FC Carl Zeiss Jena Jubel nach dem Tor zum 1-4 durch Arnold -  Hannah Mesch, Julia Arnold und Bente Fischer

Frauenfußball Der Zyklus und der Leistungssport: Carl Zeiss Jena stellt das Training um

Stand: 26.05.2024 05:00 Uhr

Im Leistungssport spielt der Zyklus der Frau eine immer größere Rolle. Mannschaften und Sportlerinnen stellen ihr Training um, um Verletzungen vorzubeugen. Auch beim FC Carl Zeiss Jena ist das seit dieser Saison der Fall.

Von Oliver Gussor, MDR THÜRINGEN

Vor etwas mehr als vier Jahren erlitt Abwehrspielerin Anja Heuschkel in einem Testspiel einen Kreuzbandriss. Es ist eine der schwersten Verletzungen im Fußballgeschäft. Ob die Verletzung mit ihrem Zyklus zusammenhing, lässt sich heute nicht sagen. Aber klar ist: Das Thema Zyklus spielte in den vergangenen Jahren keine Rolle im Training beim FCC.

Carl Zeiss Jena - Anja Heuschkel

Anja Heuschkel war von der neuen Idee zunächst überrascht.

Deshalb war die 26-Jährige zunächst überrascht, als der Verein am Anfang der Saison zeigte, wie er das Training individuell anpassen will. Auch, um solch schweren Verletzungen vorzubeugen.

Zusammenarbeit mit der Universität Jena

Die Universität Jena begleitet das Training der Frauen wissenschaftlich. Christian Puta leitet kommissarisch den Lehrstuhl für Sportmedizin und Gesundheitsförderung. Für Puta ging es in der Zusammenarbeit mit der Mannschaft zunächst darum, den Spielerinnen das Thema aus wissenschaftlicher Sicht näherzubringen. Das Thema überhaupt erstmal zu einem Thema zu machen. Die Spielerinnen sollten ganz bewusst beobachten, wie ihr Körper in den verschiedenen Phasen des Zyklus reagiert, und das dokumentieren.

Die Frauenmannschaft des FC Carl Zeiss Jena

Die Frauen des FC Carl Zeiss Jena halten zusammen.

Im Schnitt dauert der Zyklus bei der Frau etwa 28 Tage. Diese Tage werden in verschiedene Phasen unterteilt: Menstruation, Follikelphase, Eisprung und Lutealphase.

Laut Puta zeigt sich in mehreren Studien, dass die Verletzungshäufigkeit und das Risiko für schwere Verletzungen gerade am Ende der Menstruation und rund um den Eisprung steigt. Seine Erklärung: Im Zeitraum rund um den Eisprung wird das Gewebe der Frau weicher, damit sie beispielsweise in der Lage ist, schwanger zu werden.

Neugeborenes neben seiner Mutter im OP

Der weibliche Körper stellt sich auf die Geburt ein.

Sollten sich in diesen Phasen die Spielerinnen schlapp fühlen, Kopfschmerzen haben oder sich nicht stabil fühlen, können sie beim FCC einen sogenannten Frauentag einlegen, also das Training aussetzen.

Der erste Schritt: Sich selbst beobachten

Nach jedem Training tragen die Spielerinnen auf freiwilliger Basis verschiedene Daten in eine App ein. Wie gut war der Schlaf, wie hoch war die Belastung, wie schlapp sie sich fühlen. Während der Menstruation können Spielerinnen das Training als viel anstrengender empfinden als an anderen Tagen, erklärt Puta.

Christian Puta von der Universität Jena und Anja Heuschkel, Spielerin Carl Zeiss Jena, schauen sich Daten an.

Christian Puta von der Universität Jena und Anja Heuschkel schauen sich Daten an.

Sind die Werte auffällig, ist die Belastung also ungewöhnlich hoch, passt Trainer Florian Kästner das Training individuell auf die Spielerinnen an.

Für Kästner ist es die erste Saison als Cheftrainer. Der 25-Jährige gestaltet seit Beginn der Spielzeit das Training allgemein anders. Seine Spielerinnen sollen auf maximal elf Maximalbelastungen in der Woche kommen. So viele sollten es sein, damit das Verletzungsrisiko im Spiel am Wochenende verringert wird.

Florian Kästner

Für Trainer Florian Kästner steht die Gesundheit der Spielerinnen an erster Stelle.

Für ihn ist klar: Stehen Einheiten mit einer Maximalbelastung an und eine Spielerin ist gerade in einer vulnerablen Phase, wird die Übung ausgelassen, um kein Risiko einzugehen. Zwei Tage vor und nach Spielen haben die Frauen entweder frei oder absolvieren nur leichte Trainingseinheiten.

Alles zum Schutz der Spielerinnen

Nahezu täglich stimmen sich Kästner und Christian Puta ab. Die Gesundheit "der Mädels" stehe einfach im Vordergrund, sagen beide. Für Anja Heuschkel eine positive Entwicklung. Ihr habe es auch geholfen, sich besser kennenzulernen. Allein das Wissen, im Training auch mal eine Einheit für die eigene Gesundheit auslassen zu können, beruhigt sie.

Michaela Brandenburg, SC Sand, im Zweikampf mit Any Adam, FC Carl Zeiss Jena.

Verletzungen wollen Trainer und Spielerinnen natürlich vermeiden.

Zum Ende dieser Saison betrachtet Puta die Entwicklung von zwei Seiten. Für eine rein wissenschaftliche Bewertung fehle eine Kontrollgruppe, sagt er. Es gebe logischerweise keine zweite Frauenmannschaft in Jena, die zeitgleich nach dem alten Trainingsmuster trainiere. Allerdings, wirft er ein, könne verglichen werden, in welchem Zustand die Spielerinnen im Vergleich zur vergangen Saison waren und wie viele schwere Verletzungen es in der Spielzeit zuvor gab.

FCC-Trainer Florian Kästner steht vor einem Koffer mit Trackern, die im Training eingesetzt werden.

FCC-Trainer Florian Kästner sortiert die Tracker, die im Training eingesetzt werden.

Da ziehen sowohl Puta als auch Kästner ein positives Fazit. Im Vergleich zur vergangenen Spielzeit, als gleich mehrere Spielerinnen einen Kreuzbandriss erlitten, ist die Mannschaft von schweren Verletzungen verschont geblieben.

Und die Fitness zeigt sich auf dem Rasen: Am Sonntag können die Frauen mit einem Sieg im letzten Heimspiel gegen den Tabellenletzten TSG Hoffenheim II die Rückkehr in die 1. Bundesliga perfekt machen.

Auch andere Vereine haben umgestellt

Carl Zeiss Jena ist nicht die erste Mannschaft, die den Zyklus der Frau ins Training einbezieht. Bereits seit einigen Jahren passen auch die Verantwortlichen vom FC Bayern München, FC Chelsea oder vom SC Freiburg das Training an den Zyklus der Spielerinnen an. Auch in Einzelsportarten nimmt das Thema eine immer größere Rolle ein, erzählt Puta. Die Studienlage wachse, sie sei aber noch nicht perfekt, sagt er gleichzeitig.

MDR (gh)