American Football | NFL 49ers gegen Rams: Trainer-"Masterminds" im direkten Duell

Stand: 29.01.2022 08:00 Uhr

Kyle Shanahan, Trainer der San Francisco 49ers, und Sean McVay, Trainer der Los Angeles Rams, verbindet viel. Beide gehören zu den jungen "Masterminds" der amerikanischen Football-Liga NFL - zuletzt hatte einer aber im direkten Duell immer die Nase vorn.

"Die Rams und Sean Mcvay haben ein Kyle-Shanahan-Problem" titelte die "Los Angeles Times" vor wenigen Tagen angesichts des bevorstehenden Duells in den NFL-Playoffs. Und tatsächlich kann man das so plakativ sagen.

McVays Angstgegner

Obwohl Shanahans San Francisco 49ers auf dem Papier in der Playoff-Runde zuvor gegen die Green Bay Packers der Außenseiter und das vermeintlich "schwächere" Team waren, dürfte man bei den Rams nicht unbedingt glücklich über den Ausgang der Partie gewesen sein. Denn Kyle Shanahan ist als Head Coach der 49ers tatsächlich so etwas wie der "Angstgegner" von Rams-Coach McVay.

In den vergangenen drei Jahren trafen die beiden Trainer insgesamt sechsmal aufeinander. Sechsmal siegte San Francisco. Meist knapp, ab und zu auch deutlich. Seit die beiden jeweils 2017 ihre Jobs übernahmen, standen sie jeweils einmal im Super Bowl. McVay verlor Anfang 2019 gegen die New England Patriots, ein Jahr später unterlag Shanahan den Kansas City Chiefs. Einer von beiden wird in zwei Wochen seine zweite Chance auf den Titel bekommen.

Gemeinsam in Washington - ähnlich im Stil

Wie verzahnt und parallel ihre Entwicklungen verlaufen, ist verblüffend. Beide ließen viele Jahre lang ähnlich spielen und schafften es, mit einem bestenfalls soliden Quarterback ein System zu etablieren, das offensiv dennoch funktionierte und gleichzeitig auf eine starke Defensive setzte. Beide hatten damit Erfolg. Dass die Rams, bei allem Respekt, mit Jared Goff als Quarterback bis in den Super Bowl kamen und den 49ers Selbiges ebenfalls mit Jimmy Garoppolo gelang, muss zu großen Teilen den beiden jungen Coaches angerechnet werden. Shanahan ist 42, McVay ist erst 36.

Shanahan war von 2010 bis 2013 Offensive Coordinator beim Washington Football Team, das damals noch anders hieß. Ebenfalls in diesem Zeitraum in Washington erst als Assistenztrainer und dann als Tight End Coach: McVay. 2013 übernahm dieser dann den Posten Shanahans und blieb in Washington, ehe er dann eben die Rams als Head Coach übernahm. Die Ähnlichkeit in ihrer Philosophie ist also kein Zufall.

Stafford verändert die Idee

Auch wenn die Herangehensweisen der beiden Coaches sich in vielen kleinen Details, auch aufgrund des vorhandenen Spielerpersonals, von Beginn an auch unterschieden, artverwandt sind sie definitiv. Oder sie waren es zumindest bis zu Beginn dieser Saison.

Denn da bekam McVay in einem ziemlich teuren Tauschgeschäft mit den Detroit Lions in Matthew Stafford einen Quarterback, der im Passspiel zu den stärksten der Liga gehört. Der hat zwar auch in dieser Saison ein paar mehr haarsträubende Fehler gemacht als man bei den Rams erhoffte, hat aber auch mehrfach sein großes "Armtalent" gezeigt. Nur Tom Brady (43) hatte in dieser Saison mehr Touchdowns als Stafford (41). Kein Wunder also, dass der Coach seine Herangehensweise dementsprechend anpasste und die Verantwortung und das Vertrauen mehr in die Qualitäten seines erfahrenen Spielmachers legte.

Mit - oder trotz - Garoppolo erfolgreich?

Auf der anderen Seite bekam auch Shanahan vor der Saison einen neuen Quarterback: Der junge Trey Lance wurde im Draft verpflichtet - ein athletischer Spieler mit viel Potenzial, aber natürlich noch ohne NFL-Erfahrung. Die meisten Experten waren sich einig: Damit dürfte Garoppolos Zeit bei den 49ers zeitnah ablaufen. Doch Shanahan entschied sich dafür, auf Garoppolo zu setzen. Jenen Mann, der sein Konzept so umsetzt, wie es ihm vorgegeben wird, aber darüber hinaus wenig selbst kreiert. Lance spielte kaum.

Kurzfristig war das womöglich die richtige Entscheidung, schließlich steht man nun unter den besten vier Teams der Liga. Shanahan hat konstant bewiesen, dass er eben keine Glanzleistungen eines Quarterbacks braucht, um Erfolg zu haben. In fünf der jüngsten sechs siegreichen Duelle gegen die Rams spielte Garoppolo, einmal war er verletzt. Seine Statistiken aus diesen Partien: Sieben Touchdowns, fünf Interceptions (vom Gegner abgefangene Pässe). Dass die 49ers mit einer solchen Statistik all diese Spiele, darunter auch zwei in dieser Saison, gewinnen konnten, ist beinahe absurd. Zum Vergleich: Aaron Rodgers von den Green Bay Packers hat in der kompletten Saison 2021/22 vier Interceptions geworfen - bei 37 Touchdowns.

Im siebten Spiel gilt es nun

Wenn man man die inviduelle Qualität der jeweiligen Kader bewerten müsste, würden ziemlich sicher fast alle Experten und Analysten zu dem Ergebnis kommen: Los Angeles ist stärker besetzt. Trotzdem haben sie auch beide Saisonspiele gegen den Division-Konkurrenten verloren. Die 49ers und ihr Spielstil sind offenbar einfach Kryptonit für McVay und seine Rams. Vor allem die Defense machte auch Stafford in den beiden Saisonduellen Probleme: Vier Touchdowns bei vier Interceptions.

McVay hat sich vor der Saison entschieden, seinem Quarterback mehr Vertrauen zu schenken. Über die Saison gesehen war das trotz der einzelnen Fehler bisher durchaus erfolgreich. Für seine persönliche Bilanz gegen seinen alten Chef hat es ihm bisher aber nichts gebracht. Das dürfte McVay aber herzlich egal sein, sofern sich das in der Nacht zu Montag (31.01.2022) ändert. Keine seiner jüngsten sechs Niederlagen gegen Shanahan waren in den Playoffs - diese eine Partie würde die anderen sechs also wohl aufwiegen.