Präsident Silvio Berlusconi (AC Mailand) neben der Champions League Trophäe im Jahr 2007

Tod eines Tribuns Zum Tod von Silvio Berlusconi - der Fußball ebnete ihm den Weg

Stand: 12.06.2023 22:46 Uhr

Silvio Berlusconi ist tot. Er starb im Alter von 86 Jahren am Montag (12.06.2023) im Krankenhaus San Raffaele in Mailand, in dem er zuvor bereits fast zwei Monate verbracht hatte, um eine Leukämie und eine Lungenentzündung zu besiegen. In Italien wurde Staatstrauer ausgerufen. Berlusconi soll am Mittwoch im Dom von Mailand beigesetzt werden.

Von Tom Mustroph

Das ist der Ort, an dem die Mailänder Fußballklubs gewöhnlich ihre großen Siege feiern. Unter Silvio Berlusconi als Besitzer und Präsident gewann der AC Mailand acht Meistertitel, dreimal die Champions League und zweimal den Europapokal der Landesmeister. Hinzu kamen zahlreiche andere Pokale in der Coppa Italia, dem italienischen Supercup, UEFA Supercup und FIFA Klub-WM. Insgesamt 29 Trophäen in 31 Jahren kamen zusammen – jede Menge Grund zum Feiern am Dom also. Berlusconi liebte es auch, sich von den Pokalen umrahmt fotografieren zu lassen.

Praesident Silvio Berlusconi (l) und Zweifacher Torschuetze Filippo Inzaghi (r)

Der Mailänder Dom war allerdings auch der Ort, an dem im Dezember 2009 ein offenbar verwirrter Mann eine Messerattacke auf den damaligen Ministerpräsidenten und Besitzer des AC Mailand verübte. Berlusconis Stern war damals allerdings schon am Sinken. Der AC Mailand war angesichts der Großinvestments vor allem in der Premier League in Europa nicht mehr konkurrenzfähig. Im politischen Feld musste Berlusconi den Aufstieg anderer Kräfte rechts von der von ihm gegründeten Forza Italia hinnehmen.

2011 musste er gar erleben, dass nicht einmal ein verzweifelter Appell der Vereinigung der Fanklubs des AC Mailand an alle Mitglieder, den Namen Berlusconi auf die Wahlzettel zu schreiben, für einen Sieg seines Lagers bei den Kommunalwahlen 2011 reichte. Mailand ging an den Kandidaten der Mitte-Links-Koalition. Wenige Monate später trat Berlusconi als Regierungschef zurück.

Über mehrere Jahrzehnte hat er aber in einzigartiger Weise Politik, Wirtschaft und Sport Italiens geprägt.

Aufstieg in "Apocalypse Now"-Manier

Sein Aufstieg begann wie in einem Hollywood-Opus. Klänge von Richard Wagners "Walküre" dröhnten aus den Lautsprechern, als am 18. Juli 1986 in einer Anlehnung an "Apocalypse Now" ein Hubschrauber über dem Oval der Arena Civica, einem früheren Trainingsgelände des AC Mailand, einflog. Unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen und dem Jubel der Fans entstieg Silvio Berlusconi dem Hubschrauber. Fünf Monate zuvor hatte er den traditionsreichen, aber zuletzt wenig erfolgreichen Fußballklub erworben.

Am Tag der Vertragsunterschrift im Fußballgeschäft durfte er auch einen großen Erfolg als Medienunternehmer feiern. "Wir flogen unmittelbar danach nach Paris, um der Austrahlung der ersten Sendung unseres neuen Kanals 'La Cinq' beizuwohnen. Das war der erste Privatsender in Frankreich überhaupt", erinnerte sich Adriano Galliani, rechte Hand Berlusconis nicht nur im Fußball. In jener Nacht wurde im Restaurant Jules Verne im Eiffelturm "mit viel Champagner und einem unvergleichlichen Bordeaux Mouton Rothschild" gefeiert, erzählte Galliani weiter. Den ersten großen Erfolg im Fußball gab es ein Jahr später mit dem Scudetto.

Erfolg mit den Helden der Gegner

Ercoacht hatte ihn Arrigo Sacchi, ein Revolutionär des Offensivfußballs. Sacchi hatte als Trainer des unterklassigen AC Parma Berlusconis neuen Klub aus dem Pokal geworfen. Der engagierte Sacchi umgehend. Es war ein Muster für Transfergeschäfte auch mit Spielern. Ruud Gullit etwa setzte für seinen damaligen Klub PSV Eindhoven dem AC Mailand in einem Freundschaftsspiel so stark zu, dass Berlusconi ihn unbedingt auf seiner Seite haben wollte. So begann die Goldene Ära im Zeichen des "Oranje"-Trios Gullit, Marco van Basten und Frank Rijkaard in Mailand.

Es war die Zeit, in der die Rotschwarzen in den Champions-League-Finalen Dauergast waren, fünf Mal in sieben Jahren im Endspiel standen und den Wettbewerb dreimal gewannen. Auf dem Höhepunkt, in der Saison des dritten Triumphs im höchsten europäischen Klubwettbewerb, stieg Berlusconi auch in die Politik ein.

Rückenwind durch den Sport auch für die politische Karriere

Das war ein wohl kalkulierter Schritt. Denn der Politiknovize konnte auf die Unterstützung der Millionen Fans des AC Mailand bauen. Auch seine Erfolge als Bauunternehmer und Medienmogul ließen ihn in vielen Augen als Lichtgestalt erscheinen.

Berlusconi profitierte allerdings auch von den Bestechungsskandalen um die etablierten Parteien sowie vor der Angst vieler vor einem Linksrutsch in der italienischen Politik. Seine eigener Antikommunismus ist legendär, beobachtete schon sein engster Weggefährte Galliani. "Als wir uns kennenlernten, lautete seine erste Frage an mich, was ich dazu denke. Und ich sagte ihm, dass mein Vater immer gesagt hätte, die Kommunisten fräßen kleine Kinder. Berlusconi erhob sich daraufhin, umarmte mich und sagte: 'Mein Vater hat immer das Gleiche gesagt.'"

Als opportunistischer Geschäftsmann, der Berlusconi auch war, hielt ihn dies nicht davon ab, seinen Herzensklub im Jahr 2015  ganz offen dem chinesischen Staatsführer Xi Jinping anzutragen. Zwei Jahre später ging der AC Mailand dann an einen chinesischen Investor, der freilich Kreditlinien nicht bedienen konnte und den Klub deshalb an den Investmentfonds Elliott abgeben musste.

Unternehmer und Politiker der Skandale

Berlusconis Zeit als Klub-Präsident war neben allen Erfolgen auf dem Fußballplatz auch von zahlreichen Skandalen und Gerichtsverfahren geprägt. Einige seiner Vertrauten wurden wegen Geschäften mit der Cosa Nostra angeklagt. Mafiagelder sollen auch in seine Bauunternehmen geflossen sein. Er selbst stand im Mittelpunkt eines Sexskandals mit Minderjährigen, dem sogenannten Ruby-Gate.

Die meisten Prozesse endeten aber mit Verjährung, Freispruch oder Amnestie. Seine politischen Gegner warfen ihm wiederholt vor, seine Regierungszeit auch für Justizreformen genutzt zu haben, die Untersuchungen gegen ihn und seine Vertrauten erschwerten.

In seinen letzten Jahren war er vor allem durch sein Alter und seine gesundheitlichen Probleme geschwächt. Einziger nennenswerter Erfolg ist der AC Monza, der mit seinem Geld und dem Knowhow und Netzwerk seines alten Adlatus Galliani den Aufstieg von der 3. Liga bis in die Serie A schaffte.

Verzwicktes Erbe

Im Fußball hinterlässt Berlusconi vor allem Legenden und Pokale. Kurz nach seinem Tod schlug der einstige Mailand-Profi Filippo Galli sogar vor, das neu zu bauende Stadion des AC Mailand nach dem alten Patron zu benennen.

Wesentlich umstrittener ist das Erbe als Geschäftsmann und Politiker. Die Zukunft seiner Partei ohne ihn ist unklar. Sein Vermögen wird auf 7 Milliarden Dollar geschätzt. Es reicht von der Villa Arcore in Sichtweite des Stadions in Monza über den Medienkonzern Mediaset und die Familienholding Fininvest bis hin zu Immobilienprojekten auf der Karibikinsel Antigua.

Ein verblüffendes Signal ist, dass die Aktienkurse seiner Unternehmen kurz nach der Todesnachricht um einige Prozent zulegten. Die Finanzmärkte sehen in Berlusconis Unternehmen ohne den Gründer offenbar mehr Potenzial als noch zu dessen Lebzeiten.