Justin Engel in Aktion

Tennis | ATP-Turnier Engel als Hoffnungsträger - Am Rothenbaum werden Stars gemacht

Stand: 21.05.2025 17:35 Uhr

Der 17-jährige Justin Engel muss Lehrgeld zahlen nach seinem Coup gegen Jan-Lennard Struff. Aber der Hamburger Rothenbaum ist ein gutes Pflaster für kommende Tennis-Cracks. Auch Rafael Nadal und Alexander Zverev starteten hier durch.

Von Andreas Bellinger

Es war angerichtet für das "bisher größte Spiel seines Lebens". Justin Engel, der 17 Jahre alte Hoffnungsträger des deutschen Herren-Tennis, war bereit für das Match gegen den russischen Weltklassespieler Andrej Rublew. Die Sonne strahlte auf den Center Court am Hamburger Rothenbaum und die Zuschauer, die den Youngster am Mittwochmittag begeistert empfingen, freuten sich über den courgierten Auftritt des Nürnbergers, der dem Weltranglisten-17. direkt seinen Aufschlag abnahm.

"Ich wollte gleich ein Zeichen setzen und zeigen, dass ich auch schnell spielen kann." Noch aber wachsen die Bäume für Engel nicht in den Himmel wie das 3:6, 5:7 nach prächtigem Spiel mit spannenden Ballwechseln und harter Gegenwehr zeigten.

Zweiter Sieg auf der ATP-Tour

Es war ein kurzer, vielbeachteter Höhenflug bei den Hamburg Open, der mit seinem "solidesten Match, das ich jemals gespielt habe" gegen den mehr als doppelt so alten Jan-Lennard Struff (35) begonnen hatte. Der erst zweite Sieg des Weltranglisten-333. auf der ATP-Tour und der erste bei einem 500er-Event - immerhin der dritthöchsten Kategorie im Herren-Tennis. "Klar war ich nervös. Aber die Zuschauer haben mich unheimlich unterstützt." Auch Boris Becker war Zaungast, wusste Engel: "Vielleicht gibt er mir noch ein paar Tipps. Ich würde mich freuen."

"Es ist gut, dass wir wieder einen sehr talentierten Spieler haben, der hier auf dem Center Court spielt. Er hat ein gutes Umfeld, mit Philipp Kohlschreiber einen absoluten Experten als Trainer. Die nächsten Jahre werden jetzt zeigen, wie sehr er es wirklich will."
— Boris Becker

Der Sprung in die Top-300 der Weltrangliste und vielleicht schon bald die erste Quali-Teilnahme bei einem Grand-Slam-Turnier sind offeriert, auch wenn die Lobeshymnen nach dem Tie-Break-Krimi gegen seinen einstigen Babysitter Struff erst einmal wieder leiser geworden sind.

Von Nadal bis Zverev - Vorbilder zuhauf

Doch vielleicht haben die begeisterungsfähigen Zuschauer am Rothenbaum in Engel ja einen neuen Stern am deutschen Tennis-Himmel gesehen. Tatsächlich war das Stadion an der Hallerstraße schon oft eine Art sportliche Geburtsstunde für junge und noch weitgehend unbekannte Spieler, die sich auf dem roten Sand erste Meriten sowie Selbstbewusstsein holten und zu Weltstars reiften. Sein Vorbild Rafael Nadal zum Beispiel, der 2003 bei dem damals noch zur zweithöchsten Turnier-Kategorie nach den Grand Slams zählenden Masters das Achtelfinale erreichte - nicht einmal 17 Jahre alt.

Talentschmiede Rothenbaum

Auch als es das deutsche Tennis nach der glorreichen Zeit von Boris Becker und Michael Stich brauchte, erwies sich der Rothenbaum als Talentschmiede.

Ein Hamburger Jung' namens Thomas Haas schickte sich 1997 an, die Nachfolge der späteren Turnierdirektoren Becker und Stich anzutreten. 19 Jahre alt war der Tommy genannte Haas damals und stürmte mit einer Wildcard bis ins Halbfinale. 2012 stand er als erster Deutscher seit 1993-Sieger Stich schließlich im Finale.

Tennis-Profi Alexander Zverev

Alexander Zverev startete mit 16 in Hamburg auf die ATP-Tour.

Für Zverev war sein Heimturnier gleichermaßen das Ziel seiner Kindheitsträume. Und die erfüllten sich 2013, als Turnierdirektor Stich dem damals 16-Jährigen eine Wildcard "schenkte". Es war Zverevs Start auf der ATP-Tour und schon ein Jahr später schaffte er in Hamburg den Einzug ins Halbfinale. 30 Jahre nach dem Triumph seines Mentors Stich gewann Zverev 2023 am Rothenbaum und scheiterte im Jahr darauf knapp in einem spannenden Finale gegen den Franzosen Arthur Fils.

Zverev: "Der Weg an die Spitze ist steinig"

Viele gute Beispiele für ehrgeizigen und bodenständigen Justin Engel, dem eine große Zukunft attestiert wird. Obwohl es weder fair noch logisch ist, aus einem Highlight gleich eine Erfolgsgeschichte zu machen. Aber der 17-Jährige und sein gleichaltriger Weggefährte, der Berliner Diego Dedura, sind - schenkt man den Experten Glauben - die vielversprechendsten Perspektivspieler des Deutschen Tennis Bundes (DTB).

Zverev betont derweil Engels großes Potenzial: "Dass er Talent und die Schläge hat, ist völlig klar", so der Weltranglisten-Dritte im NDR Sportclub und mahnt: "Aber der Weg an die Spitze ist steinig. Er wird mit Rückschlägen umgehen müssen."

Davis-Cup-Sieger Steeb als Berater

"Ich arbeite hart, investiere viel in mein Tennis, in meine Karriere", sagt Engel, den ein professionelles Team begleitet. Als verantwortlicher Coach fungiert der frühere Weltklassespieler Philipp Kohlschreiber, dem Trainer-Vater Holger Engel zur Seite steht. Im Hintergrund agiert der ehemalige Daviscup-Sieger Charly Steeb. Im Auftrag der Agentur ProjectFive, zu deren Klienten auch Becker gehört, kümmert er sich als Berater und Betreuer auch um die Vermarktung des Hoffnungsträgers.

Trainer Kohlschreiber: Eher bremsen als pushen

"Das Gute ist, dass man ihn überhaupt nicht pushen muss", so Kohlschreiber, der es in der Weltrangliste einst bis auf Position 16 geschafft hat und weiß, auf was es ankommt. "Manchmal muss man ihm sogar sagen: 'Hey, es reicht.' Aber lieber so, als wenn man ihm beibringen müsste, wie geil es ist, ein Tennisspieler zu sein."

Mit der Niederlage wird Justin Engel zurechtkommen. Höhenflüge sind eben harter Kampf - und jedes Match bringe ihn weiter, so Engel: "Ich brauche mehr Spiele wie diese."

Dieses Thema im Programm:
Hamburg Journal | 21.05.2025 | 19:30 Uhr