Hansi Flick

Fußball | Nationalmannschaft Hansi Flick als Bundestrainer entlassen

Stand: 10.09.2023 16:47 Uhr

Das öffentliche Training durfte Hansi Flick noch leiten, danach folgte die Entlassung: Der DFB stellte den Trainer frei. Am Dienstag sitzen Rudi Völler, Hannes Wolf sowie Ex-Nationalspieler Sandro Wagner auf der Bank.

Zum Abschied schrieb Hansi Flick bei strahlendem Sonnenschein Autogramme und zwang sich ein Lächeln ab. Das öffentliche Training nach der offenbarenden 1:4-Blamage seiner wieder von Japan gedemütigten Fußball-Nationalmannschaft war am Sonntag der letzte Auftritt des 58-Jährigen als Bundestrainer. Neben Flick wurden auch die beiden Co-Trainer Marcus Sorg und Danny Röhl mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben zu entbunden, teilte der DFB mit.

Völler interimsweise zurück

Gegen Vize-Weltmeister Frankreich an diesem Dienstag in Dortmund übernehmen interimsweise die beiden Sportdirektoren Rudi Völler, 19 Jahre nach dessen Rücktritt als Teamchef, und Hannes Wolf sowie Ex-Nationalspieler Sandro Wagner. "Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf laut Mitteilung. "Wir brauchen mit Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land eine Aufbruchstimmung und Zuversicht. Für mich persönlich ist es eine der schwierigsten Entscheidungen in meiner bisherigen Amtszeit."

Nachfolger zeitnah präsentieren

Das Trio um den einstigen Publikumsliebling Völler soll nur gegen die Franzosen übernehmen. Der sportliche Erfolg habe "oberste Priorität. Daher war die Entscheidung unumgänglich", sagte Neuendorf. Ein Nachfolger Richtung Heim-EM 2024 soll laut Verband "zeitnah" präsentiert werden. Laut der "Bild"-Zeitung und der Funke-Mediengruppe soll sich der DFB jetzt sehr um Julian Nagelsmann bemühen. Der 36-Jährige war beim FC Bayern vom Hof gejagt worden und ist auch vertraglich noch an die Münchner gebunden. Alles eine Frage des Geldes.

Flick noch am Samstag: "Ich bin der richtige Trainer"

Gehandelt werden mehrere Namen, klar war in der öffentlichen Meinung seit Samstagabend nur, dass Flick endgültig nicht mehr der Richtige sei. "Ich finde, wir machen es gut, und ich bin der richtige Trainer." Das war der Satz von Flick, der bleiben wird von diesem Wochenende in Wolfsburg, an dem die tiefgreifenden Probleme, die Risse und der desolate Zustand der DFB-Auswahl deutlich wurden wie beim desaströsen Vorrunden-Aus bei der WM vor neun Monaten in Katar. Damals hatte der DFB an Flick festgehalten, verbessert hatte sich seitdem nichts - im Gegenteil. Drei Niederlagen nacheinander gab es zuletzt vor knapp 40 Jahren.

Und so wirkte das Trainingsgeschehen in dem kleinen Stadion in den grün-weißen Wolfsburger Farben surreal. Das Trainerteam spulte das Programm für die Reservisten ab wie an jedem anderen Tag. Die Stammspieler um Torwart Marc-André ter Stegen, der trotz vier Gegentoren noch Deutschlands Bester gewesen war, zeigten sich den offiziell 2376 Fans und zogen sich dann ins nahegelegene Teamhotel zurück. Die Nationalmannschaft bereitete sich auf Frankreich vor.  "Das werden wir auch weiter tun, da gibt es nichts dran zu deuteln", hatte Flick am Samstagabend noch gesagt. "Wir sind überzeugt von dem, was wir machen. Deswegen geht es auch so weiter für mich."

Völler spricht mit den Fans

Es kam anders. Wie im Jahr 2000, als Völler in einer tiefen Krise eingesprungen war, setzt sich der einstige Weltmeister auch jetzt wieder auf die Bank. Der Bundestrainer, seine wieder von ihm mit Experimenten überforderte Mannschaft, der DFB - das Gesamtbild war trotz der schönen Bilder am Sonntagvormittag neun Monate vor der Heim-EM besorgniserregend. Völler sprach vor dem Training zu den Fans, sagte, es sei "selbstverständlich, dass wir uns hier stellen". Flick sagte nichts mehr.

Schon unmittelbar nach dem 1:4-Schock, bei dem nur Leroy Sanés Treffer zum 1:1 kurzzeitig Hoffnung auf eine Stimmungswende im EM-Gastgeberland weckte, waren rund um das Wolfsburger Stadion wieder die Namen von denen geraunt worden, die Flick seit Wochen wie Schatten begleiteten. Neben Nagelsmann sind das auch Jürgen Klopp (56), der weiter unerreichbar an den FC Liverpool gebunden zu sein scheint, und Reformer Ralf Rangnick (65). Doch Österreichs Nationaltrainer ist im Nachbarland sehr erfolgreich. Genannt wird auch Matthias Sammer (56). Stefan Kuntz (60) trainiert die Türkei. Der einstige U21-Erfolgstrainer könnte aber nicht abgeneigt sein, zum DFB zurückzukehren, auch wenn der Verband einst Flick ihm vorzog.

Kuntz, Rangnick, Glasner in der Verlosung?

Im November spielt die Nationalmannschaft zum Jahresabschluss sicher in Wien gegen Rangnick und wahrscheinlich zuvor in Berlin gegen Kuntz. Oder wechselt einer der beiden die Seiten?  Auf dem Markt ist der Österreicher Oliver Glasner (49), der Eintracht Frankfurt zum Europa-League-Triumph geführt hatte. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sagte, Bundestrainer passe nicht in seine "Lebensplanung". Die nach dem WM-Aus eilig installierte Task Force mit den Granden um Völler, Sammer, Karl-Heinz Rummenigge, Neuendorf und DFL-Chef Hans-Joachim Watzke soll sich dem Vernehmen nach am Sonntag zumindest in Teilen zusammengeschaltet haben. Das 1:4 gegen Japan war noch einmal ein Schritt zurück, mindestens.

dpa