UEFA-Präsident Aleksander Ceferin

UEFA und Investoren Mehrere Klubs besitzen? Ceferin will "Regeln überdenken"

Stand: 17.03.2023 22:43 Uhr

Die aktuellen Regeln der UEFA verbieten es, dass ein Klubbesitzer gleichzeitig die Kontrolle über mehr als einen Klub in den europäischen Wettbewerben haben darf. Der UEFA-Präsident stellt diese Maßgabe nun zur Debatte.

Der gleichzeitige Besitz von mehreren Klubs hat in den Europapokal-Regularien der UEFA einen eigenen Paragraphen. Sinngemäß heißt es dort: "Keine natürliche oder juristische Person darf Kontrolle über oder Einfluss auf mehr als einen teilnehmenden Verein haben", was sich beispielsweise auf "die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre" bezieht.

Diese Regel wird nun von höchster Stelle zur Debatte gestellt. "Wir müssen über diese Regeln sprechen", sagte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin. "Denn es gibt immer mehr Interesse daran, mehrere Klubs gleichzeitig zu besitzen. Wir sollten zu solchen Investitionen nicht einfach 'nein' sagen."

Manchester United - UEFA könnte vor unangenehmen Fragen stehen

Ceferin äußerte sich in einem Interview mit dem früheren Fußballer Gary Neville im YouTube-Kanal "The Overlap". Neville spielte früher für Manchester United - ein Klub, der in der vom UEFA-Präsidenten gestarteten Debatte eine entscheidende Rolle einnehmen könnte. Denn die beiden bekannten favorisierten Gebote zur möglichen Übernahme des Klubs kommen zum einen aus dem Umfeld von Katars Herrscherfamilie, die über Katars Staatsfonds bereits Paris Saint-Germain besitzt, und zum anderen vom britischen Milliardär Jim Ratcliffe, dem mit seinem Unternehmen Ineos schon OGC Nizza gehört.

Die UEFA kann keine Übernahme von Manchester United verhindern, das klärt die Premier League. Die UEFA könnte zur neuen Saison jedoch vor die unangenehme Frage gestellt werden, ob sie beispielsweise Paris Saint-Germain oder Manchester United die Teilnahme an der Champions League verweigert. Ceferin will diese Frage möglicherweise vorab klären.

Experte: UEFA will dem Willen der Investoren nachkommen

"Die UEFA hat letztes Jahr festgestellt, dass sich 180 Klubs weltweit in Mehrfachbeteiligungen befinden", sagt der englische Journalist Steve Menary im Gespräch mit der Sportschau. "Aber ich habe alleine 256 gefunden, und sicherlich gibt es noch viel mehr, die sich hinter Briefkastenfirmen verstecken."

Menary ist Experte auf dem Gebiet der Mehrfachbeteiligungen unter Fußballklubs. Seiner Ansicht nach nimmt die UEFA das Problem nicht ernst. "Statt irgendeine Form von sinnvoller Regulierung zu erlassen, um zu verhindern, dass Vereine in kleineren Ligen zu Farmteams werden, scheint Ceferin das Thema durchzuwinken - jetzt, wo Mehrfachbeteiligungen insbesondere in Europa groß geworden sind. Es wirkt auf mich wie eine sehr schwache Reaktion, nur um dem Willen der großen Klubs und Investoren nachzukommen."

Manchester Citys Erling Haaland gegen Willi Orban von RasenBallsport Leipzig

Manchester Citys Erling Haaland gegen Willi Orban von RasenBallsport Leipzig

"Multi-Club Ownership" als großer Trend im Fußballgeschäft

Der Besitz von mehreren Fußballklubs ist ein Trend geworden. Das Phänomen wird in der Geschäftswelt Fußball "Multi-Club Ownership" genannt. Ganze Netzwerke sind entstanden, drei der bekanntesten:

  • City Football Group: Die von Abu Dhabis Herrscherfamilie kontrollierte Gesellschaft ist vor allem für den Besitz von Manchester City in der Premier League bekannt. Doch der Gruppe gehören weitere Klubs ganz oder teilweise: New York City FC (USA), Melbourne City FC (Australien) oder Yokohama Marinos (Japan) sind Beispiele aus dem entfernten Ausland. Aber auch in Europa ist die Gruppe aktiv und beteiligt an oder in Besitz von Lommel SK (Belgien), FC Girona (Spanien), ES Troyes (Frankreich) und FC Palermo (Italien).
  • Red Bull: Das durch einen Energydrink bekannte Unternehmen besitzt Red Bull Bragantino (Brasilien) und die New York Red Bulls (USA). Zudem ist Red Bull zu 99 Prozent Gesellschafter beim deutschen Bundesligisten RasenBallsport Leipzig. Der österreichische Erstligist Red Bull Salzburg wurde offiziell unabhängig vom Unternehmen aufgestellt. Gleiches gilt für den österreichischen Zweitligisten FC Liefering, der als Farmteam für Red Bull Salzburg auftritt.
  • 777 Partners: Vasco da Gama (Brasilien), Melbourne Victory (Australien), Red Star Paris (Frankreich), FC Genua (Italien) und Standard Lüttich (Belgien) gehören der Investmentfirma ganz oder teilweise. Sie hält auch Anteile am FC Sevilla (Spanien) und seit Lars Windhorsts Ausstieg zunächst 64,7 Prozent der Kapitalanteile von Hertha BSC. Im Zuge einer Kapitalerhöhung stiegt der Anteil auf 78,8 Prozent - dabei geht es nicht um Stimmanteile, die bei der 50+1-Regel entscheidend sind.
Herthas Präsident Kay Bernstein (l.) zusammen mit "777 Partners"-CEO Joshua Wander (M.) und Hertha-Geschäftsführer Thomas Herrich

Herthas Präsident Kay Bernstein (l.) zusammen mit "777 Partners"-CEO Joshua Wander (M.) und Hertha-Geschäftsführer Thomas Herrich

UEFA warnte zuletzt selbst vor Mehrfachbeteiligungen

Es war die UEFA selbst, die kürzlich in einem Finanzreport vor diesem Trend warnte. Er sei möglicherweise eine erhebliche Bedrohung für die Integrität der europäischen Vereinswettbewerbe wie der Champions League, schrieb die UEFA. "Es gibt ein wachsendes Risiko, dass sich zwei Vereine mit demselben Eigentümer oder Investor auf dem Spielfeld gegenüberstehen."

Im Fall von Red Bull entschied die UEFA 2017, dass die Klubs Red Bull Salzburg und RasenBallsport (RB) Leipzig beide an den UEFA-Wettbewerben teilnehmen dürfen. Beide Klubs hätten "bedeutende Änderungen" im Management und der Struktur vorgenommen, sodass die Regularien erfüllt werden, hieß es damals von der UEFA.

Red Bull gegen RasenBallsport in der Europa League 2018

Red Bull gegen RasenBallsport in der Europa League 2018

DFL führte 2015 Beschränkung ein, aber sie gilt nur national

Für die Bundesliga zog die Deutsche Fußball Liga (DFL) 2015 Grenzen ein, nachdem der Volkswagen-Konzern Eigner oder Anteilsinhaber bei mehreren Klubs geworden war. Seitdem darf laut DFL-Satzung niemand "unmittelbar oder mittelbar an mehr als drei Kapitalgesellschaften der Lizenzligen beteiligt sein", nur bei einem dieser drei Klubs darf eine Beteiligung von "10 Prozent oder mehr" bestehen. Reicht das?

Was ein Investor im Ausland besitzt, spielt dabei keine Rolle. Das Bündnis "Zukunft Profifußball" fordert in einem Konzept deshalb eine internationale Ausweitung der Regel. Die Forderung lautet: "Wer in anderen Ligen mehr als 10 Prozent an einem Club hält, darf in Deutschland auch nicht mit mehr als 10 Prozent an einem Club beteiligt sein." Der Hintergrund: Auch in Deutschland ist das Phänomen immer stärker zu beobachten.

Trotz 50+1 geht das Phänomen nicht an der Bundesliga vorbei

Der Einstieg von 777 Partners bei Hertha BSC ist kein Einzelfall. Der chinesisch-amerikanische Investor Chien Lee ist durch "NewCity Capital" am 1. FC Kaiserslautern beteiligt, hält aber zugleich beispielsweise am FC Barnsley (England), KV Oostende (Belgien), FC Den Bosch (Niederlande) oder FC Thun (Schweiz) Anteile.

2021 kaufte der amerikanische Investor David Blitzer 45 Prozent der Anteile am FC Augsburg, ihm gehören Anteile an beispielsweise Bröndby IF (Dänemark), Crystal Palace (England), Real Salt Lake (USA) oder ADO Den Haag (Niederlande).

"Es geht nicht nur um Besitz, es geht auch um entscheidenden Einfluss und Kontrolle", sagte Experte Menary. "Wenn ein Investor bei einem finanziell schwachen Klubs die Gehälter bezahlt, deckt er die größten Kosten ab." Das bedeute zwangsläufig Macht.

Ceferin: "Kann man einen Trainer anweisen, zu verlieren?"

Weitere Probleme für den Wettbewerb sind klar: Transfers innerhalb eines Netzwerks von Klubs einer Mehrfachbeteiligung könnten zu Preisen getätigt werden, die den Bedürfnissen der Investoren entsprechen - und nicht den tatsächlichen Marktwerten. Das kann beispielsweise helfen, Steuern zu sparen, Regeln des Financial Fairplay einzuhalten oder um starke Spieler bei einem kleinen Klub zu entwickeln und kostengünstig in den größten Klub hochzuziehen.

Ceferin sprach in dem Interview nur mögliche Probleme auf dem Platz an. "Auf der einen Seite ist es richtig: Wenn du zwei Klubs im selben Wettbewerb besitzt, könntest du den einen anweisen, zu verlieren, weil der andere gewinnen soll", sagte der UEFA-Präsident und fragte: "Aber glaubst du, es ist so einfach, den Trainer zum Verlieren anzuweisen?" Er sei sich nicht sicher, wie die Entscheidung der UEFA ausfallen werde. "Aber es muss schnell geschehen."