Fans brennen beim Pokalfinale in Berlin Pyrotechnik ab

Pyrotechnik im Fußball Regionalligist Jena mit Verfassungsbeschwerde gescheitert

Stand: 06.06.2023 11:43 Uhr

Der Konflikt um Pyro im deutschen Fußball spitzt sich weiter zu. In den Stadionkurven brennt es mehr, denn je. Das Bundesverfassungsgericht wies eine Beschwerde gegen die Strafzahlungen des DFB an die Vereine ab.

Bengalos, Knallkörper, Leuchtraketen - beim DFB-Pokalfinale am vergangenen Samstag (03.06.2023) zwischen Eintracht Frankfurt und Rasenballsport Leipzig haben Fans beider Klubs massiv Pyrotechnik gezündet. Die Bilanz laut Berliner Polizei: 36 verletzte Einsatzkräfte, die unter anderem Knalltraumata und Rauchvergiftungen erlitten hätten.

Der DFB wird die beiden Vereine für das Abbrennen von Pyro in ihren Fankurven nun wohl entsprechend zur Kasse bitten. Und das, obwohl der Verband selbst Veranstalter des Endspiels gewesen ist. Der Verband spricht also eine Strafe aus für etwas, das er als Verantwortlicher in diesem Fall nicht verhindern konnte.

Dabei müsste der DFB als Veranstalter eigentlich eine Strafe gegen sich selbst verhängen. Denn wenn der Verband Strafen gegen Vereine ausspricht, beruft er sich in der Regel darauf, dass die Klubs etwa bei Ligaspielen als Veranstalter in der Pflicht sind, für Sicherheit zu sorgen und das verbotene Abbrennen von Pyrotechnik zu verhindern.

Rechtsweg ausgeschöpft

Dieses Vorgehen sorgt seit Jahren für Ärger. Der Regionalligist FC Carl Zeiss Jena hat sich dagegen juristisch zur Wehr gesetzt. Der Klub, der in der Vergangenheit rund 100.000 Euro Strafzahlungen wegen Pyro-Vergehen seiner Anhänger an den DFB entrichten musste, berief sich dabei auf den Grundsatz: "Keine Strafe ohne Schuld."

Der Verein, so die Argumentation, tue als Veranstalter alles erdenkliche, um Pyro im eigenen Stadion zu verhindern. Selbst verstärkte Stadionkontrollen, der Einsatz von Spürhunden, oder Nachtwachen vor Risikospielen hätten aber am Ende nichts genützt. Deshalb treffe den Verein eben keine Schuld. Die Gerichte mochten dem FC Carl Zeiss Jena dabei durch alle Instanzen jedoch nicht folgen.

Auch der Weg vor das Bundesverfassungsgericht (BVG) ist jetzt gescheitert. Eine Verfassungsbeschwerde des Klubs wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Auf sportschau.de-Anfrage teilte das BVG mit, die Beschwerde sei unzulässig gewesen. Damit ist der Rechtsweg ausgeschöpft. Doch der Konflikt um Pyrotechnik bleibt weiter ungelöst.

DFB sieht sich gestärkt

Für viele Fans sind Bengalos Kulturgut, für den Deutschen Fußball-Bund DFB gehören sie nicht ins Stadion. Nach DFB-Leitfaden kostet das Abrennen von pyrotechnischen Gegenständen in der Bundesliga 1.000, in der 3. Liga nur noch 350 Euro. Insgesamt verhängte der DFB in der Saison 2019/20 Geldstrafen in Höhe von ca. zwei Millionen Euro, die der DFB immer für wohltätige Zwecke spendet.

Der Verband sieht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage als Anerkennung dafür an, dass die vom Sportgericht verhängten Geldstrafen nicht als strafähnliche Sanktionen für in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten von Anhängern zu werten seien. Sondern als präventive Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Zuschauerausschreitungen.

Die Frage, was diese Entscheidung nun in Hinblick auf die andauernde und kontrovers geführte Pyro-Debatte im deutschen Fußball bedeute, lässt der DFB unbeantwortet. Dabei hat die gerade abgelaufene Spielzeit deutlich gemacht, dass es verstärkt in den Stadionkurven brennt. Die "taz" berichtet, dass allein im März 2022 in den ersten drei Profiligen knapp 440.000 Euro an Strafzahlungen zusammengekommen seien. Fast dreimal so viel, wie im März 2019.

Kein Dialog

Die Fanorganisation "Unsere Kurve", in der sich aktive Anhänger von der Bundesliga bis runter zur Regionalliga zusammengeschlossen haben, sieht darum dringenden Gesprächsbedarf. So betont der 1. Vorsitzende Jost Peter auf sportschau.de-Anfrage, dass der Weg über ordentliche Gerichte die Probleme nicht lösen werde: "Dass der FC Carl Zeiss Jena diesen Weg bis zum Bundesverfassungsgericht gegangen ist, zeigt nur einmal mehr, wie dringend in der Sache konstruktiv miteinander gesprochen werden muss."

Für den DFB dagegen sei nun in letzter Instanz sichergestellt, dass die hauseigenen Rechtsorgane ihre Arbeit entsprechend fortsetzen könnten. Dazu gehöre auch die Unterstützung und Mitwirkung der Vereine, die Zugang zu ihren Anhängern hätten und "Einfluss auf diese nehmen können".

Für "Unsere Kurve" hat der damit verbundene Status quo "Fackeln zählen und Rechnung stellen" keinerlei Wirkung. Vielmehr fehle seit langem ein Aufschlag für einen strukturierten und belastbaren Dialog zum Thema zwischen Fans, Verbänden und Vereinen. Den hatte es ja schon einmal 2011 gegeben, doch der DFB hat den damaligen Dialog mit der Faninitiative "Pyrotechnik legalisieren" ohne Begründung abgebrochen.

Neue Vorstöße bisher verpufft

Mittlerweile fordern auch immer mehr Verantwortliche aus der Bundesliga ein Umdenken. "Mit Verboten erreichst du in der Fußball-Szene nichts", machte der Trainer des 1. FC Köln, Steffen Baumgart, kürzlich deutlich. Und ergänzte, dass das Problem, wie es momentan angegangen werde, so definitiv nicht gelöst werde.

Auch Hertha-Präsident Kay Bernstein hat sich im vergangenen Herbst für eine Teillegalisierung von Pyro ausgesprochen. Bengalos sollten dafür in einem geregelten Bereich kontrolliert abgebrannt werden. Ähnliche Ideen hat auch schon Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald geäußert. Allerdings sind bisher alle diese Vorstöße verpufft.

Steffen Baumgart - "Müssen langsam eine vernünftige Lösung finden"

Sportschau, 19.03.2023 19:00 Uhr

Vorbilder für konstruktive Lösungen hat es dabei schon im Ausland gegeben. Als Rapid Wien aus der österreichischen Bundesliga bis 2018 pro Heimspiel 50 Fackeln "frei" benutzen durfte, ist die illegale Pyrotechnik-Nutzung beim Klub um 90 Prozent zurückgegangen. Doch mittlerweile herrscht auch dort wieder ein striktes Pyro-Verbot. Das hält die Fans aber auch dort nicht davon ab, weiter massiv Bengalos in der Stadionkurve zu zünden.