Toni Kroos mit dem Henkelpott

15. Titel in der Champions League Real Madrid und Toni Kroos - die zwangsläufigen Sieger

Stand: 02.06.2024 10:53 Uhr

Real Madrid tat, was es besonders gut kann: Der Klub gewann das Finale der Champions League gegen Borussia Dortmund trotz mäßiger Leistung. Toni Kroos verabschiedete sich triumphal – und reist als Sieger mit Deutschland zur EM.

Von Hendrik Buchheister, London

Die grauen Haare saßen nach dem Triumph im Wembley-Stadion einwandfrei bei Carlo Ancelotti, ebenso der schwarze Anzug und die Krawatte. Er sah nicht aus wie jemand, der gerade den vielleicht größten Klub der Welt im wichtigsten Spiel des internationalen Vereinsfußballs betreut hatte.

Und der danach von seinen Spielern mehrfach so hoch in die Londoner Nacht geworfen worden war, dass man denken konnte, sie wollten ihn bis an den gigantischen Bogen über dem Stadion schleudern. Doch so ist er eben, das zeichnet Carlo Ancelotti aus.

Sieg gegen den BVB - wie ein normaler Tag im Büro

Die ganze Aufgeregtheit eines Champions-League-Finales, die Vielfalt an emotionalen und körperlichen Turbulenzen, die diese Veranstaltung mit sich bringt – sie scheinen ihn nicht zu berühren. Ancelotti saß also im Pressesaal von Wembley, es ging auf Mitternacht zu, und sprach in aller Ruhe darüber, dass der 2:0-Sieg gegen Borussia Dortmund ein bisschen gewesen sei wie ein normaler Tag im Büro: "Ja, das kann man so sagen." Dazu gestikulierte er mit den Händen, ohne dass die Ellenbogen die Tischplatte verließen.

Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti mit der Champions-League-Trophäe

Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti mit der Champions-League-Trophäe

Champions League: Und wieder heißt der Sieger Real Madrid

Real Madrid hat wieder einmal gemacht, was Real Madrid eben macht. Der Verein hat wieder einmal den Silberpokal mit den Riesenhenkeln gewonnen, zum 15. Mal schon, und das wieder einmal in einem Spiel, in dem die Mannschaft keine Glanzleistung geboten hatte.

In der ersten Hälfte schien sich ein Wunder anzubahnen. Borussia Dortmund, der wohl größte Außenseiter in einem Champions-League-Finale der Neuzeit, hatte beste Chancen auf die Führung. Sollte der Klub, der die Bundesliga gerade als Tabellenfünfter abgeschlossen hat, Real tatsächlich die erste Niederlage in einem europäischen Finale seit 1983 zufügen?

Nein, sollte er nicht. In der Schlussphase trat das Unvermeidbare ein. Real kam durch die Treffer von Dani Carvajal und Vinícius Júnior zum erwarteten Favoritensieg. "Wir haben nicht unser bestes Spiel gemacht, aber es scheint, dass wir diese Spiele nicht verlieren können", sagte der deutsche Nationalspieler Toni Kroos dem amerikanischen Sender "CBS". Diese Spiele – damit meinte er Champions-League-Finale.

Bellingham: "Es ist die beste Nacht meines Lebens"

Es ist beachtlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Real Madrid diesen Wettbewerb gewinnt. Seit 2016 ging der Titel für die beste Mannschaft Europas fünf Mal an den Verein aus Spaniens Hauptstadt. Der Weggang von Ikonen wie Cristiano Ronaldo oder Karim Benzema scheint Real ebenso wenig anhaben zu können wie der Aufstieg von Klubs mit Sponsoring durch reiche Golfstaaten.

Nachdem Manchester City in der vergangenen Saison zum ersten Mal die Champions League gewonnen hatte, befürchteten einige Beobachter schon ein Zeitalter, in dem Scheichklubs den Wettbewerb dominieren würden. Ein Jahr später ist dieses Zeitalter schon wieder vorbei.

Den Abschied alter Helden scheint Real Madrid problemlos zu kompensieren. In dieser Saison erlebte Jude Bellingham seinen Aufstieg zum Superstar. Der 20 Jahre junge Engländer war der einzige Vertreter der Delegation aus Madrid, dem nach dem Sieg gegen Dortmund die Fassung abhanden kam: "Ich kann es nicht in Worte fassen – es ist die beste Nacht meines Lebens", sagte er beim englischen Sender "TNT Sport". Man merkte Bellingham an: Der Mann, der erst vor einem Jahr aus Dortmund nach Madrid kam, ist es nicht gewohnt, Champions-League-Finale zu spielen und zu gewinnen.

Jude Bellingham nach dem gewonnenen CL-Finale

Bellingham fassungslos nach dem Sieg im Champions-League-Finale

Toni Kroos stellt Rekord ein

Dieses Problem hat sein Mitspieler Toni Kroos nicht. Das Finale von Wembley war sein letzter Aufritt im Klubfußball und hob ihn in den erlesenen Kreis der Spieler mit der Rekordzahl von sechs Champions-League-Titeln. Was es so besonders mache, für Real zu spielen, fragte ihn der amerikanische Sender "CBS Sport", und Kroos musste lächeln: "Man verliert keine Finals. Das ist ein guter Anfang."

Für das Schlusskapitel seiner Karriere bleibt Kroos nur noch ein Ziel – der Titel mit der deutschen Nationalmannschaft bei der EM im eigenen Land, die am 14. Juni beginnt. Wie auch sein Kollege Antonio Rüdiger reist Kroos mit einem Selbstvertrauen zu dem Turnier, das man nur bei Real Madrid bekommt – es ist das Selbstvertrauen der zwangsläufigen Siege.