Tadej Pogacar (vorne) liefert sich einen engen Kampf um den Gesamtsieg mit Jonas Vingegaard im gelben Trikot.
Tourreporter

Tour de France Vingegaard trotz Zeitverlust der Punktsieger am Grand Colombier

Stand: 14.07.2023 21:27 Uhr

Tadej Pogacar macht am Grand Colombier weitere Sekunden auf Jonas Vingegaard im Gelben Trikot gut. Dennoch darf dieser sich als Gewinner fühlen. Denn Pogacars Team investiert viel, für wenig Ertrag.

Von Michael Ostermann, Culoz (Grand Colombier)

Die Erkenntnis des Tages stammte von Matxin Joxean Fernandez. "Radsport ist keine Mathematik, es sind die Beine, die entscheiden", stellte der Spanier unterhalb des Col du Grand Colombier fest. Und wer wollte dem Sport-Direktor von Tadej Pogacars UAE-Team da widersprechen.

Aber nach zwei Wochen Radrennen und 13 Etappen lassen sich eben immer noch keine Rückschlüsse ziehen, wer von den beiden Hauptanwärtern auf das Gelbe Trikot in Sachen "bessere Beine" vorne liegt. Der Abstand zwischen Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar beträgt nur neun Sekunden. Und so werden nun eben doch Berechnungen angestellt, um Rückschlüsse für das Ganze aus dem Geschehen auf der 13. Etappe der Tour de France hinauf auf den Grand Colombier zu ziehen.

Beide Rivalen reklamieren einen "guten Tag"

War es nun "ein erfolgreicher Tag für uns", wie Pogacar behauptete. Oder doch eher "ein sehr guter Tag für uns", den Vingegaard für sich und sein Team Jumbo reklamierte. Waren die vier Sekunden, die Pogacar auf das Gelbe Trikot auf der Straße herausfuhr, und die vier Bonussekunden, die er als Etappendritter zusätzlich einstrich, tatsächlich wieder "ein kleiner Sieg" für den Slowenen? Oder darf sich Vingegaard als Gewinner fühlen, weil er immer noch in Gelb gekleidet ist?

Dass beide Seiten den besseren Tag für sich reklamierten, gehört zum Ritual dieses Duells zwischen den beiden Topfavoriten, denen die Konkurrenz nur staunend zusehen kann bei ihrem Kampf. Von außen betrachtet ging diesmal aber Jonas Vingegaard als Punktsieger aus dieser Etappe, die den Auftakt für eine ganze Serie von Höchstschwierigkeiten in den Alpen bildete.

Sportschau Tourfunk, 14.07.2023 19:27 Uhr

Pogacars Team investiert viel

Das UAE-Team hatte von Beginn an gezeigt, dass es diesen Tag für sich reklamieren wollte. Als die Ausreißergruppe des Tages stand, kontrollierten Pogacars Kollegen das Tempo im Feld, was normalerweise die Aufgabe der Mannschaft um das Gelbe Trikot gewesen wäre. Doch Jumbo-Visma hatte diesmal gar kein Interesse daran. "Wir wollten, dass die Ausreißer durchkommen, und das ist auch passiert", sagte Vingegaard und wirkte sehr zufrieden dabei.

Pogacar machte einen deutlich weniger aufgeräumten Eindruck als sonst, während er sein Tagesresümee zog. "Wir hätten gerne den Etappensieg gehabt", sagte der Slowene. Deshalb hatte er sein Team ja auch nach vorne geschickt. Doch als das Feld mit vier Minuten Rückstand in den Schlussanstieg ging, schafften sie es nicht, den Vorsprung des späteren Etappensiegers Michal Kwiatkowski entscheidend zu verringern. Pogacars Attacke kam dann auch erst 450 Meter vor dem Ziel - zu wenig, um mehr Zeit als die vier Sekunden herauszufahren.

Vingegaards Team schont sich

Während das Team UAE also viel investierte für vergleichsweise wenig Ertrag, konnte Jumbo-Visma Kräfte schonen für das schwere Wochenende in den Alpen. Tiesj Benoot, Christophe Laporte und Wout van Aert scherten früh aus, und ließen den Tag vergleichbar gemächlich zu Ende gehen. "Wir haben einigen der Jungs gesagt, dass sie es locker angehen können vom Fuße des Berges an", sagte Vingegaard, der dennoch bis kurz vor Schluss nicht alleine war, weil Dylan van Baarle, Wilco Keldermann und vor allem Sepp Kuss ihn den Grand Colombier bis zu Pogacars Attacke begleiteten.

Ob und welche dieser Berechnungen am Ende aufgehen, wird sich vermutlich in den beiden kommenden Tagen schon zeigen. Auf dem Menü stehen zwei schwere Alpenetappen. "Ein kompliziertes Wochenende", erwartet UAE-Sport-Direktor, Matxin Joxean Fernandez. Die acht Sekunden Zeitgewinn seines Schützlings Pogacar seien deshalb sehr wichtig gewesen: "Wir sind in einer perfekten Position." So ähnlich sehen sie das wohl auch bei Jumbo-Visma. Den Rest entscheiden die Beine der beiden Protagonisten.