Tennis | US Open Gojowczyk: Ein-Mann-Team gegen den Rest der Tenniswelt

Stand: 04.09.2021 06:30 Uhr

Es klingt wie ein Tennis-Märchen: Ohne Trainer und Physio reist der deutsche Qualifikant Peter Gojowczyk zu den US Open - und steht nun mit 32 Jahren völlig überraschend erstmals im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers. Was ist das für ein Typ?

Peter Gojowczyk konnte es selbst kaum fassen und rang nach Worten: "Unglaublich, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe es auf diesem Platz so genossen zu spielen, unglaublich. Einfach mitnehmen, weiter geht's." Der 32 Jahre alte Qualifikant aus München hatte am Freitag (03.09.2021) bei den US Open das bis dahin wohl größte Erfolgserlebnis seiner Karriere gehabt. Gegen den Schweizer Henri Laaksonen erreichte die Nummer 141 der Weltrangliste das Achtelfinale.

In der Stunde seines Triumphs dachte er nicht nur an sich. Jetzt kriege er "wahrscheinlich wieder 100 Nachrichten, aber das ist ja cool, wie die Leute mich supporten", freute er sich. Gefreut haben wird er sich auch über das Preisgeld von 265.000 US-Dollar (rund 220.000 Euro), die er jetzt schon sicher hat.

Fast mit dem Tennis aufgehört

Denn Gojowczyk kennt das harte Brot der Tennisprofis, die nicht konstant hohe Preisgelder einheimsen. Spieler, die nicht in den Top 100 stehen, können schon froh sein, wenn sich ihre Einnahmen und Ausgaben decken. Aus Kostengründen wohnte er einst sogar mit seiner Schwester zusammen in einer WG. Und als 2012 sein privater Sponsor plötzlich starb, hätte Gojowczyk fast mit dem Tennis aufgehört. Nur weil sein Vater einen Freund überreden konnte, den Sohn zu unterstützen, machte der weiter.

Ein-Mann-Team ohne festen Coach

Die Kosten niedrig halten, das ist immer noch die Maxime des Münchners. Während die Topstars mit großer Entourage nach New York reisten, nahm Gojowczyk die Herausforderung als Ein-Mann-Team an - ohne Trainer und persönlichen Physio. "Ich bin schon stolz, wie ich das alles manage", sagte der Athlet, der in Unterföhring bei München trainiert und aktuell nicht einmal einen festen Coach hat.

Vielleicht wäre er schon früher richtig durchgestartet, wenn ihn nicht immer wieder Verletzungen zurückgeworfen hätten. Seine bislang größten Erfolge waren der ATP-Titel 2017 in Metz und sein Davis-Cup-Debüt 2014 in Frankreich. Dabei sorgte er für eine Überraschung, als er den damaligen französischen Weltranglisten-Zwölften Jo-Wilfried Tsonga in fünf Sätzen schlug.

Autogramm von Nadal besorgt

Für Aufsehen hatte er 2014 auch beim ATP-Turnier in Doha gesorgt, als er erst nach großem Kampf gegen den damaligen Weltranglisten-Ersten Rafal Nadal mit 6:4, 2:6 und 3:6 verlor. Aber er hatte sich Respekt verschafft.

"Ich hatte gehofft, dass er nicht so weiterspielt", sagte Nadal nach dem Match bezüglich des ersten Satzes. Zuvor hatte sich Gojowczyk bei den US Open noch ein Autogramm des Spaniers geholt, um es einem Freund zu schenken.

Den Glauben nie verloren

Womöglich muss er nun selbst deutlich mehr Autogramme geben als früher. Sein Tennis-Märchen von New York begann mit einem Sieg in fünf Durchgängen gegen den an Nummer 23 gesetzten Franzosen Ugo Humbert.

"Ich habe den Glauben nie verloren. Ich habe auch immer das Gefühl, wenn mein Körper fit ist, dass ich auch hierhergehöre", kommentierte Gojowczyk diesen Erfolg. Einziges Ärgernis dabei war, dass die Schiedsrichterin seinen Namen mehrmals falsch ausgesprochen hatte.

Nach der zweiten Runde wird allerdings auch der favorisierte Serbe Dusan Lajovic Gojowczyks Namen in Erinnerung behalten haben, denn er verlor ebenfalls in fünf Sätzen gegen den Deutschen.

Gojowczyk: "Ich habe keine Strategie"

Und so könnte es gut sein, dass Gojowczyk weiter sein Ding bei den US Open durchzieht. Auf die Frage, welche Strategie er sich selbst so ohne Trainer verordne, antwortete er nach seinem Sieg gegen Laaksonen: "Ich habe keine. Ich habe um jeden Punkt gekämpft." Ungewöhnlich ist auch seine Vorbereitung auf die Gegner: "Ich halte es einfach. Im Hotelzimmer gibt es Internet."

Nun will er auch versuchen, bei seinem ersten Grand-Slam-Achtelfinale in New York "alles zu genießen". Es sei "ein unglaubliches Gefühl, hier als Sieger vom Platz zu gehen". Und selbstbewusst fügte er hinzu: "Ich weiß, wenn ich gut spiele. Und wenn sich mein Körper gut fühlt, ist mein Spiel sehr eklig auch für die anderen Spieler." Die dürften seinen Namen nun ebenfalls schon kennen.