
Fußball | 2. Bundesliga Nach Abstieg in 3. Liga: Ulmer Fußballgeschichte soll sich nicht wiederholen
Seit vergangenem Wochenende herrscht Gewissheit: Der SSV Ulm 1846 Fußball steigt nach einem Jahr wieder in die 3. Liga ab. Was auf den Verein zukommt und wie die Fans darüber denken.
Wieder eine neue Liga, wenn auch nicht eine gänzlich unbekannte: Der SSV Ulm 1846 Fußball tritt in der kommenden Spielzeit das dritte Jahr in Folge in einer anderen Liga an als noch in der Vorsaison. Es scheint, als suchen die Spatzen derzeit ihren Platz im deutschen (Profi-)Fußball. Eins ist aber sicher, eine Fahrstuhlmannschaft wollen sie nicht werden.
Rasante Aufzugsfahrt nach oben
Über mehrere Jahre befinden sich die Spatzen im selben Stockwerk. Kein Souterrain und natürlich auch längst nicht der Keller. Aber auch kein Obergeschoss. Man sieht ein bisschen vom Südwesten Deutschlands. Die ganz große, bundesweite Aussicht bleibt aber erstmal aus. Doch vor zwei Jahren wagen sie den Schritt in den Aufzug und der nimmt plötzlich ordentlich Fahrt auf.
Im rasanten Tempo geht es nach oben. Mehr als zunächst geplant. Mit eingestiegen sind tausende Fans und Sympathisanten, im Aufzug wird es immer enger. Von knapp 4.000 in der Regionalliga, über mehr als 10.000 in der 3. Liga, bis hin zu fast 16.000 in der vergangenen Saison.

Rasant nach oben ging es für die Ulmer Fußballer schon einmal, damals sogar bis in die 1. Bundesliga. Heute erinnert ein Graffiti vor dem Donaustadion an diese Zeit. Es folgte danach ein nahezu beispielloser Absturz bis in die Verbandsliga.
Es reicht dieses Mal zwar nicht ganz bis zum Penthouse 1. Bundesliga, doch auch schon ein Stockwerk tiefer bekommen die Spatzen und ihre Fans viel zu sehen. Köln, Schalke, Berlin, Hamburg - wenn auch Letzteres mit einigem Schmerz verbunden. Denn dort verpassen es die Ulmer Fußballer, den Fahrstuhl zu verlassen. Der nimmt plötzlich die entgegengesetzte Richtung, es geht also erstmal wieder runter. Doch wer steigt nun aus? Der Verein? Welche Spieler? Wie viele Fans?
Zahlreiche Zuschauer beim öffentlichen Training nach dem Abstieg
Noch bevor sich die Tür zum ersten öffentlichen Training nach dem besiegelten Abstieg öffnet, warten bereits eine Handvoll neugieriger Zuschauer geduldig. Sie wollen vor der Sommerpause ihre Idole noch einmal hautnah sehen, Fotos und Autogramme abstauben. Denn wer von den Spielern kommende Saison überhaupt noch da ist: ungewiss.

Beim ersten öffentlichen Training des SSV Ulm 1846 Fußball nach dem besiegelten Abstieg in die 3. Liga haben rund 40 Fans nochmal die Chance genutzt, ein paar Fotos als Erinnerung an die Zweitliga-Saison abzustauben. (15.5.)
Rund eineinhalb Stunden lässt Cheftrainer Robert Lechleiter seine Mannschaft bei angenehmen Temperaturen schwitzen - unter genauer Beobachtung des mittlerweile auf rund 40 Zuschauer angewachsenen Publikums. Danach nehmen sich Spieler und Trainer viel Zeit für die Fans. Von Unmut über den Abstieg ist wenig zu hören. Lieber werden aufbauende Worte gewählt oder die Unterschriften- und Fotosammlung vollständig gemacht.
Treuer Fan mit klarer Bitte
Vor Ort ist auch Joachim Thum, ein langjähriger Fan des SSV Ulm 1846 Fußball, seit den 60er Jahren ist er mit dabei. Thum hat also ganz viel bewegten SSV-Fußball hinter sich, war dieses Jahr bei jedem Heimspiel, ja sogar beim Trainingslager in Belek vor der Saison. Natürlich hat er auch die turbulenteste Zeit der Spatzen vor knapp 25 Jahren miterlebt, als es schon mal im Liga-Fahrstuhl rasant nach oben, aber auch wieder (fast) nach ganz unten ging.

Mit einem niedergeschriebenen Dank, aber auch einer Bitte an die Spieler hat der langjährige Fan Joachim Thum gemeinsam mit Ulla Kübler das öffentliche Training des SSV Ulm 1846 Fußball besucht.
Eine Erfahrung, die ihn nun zu der Bitte an die wechselwilligen Spieler bewegt, in Ulm zu bleiben. "Alle, die gedacht haben, sie gehen im Jahr 2000 zu anderen Vereinen, haben es nie mehr so geschafft, der Mittelpunkt in einem Team zu sein, wie hier beim SSV", erklärt Thum. Deshalb hoffe er, dass möglichst alle, oder zumindest die meisten, bleiben, "dass wir wieder oben in der dritten Liga vielleicht ein bisschen mitmischen."
Wichtige Personalentscheidung getroffen: Cheftrainer Lechleiter bleibt
Freilich gehen Fan-Hoffnungen und harte Fußball-Realität oftmals auseinander. Telalovic, Strompf - ein paar SSV-Spieler haben längst Begehrlichkeiten bei anderen Clubs geweckt, konkrete Angebote liegen laut Geschäftsführer Markus Thiele jedoch keine vor. Einige Spieler kehren aber nach ihrer Leihe voraussichtlich zu ihren eigentlichen Vereinen zurück. Deutlich klarer ist die Situation auf der Trainerbank: Hier hat Robert Lechleiter seinen Vertrag bis 2027 verlängert.
"Wir haben eine sehr gute Basis gefunden", erklärt Thiele. Es seien kurze Gespräche gewesen, "weil beide Seiten Lust drauf haben." Damit ist eine der wichtigsten Fragen für die kommende Saison schon mal geklärt. Die Entscheidung sei ihm "nicht schwer" gefallen, erzählt Robert Lechleiter nach der Pressekonferenz. "Natürlich sind wir noch sehr enttäuscht vom Wochenende, dass wir es nicht geschafft haben, aber der Blick geht jetzt schon nach vorne."
Thiele: "Vorteil, auf den ich gern verzichtet hätte"
Den Blick nach vorne auf die kommende Saison kann der Verein durch den besiegelten Abstieg nun etwa drei Wochen früher als erhofft richten. Nachdem bereits jetzt klar ist, dass der Aufzug erstmal Halt in Liga drei macht, können nun schon deutlich klarere Gespräche mit den Spielern geführt werden. Allerdings sei das ein "Vorteil, auf den ich gern verzichtet hätte", so Thiele. Doch jetzt zähle jeder Tag.
Wir wollen uns bodenständig und stabil weiterentwickeln, wir werden keine verrückten Sachen machen. Markus Thiele, Geschäftsführer SSV Ulm 1846 Fußball
Von einem direkten Wiederaufstieg möchte Thiele nicht sprechen. Ziel sei es, die 2. Bundesliga lieber "nachhaltig und gefestigt" zu erreichen. "Wir wollen uns bodenständig und stabil weiterentwickeln, wir werden keine verrückten Sachen machen", so der Geschäftsführer der Ulmer SSV-Fußballer.
Den Absturz verhindern
Damit will der Verein auch verhindern, dass nicht noch einmal ein ähnliches Fiasko wie vor rund 25 Jahren passiert. "Das kann die Fans auch beruhigen", so Thiele. "Man sieht einfach auch, was in den letzten Jahren hier gewachsen ist." Damit spielt er auf die gestiegene Zuschauerzahl und die Unterstützung der Sponsoren in dieser Saison an. Finanziell gesehen sei man besser aufgestellt als noch vor zwei Jahren nach dem Aufstieg in die 3. Liga.
Sportlich gesehen erwartet Thiele eine sehr umkämpfte und harte Liga. "Da kann man jetzt nicht sagen, nur weil wir von oben kommen, können wir das mit ein paar Prozent weniger angehen." Der Verein will in der 3. Liga genauso ehrgeizig und überzeugt auftreten wie noch vor zwei Jahren. "Wenn wir das nicht tun, dann kann es einen Fall geben wie Sandhausen in den letzten Jahren. Da wollen wir definitiv dagegen arbeiten."

Wie viele der aktuellen Spieler nach dem Abstieg der Ulmer Fußballer hier kommende Saison noch trainieren werden, ist unklar. Wenns nach den Fans geht: am besten alle.
Nachhaltig aufbauen oder Wiederaufstieg? Das sagen die Fans
Eine leidenschaftliche Anhängerin beim öffentlichen Training, die namentlich nicht genannt werden möchte, könnte mit beidem leben. Ihr ist nur wichtig, dass die Spatzen "einfach so weiter machen, mit der richtigen Herzenseinstellung." Janina Ikonomow hingegen ist überzeugt, dass die Ulmer Fußballer wieder zurückkommen in die zweite Liga, "auch wenn es jetzt noch mal ein, zwei Jahre dauert."
"Der Aufstieg in die zweite Liga, kam auf jeden Fall viel zu schnell", meint Tobias Kaspar. "Man hat gar nicht die Chance gehabt, sich zu etablieren, was Starkes aufzubauen." Kumpel Erwin Weber will keinen direkten Wiederaufstieg. Ihm ist ebenfalls wichtig, dass ein "stabiles Umfeld" aufgebaut wird und die Spatzen "einfach die Klasse halten." Die Angst vor einem großen Absturz wie vor knapp 25 Jahren scheint bei manchem Fan also präsent zu sein. Denn damals sind die Spatzen viel zu spät aus dem Fahrstuhl ausgestiegen, sie waren längst im Kellergeschoss.
Sendung am Sa., 17.5.2025 6:00 Uhr, SWR4 BW am Samstagmorgen, SWR4 Baden-Württemberg