Financial Fairplay - bald kommen neue Regeln. Im Bild: Kylian Mbappé (r.) mit Lionel Messi

Europas Fußball am Scheideweg Der Kampf ums Financial Fairplay

Stand: 06.09.2021 06:00 Uhr

Das Financial Fairplay der UEFA steht vor seiner Abschaffung. Die UEFA will neue Regularien ausrufen, viele Interessengruppen machen Druck. Wird es weiter Einschränkungen für Investoren geben oder nicht? Die entscheidende Phase der Verhandlungen bricht an.

Für die Zukunft des europäischen Fußballs stehen entscheidende Tage an, denn auch die finanziellen Regularien bestimmen darüber, wie der Fußball langfristig aussehen wird.

Warum es neue Regeln geben soll

Die alten Regeln lauteten vereinfacht: Ein Klub darf in den zurückliegenden drei Jahren ein Defizit von maximal 30 Millionen Euro aufweisen, das durch externe Geldgeber ausgeglichen werden kann. Ansonsten kann es zu Sanktionen kommen. Damit ist die Zuwendung von Investoren eingeschränkt. Angesichts der Pandemie wurden die Regeln allerdings aufgeweicht.

Die Klubvereinigung ECA kritisierte zuletzt, dass das System nicht mehr funktioniere. Wegen der Corona-Jahre in den Bilanzen könne man den finanziellen Zustand der Klubs mit einem Blick in die Vergangenheit nicht mehr richtig bewerten. Auch in Teilen der UEFA gibt es diese Ansicht. Das mögliche neue System würde dagegen stets die aktuelle Situation bewerten.

Gehaltsobergrenze und Luxussteuer - wie der neue Vorschlag aussieht

Eine Kontrolle und Sanktionierung "fast in Echtzeit" - das wird von den meisten Beteiligten befürwortet. Das Grundprinzip lautet: Die Einnahmen eines Klubs sollen zu maximal 70 Prozent in den Kader gesteckt werden dürfen, gemeint sind vor allem Ablösesummen, Beraterhonorare und Gehälter. Es wäre sozusagen eine Gehaltsobergrenze.

Der Vorschlag sieht aber eine Legalisierung von Verstößen vor. Mit einer sogenannten "Luxussteuer" können sich Klubs eine eigentlich verbotene Überfinanzierung erkaufen, das Geld soll auf die anderen Klubs verteilt werden. Im Wiederholungsfall soll es zu Sanktionen kommen - wie viele Wiederholungen möglich sind, ist noch nicht bekannt.

Worüber es Streit gibt

Nach Informationen der Sportschau sieht der Vorschlag neben der sogenannten "Luxussteuer" einige weitere Details vor, die vor allem im deutschen Fußball auf Ablehnung stoßen. Die Obergrenze bezieht sich in den aktuellen Diskussionen in der UEFA nur auf die 25 Spieler, die im Europapokal für die sogenannte A-Liste angemeldet werden. Zudem ist bei der Einnahmenseite der Betrag, der von einem Investor kommt, im aktuellen Vorschlag nicht mehr gedeckelt.

Wir stehen am Scheideweg. Entweder werden Investoren künftig weiter eingeschränkt - oder eben nicht mehr.

Die Befürchtung ist, dass manche Klubs dadurch beispielsweise viele junge Spieler "horten" und diese nur national einsetzen oder auf Wertsteigerungen "zocken". Auch alle anderen Personalkosten wären uneingeschränkt, beispielweise bei Mitarbeitenden in der Auslandsvermarktung. Ein klarer Vorteil für die ganz großen Klubs. "Wir stehen am Scheideweg", sagt ein an den Verhandlungen beteiligter Funktionär im Gespräch mit der Sportschau. "Entweder werden Investoren künftig weiter eingeschränkt - oder eben nicht mehr."

Wo der deutsche Fußball steht

Im deutschen Fußball wird der aktuelle Vorschlag nach Informationen der Sportschau sehr kritisch gesehen. Die DFL hat in einem Positionspapier zu ihrer "Taskforce Zukunft Profifußball" am 19. August ihre beiden wesentlichen Forderungen dargelegt:

  1. "Die DFL unterstützt Maßnahmen zur Stärkung der finanziellen Stabilität plus Kostenrationalität sowie deren strikte Implementierung/Sanktionierung".
  2. "Die DFL lehnt Vorschläge zur Deregulierung/Liberalisierung von Investoren-Geldern ab."

Die DFL spricht dort öffentlich von "schwierigen Verhandlungen". Das sind ungewöhnlich deutliche Worte in der Sportpolitik, die aus deutscher Sicht den Ernst der Lage belegen. Das Problem: Die Coronakrise und auch die eigene Misswirtschaft in der Zeit vor der Pandemie haben viele Klubs in Europa in finanzielle Bedrängnis gebracht. Finanzielle Einschränkungen sind dort derzeit eher nicht gefragt. Hinzu kommt, dass im Ausland viele Klubs auf Investoren setzen.

Das wiederum ist auch ein Grund für die deutsche Position: In Deutschland sind die meisten Klubs durch die 50+1-Regel mitgliederbestimmt und damit unabhängig von Investoren. Sollten aber von Investoren geführte Klubs nicht mehr eingeschränkt werden, wäre das ein großer Nachteil für die Bundesliga.

Welche Position die UEFA vertritt

Der Begriff des Financial Fairplay gilt seit jeher als irreführend. Bei der Einführung ging es nur darum, den finanziellen Kollaps vieler Klubs zu verhindern - nicht um Chancengleichheit. Die wäre wohl nur durch eine gleichmäßigere Geldverteilung im Europapokal zu erreichen, aber eine solche Maßnahme ist nicht in Sicht.

Der UEFA-Zentrale in Nyon

Der UEFA-Zentrale in Nyon

Mit Blick auf die neuen finanziellen Regularien äußerte sich UEFA-Präsident Aleksander Ceferin wenig hoffnungsvoll, dass diese zu einem spannenderen Wettbewerb führen könnten. "Ich glaube nicht, dass wir die Lücke zwischen großen und kleinen Klubs vollständig schließen oder auch nur verkleinern können. Aber wir können sie zumindest etwas langsamer wachsen lassen", sagte Ceferin der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Wer die Verhandlungen prägt

Eine entscheidende Person dürfte Nasser Al-Khelaifi werden, der Präsident von Paris Saint-Germain. Seit dem Debakel von zwölf anderen Klubs um die Super League ist er Vorsitzender der Europäischen Klubvereinigung ECA. Er sitzt im mächtigsten Gremium der UEFA, dem Exekutivkomitee. Al-Khelaifi ist Chef des Sportsenders BeIN Sports, der regelmäßig TV-Rechte bei der UEFA erwirbt, und er stand treu an der Seite der UEFA und deren Präsident Ceferin, als es den Angriff der Super League abzuwehren galt. Al-Khelaifis Einfluss in der UEFA ist also groß.

Klubs wie Paris, aber auch Manchester City und Chelsea sind von Investoren geführt, die keinen Gewinn erzielen wollen. Ihr einziges Ziel ist Prestige, und dabei helfen spektakuläre Transfers wie der von Lionel Messi. Einschränkungen bei den Finanzen sind eher hinderlich und damit unerwünscht. Für sie ist der aktuell diskutierte Vorschlag ein Vorteil.

Welche deutschen Funktionäre mitwirken, und was erreicht werden kann

Die Ausgangslage aus Sicht des deutschen Fußballs ist also schlecht, aber nicht aussichtslos. DFB-Vizepräsident Rainer Koch und der frühere Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge sitzen im Exekutivkomitee, das über den Vorschlag abstimmen wird. Final ausgearbeitet wird der Vorschlag in der Klublizenzierungskommission der UEFA, dort sitzen DFB-Vizepräsident Peter Peters und Marc Lenz von der DFL als Vertreter der des europäischen Ligenverbandes.

Paris Saint-Germain, Manchester City oder Chelsea sind Beispiele für Klubs, bei denen die Besitzer keine Gewinnerwartung haben. Es gibt aber Klubs, bei denen das anders aussieht, eine Kostenkontrolle ist hier durchaus erwünscht. Klubs wie Arsenal, Manchester United oder Tottenham zählen beispielsweise dazu.

Eine wichtige Woche steht an, eine Entscheidung soll zum Jahresende stehen

Am Montag und Dienstag (06./07.09.2021) treffen sich die Vertreter der Klubs bei der Generalversammlung der Klubvereinigung ECA, es folgt eine Vorstandssitzung des europäischen Ligenverbandes.

Am Donnerstag und Freitag steht eine groß angelegte Konferenz der UEFA an, beteiligt sind Klubs, Ligen, Fanvertreter, Spielergewerkschaften und Berater. In der Einladung, die der Sportschau vorliegt, ist von Diskussionen über "finanzielle Nachhaltigkeit" und einer "Stärkung der Kostenkontrolle" die Rede.

Es könnte also zu weiteren öffentlichen Positionierungen kommen, die echte Arbeit findet aber weiter im Hintergrund statt. Eine Entscheidung soll nach Informationen der Sportschau bis spätestens zum Jahresende stehen.

Für die UEFA wird die Woche ohnehin spannend - der von der FIFA anvisierte Zweijahresrhythmus bei der WM wird genauso ein Thema sein.