Spielszene: Sara Linder (l.) von der TSG Hoffenheim gegen Bremens Tuana Keles

Nach Euphorie um DFB-Elf Wie können die Bundesligavereine den EM-Hype nutzen?

Stand: 02.08.2022 12:41 Uhr

Die DFB-Elf hat bei der EM für Quoten-Rekorde gesorgt. Was die Bundesligisten jetzt schon davon merken und wie sie davon profitieren können, erklären sie im Sportschau-Gespräch.

"Es muss etwas davon übrig bleiben", sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg im Hinblick auf die Euphorie rund um die Fußball-Europameisterschaft, aber speziell auch um die Vize-Europameisterinnen aus Deutschland. "Ich hoffe, dass wir da tatsächlich auch mit dem Bundesligaauftakt eine Euphorie setzen können", blickte Joti Chatzialexiou, seines Zeichens sportlicher Leiter beim DFB, schon einige Wochen voraus. Das Thema "Nachhaltigkeit" ist gerade im deutschen Frauenfußball allgegenwärtig.

Auftakt-Kracher mit Gwinn und Co.

Wer nachhaltige Veränderung will, der muss seinen Alltag und seine Gewohnheiten umstellen. Das gilt bei einer Diät, das gilt beim Klimaschutz und das gilt in diesem ganz konkreten Fall eben auch für den Frauenfußball in Deutschland. Und an dessen Speerspitze steht, im Alltag, die Bundesliga. Die startet Mitte September - unter anderem mit dem Kracher zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München im Frankfurter Stadion, das über 50.000 Fans Platz bietet.

Spielszene: Giulia Gwinn (l.) von Bayern München gegen Barbara Dunst von Eintracht Frankfurt

Möglich, dass die Euphorie bis dorthin trägt und reicht, um dann eine hohe Zuschauerzahl zu erreichen. Das ist es, was Chatzialexiou hofft. Schließlich ist es für neue und alte Fans das erste echte Wiedersehen mit den EM-Stars Giulia Gwinn, Lina Magull oder Frankfurts Nicole Anyomi. Eine Zuschauerzahl auf der Schwelle zum fünfstelligen Bereich wäre ein Riesenerfolg. Die Frankfurterinnen waren vergangene Saison Spitzenreiterinnen im Zuschauer-Ranking der Liga - mit etwa 1.580 Fans pro Spiel und somit insgesamt knapp 18.000 über die gesamte Saison.

Umzug in große Stadien kann ein Mittel sein

Aber, selbst wenn es so kommt: Dieses Eröffnungsspiel ist ein einzelnes Event, kein Alltag. Erst einmal nicht nachhaltig. Aber die Eventisierung, ein spannendes Rahmenprogramm und ein partieller Umzug in große Stadien könnten ein Weg sein, den Euphorie-Funken am Glimmen zu halten und weiter zu entfachen, das glauben nicht nur der sportliche Leiter des DFB, sondern auch die Vereine selbst. "Wir spielen Ende November auch gegen den SC Freiburg im großen Stadion", sagt Marcel Kuhnt, Pressesprecher der Frauen vom SV Werder Bremen gegenüber der Sportschau. Das sei "eine gute Chance für Werder", vor allem mit einem Bremer Sieg - denn der sportliche Erfolg sei am Ende immer eines der wichtigsten Kriterien, um die Attraktivität hochzuhalten, wie jetzt eben auch bei der DFB-Elf.

Spielszene: Freiburgs Janina Minge (l.) gegen Christin Meyer von Werder Bremen

"Man sollte auch keine Angst haben, dass es keine 10.000 Zuschauer werden. Es geht einfach darum, dass das ein anderes Umfeld ist. Meine Erfahrung ist: Sobald man ins große Stadion geht, kommen auch deutlich mehr Zuschauer", meint auch Ralf Kellermann, sportlicher Leiter beim Spitzenklub VfL Wolfsburg.

Hoffenheims Zwanziger: Abstand zwischen Heimspielen zu groß

Nachhaltigkeit und Kontinuität erreicht man aber eben auch dadurch, dass man Dinge regelmäßig wiederholt. Und hier liegt, so Ralf Zwanziger, Abteilungsleiter Frauenfußball bei der TSG Hoffenheim, eines der Hauptprobleme, die die Vereine selbst gerade nicht lösen können: "Die meisten Leute, die zu uns ins Stadion kommen, sind hellauf begeistert. Auch von der sportlichen Leistung, aber eben auch von dem, was wir den Familien im Umfeld bieten. Aber wenn das nächste Heimspiel dann erst vier Wochen später ist, ist es schwer, bei den Fans den Wunsch zum Wiederkommen am Leben zu erhalten."

Eine Liga mit nur zwölf Teams sei dafür nicht ausreichend, so Zwanziger weiter: "Es ist nicht die Alleinlösung, dass man mehr Mannschaften in die Liga bekommt, aber darauf muss es irgendwann hinauslaufen, dass man vielleicht mal bei 16 Vereinen landet und dann auch mehr Heimspiele hat."

Euphorie ist schon spürbar

Spürbar ist die entstandene Euphorie bei den Vereinen aber durchaus schon. "Es kommen vermehrt Kartenanfragen für das erste Heimspiel", erzählt Zwanziger. "Bei unserem Mädchencamp, das wir anbieten, gab es schon immer viele Anfragen, aber das ist jetzt in den letzten Tagen noch einmal mehr geworden", berichtet die sportliche Leiterin vom Aufsteiger SV Meppen, Maria Reisinger. Generell sei man aber im Jugendbereich als Bundesligist gut aufgestellt, Probleme gebe es bei den kleineren Vereinen.

Vereine: Mädchen auch mit Jungs spielen lassen

Gleiches berichten auch die anderen Vereinsvertreter gegenüber der Sportschau. "Es muss jetzt in die Breite, in die Basis gehen. Die Leute müssen dabei aber auch durch uns inspiriert werden, damit sie Bock haben, zu spielen. Die Vereine müssen aber beispielsweise auch Mädchen mit Jungs spielen lassen, einfach um das Angebot zu erhöhen", sagt Reisinger. Auch in diesem Punkt herrscht bei den Vertretern Einigkeit.

Mehr Fernsehpräsenz, mehr Geld

Eine entscheidende Rolle spiele natürlich auch die Fernsehpräsenz. "Da erhofft man sich natürlich aufgrund der tollen Quoten jetzt, dass beim Bieten um den Frauenfußball auch was rumkommt. Es muss ja auch finanziell vorangehen", sagt Zwanziger.

Beim 1. FC Köln und bei Bayer 04 Leverkusen setzen die Verantwortlichen auch auf die Mithilfe der Medien. "Unser Ziel ist es, noch mehr Fans ins Stadion zu locken. Die Zielgruppen sind vor allem Fans und Mitglieder des 1. FC Köln sowie die Frauen- und Mädchenfußballvereine rund um Köln. Dazu kommen sportbegeisterte Familien. Wir brauchen dazu auch die Medien, die die Begeisterung transportieren", sagt die sportliche Leiterin der Kölnerinnen, Nicole Bender.

"Der Boom ist in erster Linie durch Medien geschaffen und in deren Verantwortung liegt es auch, dass das Interesse nach der EM nicht wieder abflacht", teilen die Leverkusener derweil mit. "Bayer 04 als Verein, unsere Spielerinnen und die Verantwortlichen aus dem Bereich Frauenfußball erfüllen die wachsenden Medien-Anfragen gerne und tragen somit gerne zu einer dauerhaft größeren Aufmerksamkeit für den deutschen Frauenfußball bei." Spezielle Vermarktungsmaßnahmen plane man aber derzeit nicht.

In der Sportschau wird es in dieser Saison immer wieder Zusammenschnitte und Live-Partien wie das zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem VfL Wolfsburg am zweiten Spieltag (24. September/17.55 Uhr) geben, darüber hinaus übertragen einige Landesrundfunkanstalten ebenfalls immer wieder Spiele. Für die Spielzeiten 2023/24 bis 2026/27 sind die audiovisuellen Medienrechte neu ausgeschrieben.

Meppens Reisinger: Alle sind gefragt

Ob nun durch eine breitere Basis mit besseren Strukturen, mehr Stadionbesucher durch ein attraktiveres Rahmenprogramm und gute sportliche Leistungen, mehr Fernsehzuschauer durch eine attraktivere Vermarktung oder mehr Geld durch lukrativere Verträge: Über das Potenzial, das die Europameisterschaft für den deutschen Frauenfußball und die Bundesligisten geschaffen hat, sind sich alle Vereine einig. Jetzt müsse das aber eben auch genutzt werden. "Klar, die Verbände müssen auch was tun, das muss ein Hand in Hand sein. Aber man muss jetzt auch versuchen, das als Verein mitzunehmen und da fängt es bei jedem Einzelnen an. Ob kleiner Klub oder Bundesligist", fasst Reisinger zusammen.