Aydan Özoguz, Babette Kibele und Christiane Schenderlein (v.l.n.r.)

Regierungswechsel in Berlin Neue Bundes-Sportpolitik: Weiblich, erfahren, fachfremd

Stand: 21.05.2025 15:52 Uhr

Mit der neuen Bundesregierung wechselt der Sport ins Kanzleramt und bekommt Führungskräfte ohne Sportexpertise. Hilft der Blick von außen?

Die Bundes-Sportpolitik ist neu sortiert, am Mittwoch (21.05.2025) konstituierte sich auch der Sportausschuss, der jetzt Ausschuss für Sport und Ehrenamt heißt. Der neue Titel ist eine von vielen Neuerungen, die mit dem Regierungswechsel in Berlin einhergehen.

Die wichtigste Änderung: Die Sportabteilung wechselt vom Innenministerium ins Kanzleramt und bekommt in Christiane Schenderlein (CDU) eine Staatsministerin für Sport und Ehrenamt an der Spitze. Ein lang gehegter Wunsch des organisierten Sports geht also in Erfüllung. Damit verbunden: die Hoffnung auf mehr Sichtbarkeit und einen direkten Draht zum Kanzler.

Was bringt der Wechsel ins Kanzleramt?

"Der Praxistest steht noch aus, aber diese institutionelle Neuausrichtung kann vor allem mit Blick auf die Aufmerksamkeit, die der künftigen Sportpolitik zuteil wird, neue Perspektiven entfalten", sagt Sportwissenschaftler Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln, im Sportschau-Interview. "Im Innenministerium war der Sport eine Abteilung unter vielen, zwar nicht unbedeutend, aber nicht mit der stärksten Aufmerksamkeit und ministeriellen Unterstützung versehen. Das kann im Kanzleramt mit einer eigenen Staatsministerin nun anders sein."

Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln

Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln

Auch Bouffier von der Personalie Schenderlein überrascht

Dass das Ministeramt an Schenderlein geht, eine 43 Jahre alte Politikwissenschaftlerin aus Leipzig, hat im Sport alle überrascht, selbst Volker Bouffier. Dabei ist es die Hauptaufgabe des Vorstandsmitglieds im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), als langjähriger CDU-Politiker enge Kontakte zur unionsgeführten Bundesregierung zu pflegen.

Dass Schenderlein, zuletzt kultur- und medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, neu im Bereich Sport ist, müsse kein Nachteil sein, sagte Bouffier im April im Sportschau-Interview. "Darin kann auch eine Chance liegen. Man kann sich einarbeiten und das Entscheidende ist, dass jemand für die Sache brennt."

Abteilungsleiterin Babette Kibele bringt Erfahrung mit

Neben der Staatsministerin hat auch Babette Kibele als künftige Abteilungsleiterin im Sportministerium keine Vergangenheit in der Sportpolitik, dafür umso mehr in Führungspositionen. Kibele hat mehr als 20 Jahre leitend im Bundesinnenministerium und im Kanzleramt gearbeitet, kennt das Tagesgeschäft also bestens - nur eben nicht den Sport.

"Es war ein erkennbares Ziel der schwarz-roten Koalition, sowohl auf CDU- als auch auf SPD-Seite mit neuem Personal in die neue Legislaturperiode zu gehen - nicht nur im Sport. Damit will sie einen Neustart und eine Abgrenzung von der zurückliegenden Wahlperiode zum Ausdruck bringen", sagt Sportwissenschaftler Mittag.

Breitensport noch mehr im Blick?

Schenderlein ist künftig neben dem Sport auch für das Ehrenamt zuständig und gab diesem Thema in ihrer Antrittsrede im Bundestag viel Raum mit Blick etwa auf Feuerwehren, Musikvereine oder Pflege, bevor sie zum Sport kam. Der Bund ist streng genommen nur für den Spitzensport zuständig, wirkt aber auch gerne auf den Breitensport ein, der im Aufgabenbereich der Länder und Kommunen liegt.

Staatsministerin Schenderlein würdigt das Ehrenamt

Sportschau

Dass Sport und Ehrenamt in Berlin nun oft im Gleichklang zu hören sind, deutet darauf hin, dass der Bund dem Breitensport noch mehr Aufmerksamkeit geben will.

Dauerthemen Olympia und Spitzensportförderung

Gleichwohl erwähnte Schenderlein in ihrer Rede natürlich auch die Dauerbrennerthemen im Bereich Spitzensport: die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele ("eine wirkliche Zukunftsaufgabe") und die Spitzensportreform ("Die Sportförderung muss deutlich unbürokratischer und flexibler werden.").

Letztere war auch ein Ziel der ambitioniert gestarteten Vorgängerregierung. Doch die Ampelkoalition konnte wegen Gegenwind aus verschiedenen Richtungen weder das geplante Sportfördergesetz noch den Sportentwicklungsplan verwirklichen. Inwiefern die neue Koalition die langjährige Vorarbeit aufgreift, ist eine der vielen offenen Fragen.

Aydan Özoguz (SPD) übernimmt Ausschuss-Vorsitz

Zu denen gehört auch, wie der für den Sport zuständige Ausschuss künftig agieren wird. Er ist von 19 auf 14 Mitglieder geschrumpft und behandelt künftig auch das Thema Ehrenamt. Der Vorsitz bleibt in SPD-Hand, wechselt aber von Frank Ullrich zu Aydan Özoguz. Sie ist damit die dritte Frau in zentraler sportpolitischer Position und die dritte fachfremde Kraft.

Der Ausschuss für Sport und Ehrenamt
Name des Mitglieds Partei
Artur Auernhammer CDU/CSU
Fritz Güntzler CDU/CSU
Jens Lehmann CDU/CSU
Stephan Mayer CDU/CSU
Dieter Stier CDU/CSU
Jörn König AfD
Thomas Korell AfD
Lars Schieske AfD
Jasmina Hostert SPD
Bettina Lugk SPD
Aydan Özoguz SPD
Ophelia Nick Bündnis 90/Die Grünen
Tina Winklmann Bündnis 90/Die Grünen
Christian Görke Linke

Zuletzt war die 58 Jahre alte Hamburgerin vier Jahre lang Vizepräsidentin des Bundestages und geriet Ende 2024 wegen eines umstrittenen Social-Media-Posts zum Gazakrieg in die Kritik. "Deswegen zeigte man sich in Berlin - auch seitens der eigenen Partei - zögerlich, ihr weiterhin eine hervorgehobene Funktion zuzuweisen", sagt Mittag.

Zwar könne auch bei Özoguz gelten, dass ein Blick von außen auf den Sport hilfreich sein könne. "Aber gerade der Sportausschuss wird nicht primär als ein parteipolitisches Gremium, sondern als ein Fachgremium gesehen. Von daher braucht es dort, so sehen es in Berlin viele Beobachter, auch eine gewisse sportpolitische Expertise. Deswegen wird sie in Berlin mit einer gewissen Skepsis gesehen", sagt Mittag.

Es gibt viel zu tun

Der DOSB will sich dieses Jahr nach mehreren Verzögerungen auf ein Konzept für die Olympiabewerbung einigen, der Spitzensport wartet weiterhin auf ein effizienteres Fördersystem und die marode Sportstättenlandschaft braucht eine deutlich sinnvollere Bundesförderung als zuletzt. Die Aufgabenliste für Christiane Schenderlein, Babette Kibele und Aydan Özoguz ist also lang.