American Football | NFL NFL-Playoffs: Mahomes gegen Burrow - Hexenmeister trifft Zauberlehrling

Stand: 28.01.2022 07:00 Uhr

Patrick Mahomes von den Kansas City Chiefs ist einer der spektakulärsten Quarterbacks der NFL. Im Playoff-Duell der US-Football-Liga gegen die Cincinnati Bengals trifft er nun auf einen Kontrahenten, dem sportliches Spektakel ebenfalls nicht fremd ist. Der Nummer-Eins-Pick aus dem Jahr 2020 - Joe Burrow.

Burrow scheint tatsächlich die Art Spieler zu sein, die ein NFL-Team sich von einem Nummer-Eins-Pick erhofft. Schon in seinem zweiten NFL-Jahr hat der 25-Jährige die Cincinnati Bengals zu einem Team gemacht, das mit seiner Offensive in jedem Spiel in der Lage ist, ein Feuerwerk abzubrennen. Und er hat sie erstmals seit über 30 Jahren zu einem Playoff-Sieg geführt.

8,9 Yards pro Passversuch - keiner wirft seine Bälle im Schnitt so weit wie er. Zwölf Pässe über 50 Yards - auch das Ligaspitze. 70 Prozent seiner Pässe kommen beim Mitspieler an - ebenfalls Ligabestwert.

Kaum Schutz für den neuen Superstar

"Jackpot Joey", wie seine Teamkollegen ihn nennen, bringt zwar seine Bälle tatsächlich sehr zuverlässig zu seinen Mitspielern, aber eben nur die, die er auch los wird. 370 Yards haben die Bengals in dieser Saison durch sogenannte "Sacks" verloren. 51 mal ging Burrow für Raumverlust zu Boden - der höchste Wert der Liga. Und das bei einem Spieler, der zu Saisonstart frisch von einer schweren Knieverletzung genesen war.

Zwar hält Burrow den Ball manchmal zu lange in der Hand, aber die Offensive Line, die ihn schützen soll, ist auch einfach extrem löchrig. Gerade im jünsten Playoff-Spiel beim Sieg gegen die Tennessee Titans wurde das nochmal besonders deutlich. Neun Sacks kassierte Burrow - nie hatte ein Quarterback in den Playoffs mehr. Irgendwie gewann Cincinnati das Spiel trotzdem mit 19:16 und steht nun am Sonntag (30.01.2022, 21 Uhr) im Finale der AFC gegen die Kansas City Chiefs. Nur noch einen Sieg vom Super Bowl entfernt.

Chase und Burrow - blindes Verständnis

Die Probleme in der Offensive Line kommen nicht überraschend - es gab sie schon 2020. In eben jener Spielzeit, in der Burrow sich dann auch schwer verletzte. Dennoch entschieden die Bengals-Verantwortlichen sich dazu, im Draft 2021 an insgesamt fünfter Stelle Wide Receiver Ja'Marr Chase auszuwählen. Obwohl in Penei Sewell noch ein hochtalentierter "Bodyguard" für ihren Quarterback zu haben gewesen wäre.

Aber die Wiedervereinigung des im College schon sehr erfolgreichen Duos aus Chase und Burrow hat sich ausgezahlt. Mit 1.455 Yards liegt Chase auf Platz vier unter den Wide Receivern der NFL-Saison - aber er brauchte dafür nur 81 Pässe. Zum Vergleich: Davante Adams von den Green Bay Packers hat 1.553 Yards auf dem Konto, fing dabei aber 123 Bälle.

In Anspielung auf die vielen langen Pässe zwischen den beiden kursierte in den sozialen Medien schnell ein "Meme", das den werfenden Burrow zeigt und mit der Aufschrift "F*** it! Ja'Marr wird da draußen schon irgendwo sein" versehen ist. Das "blinde" Verständnis zwischen den beiden wirkt beinahe magisch.

Mahomes ist der Anführer der neuen Garde

Und "magisch" ist das Stichwort. Der "Zauberlehrling" Burrow trifft nun auf den "Hexenmeister" Patrick Mahomes. Denn wer sich das Spiel der Chiefs gegen die Buffalo Bills anschaute, sah einen Mahomes, dem alles gelang. Kein Quarterback in der Liga ist in der Lage, so spektakulär zu improvisieren wie der Super-Bowl-MVP und -Champion von vor zwei Jahren. Unterarmpässe, schnelle Antritte, Pässe aus der Drehung - alles im Repertoire.

Obwohl Mahomes nur ein Jahr älter ist als Burrow, hat er deutlich mehr NFL-Erfahrung. Zweimal in Serie stand er mit den Chiefs zuletzt im Super Bowl. Vor drei Jahren war er Saison-MVP. Mahomes ist das Gesicht, der Anführer, der neuen hochtalentierten Quarterback-Generation, zu der neben Burrow auch noch Josh Allen von den Buffalo Bills, Kyler Murray von den Arizona Cardinals, Lamar Jackson von den Baltimore Ravens oder Justin Herbert von den Los Angeles Chargers gehören. Sie alle stehen - jeder auf seine Weise - für Spektakel.

Für die Bengals muss alles passen

Spektakel gab es auch im direkten Saison-Duell vor knapp vier Wochen. Beim 34:31 für die Bengals war vor allem das Duo aus Burrow und Chase von der Chiefs-Defense kaum aufzuhalten. Burrow warf für sagenhafte 446 Yards und vier Touchdowns. 266 und drei Touchdowns davon gingen auf das Konto seines kongenialen Partners. Kein NFL-Spieler schaffte in seinem ersten Jahr jemals mehr Yards in einem Spiel. Kansas City hatte damals allerdings den Playoff-Platz bereits sicher, für Cincinnati ging es noch um alles.

Damit der Zauberlehrling den Hexenmeister nun auch wenn es für beide wirklich drauf ankommt in die Schranken weisen kann, muss wohl alles passen. Die Bengals-Defense muss den in den Playoffs bisher alles überragenden Mahomes einigermaßen in den Griff bekommen, die Offensive Line darf zumindest nicht völlig katastrophal agieren und die Burrow-Chase-Verbindung muss wieder perfekt passen.

Trifft etwas davon nicht ein, ist die Chance groß, dass es Burrow so ergeht wie dem Zauberlehrling in Goethes gleichnamiger Ballade. Der wird am Ende trotz großen Selbstvertrauens ziemlich nass, und der Meister zeigt seine Überlegenheit. Chancenlos sind die Bengals, die vor den Playoffs als einer der größten Außenseiter galten, aber vor allem dank ihrer Offensive nicht. Und auch Harry Potter war ja mal Zauberlehrling - um im Bild zu bleiben.