Portugals Mannschaft mit dem EM-Pokal 2016

EM 2024 Gruppendritte kommen weiter - die Probleme beim Modus

Stand: 22.06.2024 20:24 Uhr

Dass auch Gruppendritte weiterkommen, ist für manche Teams ungerecht. Trotzdem hält die UEFA auch bei der EM 2024 am Modus mit den Gruppen fest - anders als im Europapokal.

Durch die Zahl von 24 Mannschaften braucht es neben den sechs Gruppensiegern und den sechs Gruppenzweiten die vier besten Gruppendritten, um das Achtelfinale mit 16 Teams zu komplettieren. Vier Tage lang entsteht und verändert sich während der letzten Gruppenspiele die dafür entscheidende Rangliste der Gruppendritten. Einige Mannschaften wissen also vor dem Anpfiff, was sie für das Erreichen des Achtelfinals brauchen - andere Teams wissen das nicht.

Schlechte Leistungen werden belohnt

Und es kann zu unwürdigen Turnierphasen kommen. 2016 belegte Albanien in der Gruppe A Platz drei und wartete anschließend drei Tage lang im Teamhotel auf die Gewissheit, ausgeschieden zu sein. Sportlich mäßige Leistungen werden darüber hinaus belohnt: Portugal gewann in der Gruppenphase 2016 kein einziges Spiel, kam aber mit drei Unentschieden ins Achtelfinale und holte am Ende den EM-Titel. Von 24 Teams scheiden nach der Gruppenphase nur acht aus.

Der Modus galt auch bei den Weltmeisterschaften 1986, 1990 und 1994. In Mexiko 1986 kamen Uruguay und Bulgarien mit zwei Punkten als beste Gruppendritte weiter.

Zahl der Teams bleibt das Problem

Das entscheidende Problem bleibt die Anzahl der Teilnehmer. Da die Zahl von 24 Teams nicht durch die Zahl von 16 Teilnehmern am Achtelfinale teilbar ist, bleibt die UEFA auf die vier besten Gruppendritten angewiesen. Um das Problem zu lösen, gäbe es drei Möglichkeiten:

  1. Das Turnier wieder auf 16 Mannschaften verkleinern - was aus kommerziellen Gründen unwahrscheinlich sein dürfte.
  2. Das Turnier auf 32 Mannschaften vergrößern. Dieser Plan wurde verfolgt und verworfen, weil die Qualifikation bei 55 UEFA-Teams fast überflüssig und damit schwer an TV-Sender zu verkaufen wäre. Schon die Aufstockung auf 24 Teams zur EM 2016 sorgte für Kritik. "Der sportliche Wert einzelner Spiele, aber auch des gesamten Wettbewerbs sinkt", sagte Bundestrainer Joachim Löw damals.
  3. Ein neuer Modus.

Die UEFA wählte eine vierte Variante: 2024 geht es trotz der Negativ-Beispiele von 2016 und 2021 weiter wie bisher, trotz aller Probleme. Diese werden schon in zwei Jahren erneut sichtbar werden: Der Weltverband FIFA weitete die WM auf 48 Teams aus, also die doppelte Anzahl im Vergleich zur EM. Auch 2026 bei der WM in den USA, Mexiko und Kanada werden die besten Gruppendritten weiterkommen, um ein Sechzehntelfinale zu bilden.

Vierergruppen seit jeher mit Problemen

Der altbekannte Modus mit den Vierergruppen birgt seit jeher sportliche Probleme, was sich auch bei der EM 2021 zeigte:

  • In der Gruppe A trafen Italien und Wales am letzten Spieltag aufeinander - mit einem Unentschieden wären beide Teams weiter gewesen. Zumindest theoretisch war das Spiel also absprachefähig, was für die Integrität des Wettbewerbs schlecht ist. Italien gewann mit 1:0, am Ende kamen beide trotzdem weiter.
  • Das Gleiche galt in Gruppe D für das Spiel zwischen England und Tschechien - beiden hätte ein Unentschieden gereicht. England gewann 1:0, auch hier kamen beide weiter.
  • In Gruppe C spielten die Niederlande als feststehender Gruppensieger gegen Nordmazedonien als bereits ausgeschiedenes Team. Fans hatten für dieses sportlich unbedeutende Spiel bis zu 185 Euro für die regulären Plätze im Stadion bezahlt.

Auch im Europapokal gab es solche Probleme. Sie waren Teil der Begründung, warum die UEFA in der Champions League, der Europa League und der Europa Conference League ab der Saison 2024/25 das Zeitalter der Gruppenspiele nach Jahrzehnten beenden und ein Ligaformat einführen wird. Doch bei der EM geht es weiter wie bisher.

Tiefgreifende Änderungen in der Champions League

Die Funktionäre der UEFA schwärmen davon, dass im Europapokal künftig "jedes Spiel zählt", neue Aufregung entstehe und das Problem der toten oder theoretisch absprachefähigen Spiele am letzten Spieltag beseitigt sei. Wenn dieser Modus hält, was die UEFA verspricht, ist er also eine Verbesserung. Warum kann die EM nicht auch davon profitieren?

Giorgio Marchetti, stellvertretender Generalsekretär der UEFA, sagte bei einem Medientermin zur Reform der Champions League, dass die Zahl der Spiele im Vergleich zum Europapokal kleiner sei und man deshalb von dem Format absehe. In der Champions League hat jedes Team in der Liga acht Spiele, bei der EM wären es nur drei. Auch die EM 2025 der Frauen in der Schweiz wird im bekannten Gruppenformat gespielt. Grundsätzlich halte man sich zumindest die Option für die künftigen Turniere wie die EM der Männer 2028 offen, so Marchetti.

Giorgio Marchetti, stellvertretender Generalsekretär der UEFA

Giorgio Marchetti, stellvertretender Generalsekretär der UEFA

Gründe, die gegen den Champions-League-Modus bei der EM sprechen:

  • Durch die geringe Anzahl an Spielen wären viele Teams nach Punkten oder sogar Toren gleich, die Entscheidung würde möglicherweise häufiger als bisher über untergeordnete Faktoren wie die Fairplaywertung fallen.
  • Am letzten Spieltag müssten alle Partien gleichzeitig stattfinden. Es gäbe ungleiche Bedingungen, was die Ruhetage vor den entscheidenden Spielen angeht.
  • Außerdem spielt möglicherweise ein kommerzieller Aspekt eine Rolle. Wenn am letzten Spieltag alle zwölf Spiele gleichzeitig stattfinden, gäbe es nur einen statt jetzt sechs Sendetermine, was zu weniger Einnahmen führen könnte.

Die Finanzen waren auch ein Grund für den aktuellen Modus der EM mit 24 statt zuvor 16 Teams, der 2016 eingeführt wurde - mehr Teams bedeuten mehr Spiele. Auf jede Ausweitung des Teilnehmerfelds folgte ein Sprung bei den Einnahmen der UEFA.

Einnahmen EM-Turniere (Quelle: UEFA)
Turnier Einnahmen € Anzahl Teams
1992 40,9 Mio. 8
1996 147,3 Mio. 16
2000 229,9 Mio. 16
2004 855,2 Mio. 16
2008 1.350,9 Mio. 16
2012 1.390,9 Mio. 16
2016 1.916,0 Mio. 24
2021* 1.882,5 Mio. 24

*Zuschauerbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie