Jakob Geßner bei der Deutschland Tour
analyse

Deutschland Tour 2022 Continental-Teams mischen das Peloton auf

Stand: 25.08.2022 20:14 Uhr

Bei der ersten Etappe der Deutschland Tour fuhren nicht die großen Stars ins Rampenlicht, sondern die kleinen Continental-Teams - allen voran der Erfurter Jakob Geßner.

Über 171 Kilometer führte die erste Etappe von Weimar durch den thüringischen Wald nach Meiningen. Durchsetzen konnte sich auf der für Sprinter schwierigen Etappe der Australier Caleb Ewan (Lotto Soudal), der die Ziellinie um Haaresbreite vor dem Italiener Jonathan Milan (Bahrain – Victorious) und dem Deutschen Max Kanter (Movistar Team) überquerte.

Filippo Ganna, vor der Etappe Führender in der Gesamtwertung, kam mit dem Hauptfeld ins Ziel und behält nicht nur das Rote Trikot, sondern auch das Grüne Trikot des besten Sprinters. Eine Überraschung gab es dagegen im Kampf um das Blaue Trikot, das dem Besten am Berg gebührt. Dies schnappte sich der Erfurter Jakob Geßner vom Continental-Team Lotto Kern-Haus dank einer famosen Attacke.

Continental-Fahrer sorgen für Furore

Direkt nach Startschuss setzten sich Roman Duckert, Jakob Geßner, Joshua Huppertz sowie Michiel Stockman - alles junge Fahrer von deutschen Continental-Teams, quasi der dritten Liga im Radsport - vom Hauptfeld ab und bauten ihren Vorsprung zeitweise auf mehr als vier Minuten aus. Zwar wurde die Ausreißergruppe wenige Kilometer vor dem Ziel noch eingeholt, Geßner konnte aber jede Bergwertung für sich entscheiden.

In seiner Heimat Thüringen solch einen großen Erfolg zu feiern, sei etwas ganz Besonderes, erzählte Geßner nach dem Rennen. "Hier auf heimischen Straßen jetzt das Trikot tragen zu dürfen, ist schon sehr geil. Fast schon kitschig. Ich freu mich, morgen am Start zu stehen." Zwar werde der 22-Jährige den Moment genießen, aber klein beigeben wolle er nicht und darum kämpfen, das Blaue Trikot zu behaupten. "Wir konzentrieren uns auf die kleinen Punkte in der Bergwertung, quasi wie die kleine Raupe Nimmersatt."

Dank Wildcard am Start

Jakob Geßner fährt für das Team Lotto Kern-Haus, eines von drei deutschen UCI Continental-Teams, die von den Veranstaltern der Deutschland Tour eine Wildcard erhielten. Dies ist nur möglich, da die Rundfahrt keinen World-Tour-Status besitzt, also nicht in der höchsten Rennklasse des Weltsportverbandes UCI ausgetragen wird. Dort haben Continental-Teams keine Starterlaubnis. Neben dem Team Lotto Kern-Haus sind außerdem noch die Teams Dauner-AKKON aus Köln und Saris Rouvy Sauerland am Start.  

Gerade als Continental-Team sei der heutige Tag ein großer Erfolg, so Geßner. "Das ist die größte Rundfahrt, die wir in Deutschland haben. Und wir wollten uns hier nicht verstecken, das haben wir heute gezeigt."

Große Bühne Deutschland Tour

Normalerweise sind Continental-Teams auf kleineren UCI-Rennen und in der Rad-Bundesliga unterwegs. Umso mehr sei die Deutschland Tour eine wichtige Bühne, auf der sich die kleineren Teams präsentieren könnten, erzählt Heiko Volkert, Mitbesitzer des Sauerland-Teams. "Es ist einfach immer schön, wenn wir mit den Großen mitfahren dürfen. Und dann heute auch noch die Spitzengruppe zu besetzen, welche nur aus den drei deutschen Conti-Teams besteht.“

Das könne Sponsoren anlocken, die in den unteren Klassen eher schwer zu finden seien. Und auch sportlich sei die Teilnahme an der Deutschland Tour von großer Bedeutung. "Unsere Fahrer müssen Rennkilometer sammeln und sich mit denen messen, die eine oder zwei Ebenen höher fahren, zum Beispiel in der World- oder ProTour, damit sie merken, dass sie gar nicht so weit weg sind." Dorthin sind Continental-Teams in vielen Fällen das Sprungbrett, übernehmen sie doch häufig die wichtige Nachwuchsarbeit.

Die Rad-Bundesliga fährt unter dem Radar

Derzeit stellt das Team Saris Rouvy Sauerland vier der fünf besten Fahrer in der Rad-Bundesliga - ein Ergebnis der nachhaltigen und kontinuierlichen Arbeit des Teams, so Volkert. Doch von den Erfolgen bekommt die Öffentlichkeit kaum etwas mit, die Rad-Bundesliga der Männer und Frauen fährt vollkommen unter dem Radar.

Dabei würde eine größere Sichtbarkeit der nationalen Liga den kleinen Teams helfen. "Hätten wir mit der Bundesliga mehr Aufmerksamkeit, würden viele andere Dinge auch leichter fallen, zum Beispiel die Suche nach Sponsoren." Diese wären nämlich auch nötig, um eine höhere Lizenz bei der UCI beantragen zu können. Dazu fehlen dem Team von Volkert aber noch die finanziellen Mittel.

Einfach nur durchkommen

Nun gilt es für die Continental-Teams jedoch, einfach nur durchzukommen und hier und da, wie heute, Ausreißergruppen an den Start zu bringen. Volkert: "Wir wollen, dass alle Fahrer am Sonntag das Ziel erreichen. Ansonsten heißt es: Zeigen, durchkommen und im Mittelfeld mitschwimmen." Zumindest heute ist das schon einmal mehr als gelungen.