Statuen vor dem Olympiastadion in Rom

Leichtathletik-EM in Rom Olympiastadion Rom - Bewegte Vergangenheit, magische Fußball-Nächte

Stand: 07.06.2024 22:02 Uhr

Nach 50 Jahren ist das Olympiastadion von Rom zum zweiten Mal Schauplatz für Leichtathletik-Europameisterschaften. Das Stadion blickt auf eine ereignisreiche, aber auch dunkle Geschichte zurück. Vor fast 100 Jahren begannen erste Arbeiten an der Arena, die zahlreiche große Sportmomente erlebte - von Weltrekorden bis zu magischen deutschen Fußball-Nächten.

Von Hendrik Lückhoff

Der gekrönte Kaiser allein in Rom: Dieses Bild hat sich in das kollektive deutsche Fußball-Gedächtnis gebrannt. Nach Sieg im WM-Finale 1990, als Andreas Brehme Deutschland mit seinem Elfmeter gegen Argentinien kurz vor Schluss zum Weltmeistertitel schoss, schlenderte Teamchef Franz Beckenbauer einsam und gedankenverloren über den Rasen des Olympiastadions. Ein legendärer Spaziergang und eine magische Nacht für den deutschen Fußball.

Zehn Jahre zuvor hatte Deutschland auch schon im "Olimpico" feiern dürfen. Zwei Tore von Horst Hrubesch bescherten der DFB-Elf 1980 den 2:1-Finalsieg gegen Belgien und den zweiten EM-Titel. Zwei große, deutsche Triumphe im geschichtsträchtigen Olympiastadion von Rom, das damals bereits einige geschichtsträchtige Momente beherbergt hatte.

"Olympiastadion" schon vor Olympia-Zuschlag

Der erste Vorgänger-Bau des heutigen Olympiastadions war das "Stadio dei Cipressi" (Zypressen-Stadion). 1927 wurde im Norden Roms, zwischen dem Monte Mario und dem Tiber, mit den Arbeiten begonnen. Fünf Jahre später war das Stadion fertiggestellt. Von Beginn an war es Teil des Sportstättenkomplexes "Foro Mussolini".

Das Areal diente zunächst der paramilitärischen, auf körperliche Ertüchtigung ausgerichteten Jugendorganisation des faschistischen Regimes um Diktator Benito Mussolini. 1937 fanden erste Um- und Ausbauarbeiten am Stadion statt, mit dem Ziel, die Olympischen Spiele 1940 nach Rom zu holen. Noch bevor eine Entscheidung über die Vergabe getroffen wurde, wurde die Arena in "Olympiastadion" umbenannt. Der zweite Weltkrieg machte einen Strich durch die Pläne und während des Krieges wurde das Stadion stark beschädigt.

Lazio Rom und AS Rom ziehen ein

Nach Umbauarbeiten erfolgte 1953 die Neueröffnung unter dem Namen "Stadio die Centomila" (Stadion der Hunderttausend). Seitdem tragen auch die beiden Fußball-Clubs AS Rom und Lazio Rom hier ihre Heimspiele aus. 1955 klappte es dann mit dem Zuschlag für die Sommerspiele für 1960, es folgten weitere Umbauten und die Arena bekam den Namen, den es bis heute trägt: "Stadio Olimpico di Roma", wobei es in Italien nur "Stadio Olimpico" oder kurz "Olimpico" genannt wird. Theoretisch hatten bis zu der Zeit 100.000 Besucher Platz, das Italienische Olympische Komitee reduzierte die Zuschauerzahl für die Spiele aber auf 65.000.

Große Leichtathletik-Momente in der neuen "Schüssel"

Während der Olympischen Spiele 1960 erlebte die Stätte ihre ersten bedeutenden Sport-Momente. Die US-Amerikanerin Wilma Rudolph sorgte mit ihren drei Goldmedaillen im Sprint für die Sensation in der Leichtathletik. Und "Blitzstarter" Armin Hary gelang hier der bislang einzige deutsche Olympiasieg über die 100 Meter. Es folgten die Leichtathletik-Europameisterschaften 1974 und die WM 1987.

1968 fand in Italien die erste offizielle Fußball-Europameisterschaft statt, auch wenn es das insgesamt dritte europäische Turnier für Nationalmannschaften war. Nachdem im ersten EM-Endspiel der Geschichte im Olympiastadion von Rom zwischen Italien und Jugoslawien mit 1:1 nach Verlängerung kein Sieger gefunden wurde, setzte sich der Gastgeber im Wiederholungsspiel zwei Tage später mit 2:0 durch.

Umbau für die WM 1990

Mit einem WM-Sieg im eigenen Land wurde es 1990 bekanntlich nichts. Die Deutschen jubelten im Olympiastadion, das zuvor umfassend saniert und stark verändert worden war. Die Zuschauer-Kapazität liegt seitdem bei ca. 73.000. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde unter anderem das bis heute bestehende gewaltige weiße Dach errichtet, das an Sonnensegel erinnert und die Tribünen vollständig überspannt. Die ovale Konstruktion fügt sich in das Areal rund ums Stadion ein, das geprägt ist von weißen Marmor-Statuen und -Monumenten.

1996 und 2009 fand im Olympiastadion das Champions-League-Finale statt, 2021 war es Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft, unter anderem wurde das Eröffnungsspiel an der historischen Stätte ausgetragen. Hierfür wurde das "Olimpico" bislang letztmals renoviert.

Großes Sport-Areal rund um das Stadion

Das Olympiastadion von Rom ist das Herz des großen, monumentalen Sportkomplexes "Foro Italico" (früher "Foro Mussolini"). Es umfasst unter anderem das neben der großen Arena liegende "Stadio dei Marmi" (Marmorstadion), ein ovales, offenes Leichtathletik-Stadion mit fast 59 überlebensgroßen "heroischen" Sportlerfiguren aus weißem Marmor. Hier werden sich die Athletinnen und Athleten während der Leichtathletik-EM 2024 vor ihren Wettkämpfen aufwärmen.

Teil des "Foro Italico" sind auch Schwimmstätten, in denen bereits zwei Mal Weltmeisterschaften ausgetragen wurden. Daneben gibt es auch Tennis-Arenen auf dem Areal, hier finden jährlich die Masters- bzw. 1000er-Turniere der Herren- und Damen-Profi-Tour statt. Auch Beachvolleyball-Weltmeisterschaften wurden hier bereits ausgetragen.

Bau mit dunkler Vergangenheit

Direkt nach dem zweiten Weltkrieg wurde das "Foro Mussolini", ein Großprojekt der Faschisten um "Duce" Benito Mussolini, in "Foro Italico" umbenannt. Die dunkle Vergangenheit wollte man hinter sich lassen. Und trotzdem findet sich bis heute faschistische Symbolik rund ums Olympiastadion. Bodenmosaike huldigen dem "Duce" und nach wie vor steht der fast 18 Meter hohe und rund 300 Tonnen schwere weiße Mussolini-Obelisk in der Mitte des Areals. Darauf ist auch fast 80 Jahre nach Ende des Krieges noch in großen römischen Lettern die Inschrift "Mussolini Dux" (Mussolini, der Führer) zu lesen. Die Entfernung der Schriftzeichen fand bisher genauso wenig eine politische Mehrheit wie die Anbringung einer Erklärungstafel.

Mussolini-Obelisk (Mussolini-Monolith) im Zentrum des Foro Italico in Rom, eines der wichtigsten Bauprojekte während des faschistischen Regimes in Italien.

Mussolini-Obelisk im Zentrum des "Foro Italico" in Rom, eines der wichtigsten Bauprojekte während des faschistischen Regimes in Italien.

Neue, blaue Laufbahn für die EM

Was das Olympiastadion angeht, finden nun, genau 50 Jahre nach den ersten Leichtathletik-Europameisterschaften in Rom wieder kontinentale Titelkämpfe an Ort und Stelle statt. Im Stadion wurde für die EM eine neue, blaue Laufbahn verlegt. Auch das angrenzende "Stadio dei Marmi" wurde renoviert, um den Sportlerinnen und Sportlern eine noch bessere Vorbereitung zu ermöglichen.

AS Rom will aus Olympiastadion ausziehen

Die fußballerische Zukunft des Olympiastadions ist derweil ungewiss. Bislang teilen sich die beiden Hauptstadtclubs AS Rom und Lazio Rom aus der Serie A die Arena. Die AS Rom will aber ausziehen, plant eine neue, eigene und auf Fußball ausgerichtete Arena ohne Laufbahn. Ende des Jahres sollen dafür die Bauarbeiten beginnen. Für die Fußball-Fans ist das riesige "Olimpico" nicht sonderlich attraktiv, die Plätze sind durch die Laufbahn und die relativ flach ansteigenden Tribünen weit vom Spielfeld entfernt. In der abgelaufenen Spielzeit war das Stadion bei keinem Spiel beider Teams ausverkauft, gerade bei Partien von Lazio war das Stadion oft nichtmals zur Hälfte gefüllt.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 07.06.2024 | 09:55 Uhr