Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard (l.)
Tourreporter

Pogacar vs. Vingegaard Sekunde um Sekunde im Kampf um das Gelbe Trikot

Stand: 09.07.2023 22:51 Uhr

Zum zweiten Mal wirkt Tadej Pogacar am Schlussanstieg stärker als Vorjahressieger Jonas Vingegaard. Nach der 9. Etappe der Tour de France auf den Puy de Dôme behält der Däne zwar Gelb, sein Vorsprung beträgt aber nur noch 17 Sekunden.

Von Michael Ostermann, Charade (Puy de Dôme)

Frida Vingegaard hatte ihren Spaß auf dem Puy de Dôme: Vergnügt schaukelte sie auf einem gelben Stofflöwen hin und her. Den hatte sie gerade von ihrem Vater geschenkt bekommen. Der Papa bekommt ein solches Stofftier nun schon seit vier Tagen im Ziel überreicht dafür, dass er das Gelbe Trikot der Tour de France trägt. Doch anders als seine Tochter wirkte Jonas Vinegaard im Ziel der 9. Etappe deutlich weniger glücklich.

Von 53 Sekunden Vorspung bleiben Vingegaard noch 17

Der Däne ist unter Druck. Neun Etappen sind gefahren und er nimmt das Maillot Jaune mit in den ersten Ruhetag, aber sein Vorsprung auf Tadej Pogacar, seinen größten Rivalen im Kampf um Gelb, ist inzwischen auf 17 Sekunden zusammengeschrumpft.

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Sekunde um Sekunde hat Pogacar ihm von seinem Vorsprung abgeknabbert, der nach der ersten Pyrenäenetappe am vergangenen Mittwoch (05.07.2023) schon 53 Sekunden betragen hatte. Einen Tag später waren daraus bereits 25 Sekunden geworden. Und auf dem Puy de Dôme, wo der Kanadier Michael Woods aus einer Ausreißergruppe heraus gewann, rückte Pogacar nun noch einmal acht Sekunden näher an ihn heran.

"Natürlich wäre es besser gewesen, wenn ich an ihm dran geblieben wäre", sagte Vingegaard auf dem Gipfel des Vulkans, den die Tour de France zum ersten Mal seit 35 Jahren wieder angesteuert hatte. "Aber ich bin glücklich, nach der ersten Woche in Gelb zu sein."

Sportschau Tourfunk, 09.07.2023 19:45 Uhr

Pogacar feiert einen kleinen Sieg

Doch dafür musste er am Anstieg zum Puy de Dôme schwer kämpfen. Die Entscheidung über den Etappensieg war schon längst gefallen, als Pogacar 1,5 Kilometer vor dem Ziel attackierte. Vingegaard hatte wie schon drei Tage zuvor auf dem Weg nach Cauterets Schwierigkeiten zu folgen. Für einen Moment sah es so aus, als könne Pogacar aus der kleinen Lücke, die sein Antritt geschaffen hatte, mehr machen.

Vingegaard blickte sich da sogar einmal nach seinem wichtigsten Helfer in den Bergen um, dem US-Amerikaner Sepp Kuss, der aber schon zu weit zurückgefallen war, um ihm aus der Patsche zu helfen. Der Däne vermied dann aber einen Einbruch. Dennoch konnte Pogacar im Ziel "einen kleinen Sieg" verbuchen. "Heute war ein guter Tag", stellte er fest.

Psychospielchen abseits der Straße

Die Tour de France wird natürlich auf dem Rad entschieden. Aber die beiden Rivalen, die jetzt so nahe beieinander liegen, versuchen längst auch abseits der Straße in den Kopf des anderen zu kriechen. Es geht darum, Schwächen herunterzuspielen und Stärken zu überhöhen.

Pogacar ist ein Meister solcher Psychospielchen. Als er gefragt wurde, wie er den legendären Puy de Dôme mit seinen letzten - im Schnitt rund zwölf Prozent steilen - vier Kilometern erlebt habe, zeigte er dies eindrucksvoll. Anders als Vingegaard hatte der Slowene die eine Gelegenheit zur Besichtigung ausgelassen, die den Teams im Vorfeld der Tour auf der grundsätzlich gesperrten Straße eingeräumt wurde. "Die Jungs haben mir gesagt, dass der Anstieg so hart, so steil sei", sagte Pogacar nun. "Aber wir sind den Berg hochgeflogen, da hat es sich gar nicht so steil angefühlt."

Auch Vingegaard beherrscht das mentale Duell abseits des Rads. Während Pogacar den verspielten, immer gut aufgelegten Jungen gibt, zeigt der Däne eine fast aufreizende Ruhe. Zwar räumte er auf dem Puy de Dôme ein, dass er auf dem Weg hinauf auf den Vulkan nicht seinen besten Tag gehabt habe, verwies aber darauf, dass diese erste Woche mit dem Auftakt im Baskenland und den beiden Pyrenäenetappen ohnehin nicht so sehr in sein Portfolio gepasst hätte. Die schweren Etappe, die in den kommenden zwei Wochen noch folgen, lägen ihm dagegen besser. "Ich freue mich auf die Alpen", sagte Vingegaard.

Entscheidung in den Alpen

Der Ruhetag am Montag dürfte ihm nun dennoch entgegenkommen. Um Kraft zu schöpfen für das, was kommt, auch mental. Ab kommenden Freitag stehen vier Bergetappen und ein schweres Zeitfahren im Jura und in den Alpen auf dem Streckenplan. Dort wird sich die Tour de France wohl entscheiden zwischen Vingegaard und Pogacar. "Es wird eine ganz schöne Schlacht", prophezeite Vingegaard auf dem Puy de Dôme.