Rolle im Team zuwies, sah sich deshalb erneut gezwungen, von seiner Marschroute abzurücken, gab sich aber pragmatisch: "Manchmal muss man sich den Entwicklungen anpassen."

Supercup soll endgültigen EM-Kader bringen

Die letzten Entscheidungen über den endgültigen EM-Kader werden damit nun erst beim Supercup in Hamburg fallen, dort trifft das DBB-Team am Freitagabend (19.08.2022, 20.30 Uhr) auf Tschechien, bevor es dann in den Finalspielen gegen Italien oder Serbien gehen könnte. Ein Fragezeichen im Kader steht dabei hinter David Krämer, der zuletzt angeschlagen war. Der Braunschweiger ist ein unerschrockener Distanzschütze, der schnell heißlaufen kann, hat aber auf seiner Position große Konkurrenz: mit den international deutlich erfahreneren Niels Giffey und Andreas Obst.

Von den weiteren verbliebenen Spielern könnte Jonas Wohlfarth-Bottermann einer der Streichkandidaten sein. Der künftige Hamburger, Spitzname "Wo-Bo" ist ein in der BBL etablierter, zuverlässiger Center. Doch gerade bei den "Big Men" ist das DBB-Team schon mit internationalen Top-Spielern besetzt: Daniel Theis, der es mit Boston bis in die NBA-Finals schaffte, der Berliner Johannes Thiemann, wertvollster Spieler der Finalserie, oder Johannes Voigtmann, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine von ZSKA Moskau geflüchtet, künftig in Mailand aktiv.

Hollatz nur Spielmacher Nummer drei hinter Schröder und Lo

Allerdings kündigte der Bundestrainer am Mittwoch (17.08.2022) an, dass er noch "zwei Spieler auf den Positionen eins bis drei" streichen werde. "Wir haben aktuell nur fünf große und neun kleine Spieler im Kader", meinte Herbert zur Begründung.

Zu den Spielern, die um ihren Platz im Kader bangen müssen, zählen wohl auch Karim Jallow und Justus Hollatz. Jallow steht aber wegen seiner Allroundqualitäten und vor allem seiner Stärke in der Verteidigung hoch im Kurs. Der erst 21 Jahre alte Regisseur Hollatz wiederum hat in der vergangenen Saison einen weiteren Entwicklungssprung gemacht, wäre aber auf der Position des Spielmachers hinter dem neuen Kapitän Schröder und Maodo Lo nur die Nummer drei.

Sollte Herbert sich dafür entscheiden, mit nur zwei etatmäßigen Einsern ins Turnier zu gehen, müsste Hollatz wohl zu Hause bleiben - zumal mit Weiler-Babb vom FC Bayern auch ein weiterer Euroleague-Topspieler mit Spielmacher-Qualitäten hinzugekommen ist. Auf den Bundestrainer könnte ein weiteres, schlafloses Wochenende zukommen.