Dorothea Wierer aus Italien am Schießstand

Biathlon-WM in Nové Město Dorothea Wierer - ein letztes Hurra der Grande Dame?

Stand: 31.01.2024 14:32 Uhr

Seit eineinhalb Jahrzehnten ist Dorothea Wierer eine feste Größe im Biathlon-Weltcup. Die WM in Nové Město könnte nun ihr letztes sportliches Highlight sein. Die Italienerin ist von Krankheiten geplagt, auch ein Rücktritt der 33-Jährigen könnte schneller kommen als gedacht.

2019 und 2020 waren die Jahre der Dorothea Wierer. Die Südtirolerin mit dem breiten Lächeln holte zunächst Gold, Silber und Bronze bei der Biathlon-WM im schwedischen Östersund. Sie war die erste Italienerin, die Weltmeisterin wurde. Die jahrelange Schufterei hatte sich endlich ausgezahlt.

Ein Jahr später strahlte Wierer, die in Niederrasen im Antholzer Tal geboren wurde, bei ihrer Heim-WM im doppelten Goldglanz. "Doro-Dea" - Göttin Doro - war geboren. Folgerichtig stand in beiden Saisons am Ende auch der Gewinn des Gesamtweltcups. Eigentlich sollte damals schon Schluss sein. Das hatte sie zumindest drei Jahre vorher angekündigt. Doch ihr Ehrgeiz war gepackt. Zumal inzwischen bekannt war, dass 2026 die Olympischen Spiele in ihrer Heimat stattfinden sollen. Also noch einmal volle Motivation, denn eine Olympische Goldmedaille fehlt in ihrer Sammlung.

Dorothea Wierer mit ihren vier Medaillen bei der WM 2020

Dorothea Wierer mit ihren vier Medaillen bei der WM 2020.

Wierers Ambitionen steht die Gesundheit im Weg

Doch in diesem Winter tut sie sich schwer - noch schwerer als in den Jahren davor. Immer wieder kämpft sie mit Krankheiten, in dieser Saison konnte sie bei sieben Einzelwettkämpfen nicht starten. Geplagt von Infekten schaffte sie einen für ihre Verhältnisse nur mäßigen Saisonstart, mit dem 14. Platz beim Verfolger in Östersund als beste Platzierung. Ihre Ambitionen aber trieben sie dazu, weiterzumachen, was in Lenzerheide in einem gesundheitlichen Vollcrash endete.

Sie ging trotz Erkältung an den Start und machte alles noch schlimmer. Sie bekam kaum noch Luft, selbst einfachste Spaziergänge waren nicht möglich. "Ich bin in jeder Saison in der Vergangenheit ein Mal krank gewesen, aber es war noch nie so schlimm", sagte sie vor wenigen Tagen dem norwegischen TV-Sender NRK.

Die Folge ihrer Gier nach Wettbewerb war das erzwungene Auslassen der Weltcups in Oberhof und Ruhpolding. In Antholz kam sie planmäßig zurück, um noch etwas Wettkampfpraxis für die WM zu sammeln. Doch auch auf ihren Strecken, in ihrer Arena wollte es nicht ganz passen. Nach Platz 14 im Einzel und Rang zwei mit der Mixed-Staffel waren die Akkus wieder leer, den Massenstart ließ sie aus.

Die Zeichen stehen auf Abschied

Wie also geht es weiter mit der 21-maligen Weltcupsiegerin? Bereits im Spätsommer hatte Wierer selbst zwei mögliche Szenarien ins Spiel gebracht. Entweder stellt sie nach dieser Saison oder nach den Winterspielen 2026 Ski und Gewehr in die Ecke. Dazwischen würde es "keinen Sinn ergeben", hatte sie der italienischen Tageszeitung La Stampa erklärt. Voraussetzung für Olympia wäre, dass sie auf Top-Niveau dort antritt: "Ich will nicht einfach nur mitmachen, um teilzunehmen."

Von den Spitzenrängen ist sie aktuell aber deutlich entfernt. Und sie hatte durch die Pause in den vergangenen Wochen viel Zeit zum Überlegen. Dabei sei auch eine Entscheidung gereift. Welche, ließ Wierer in einem Interview mit Corriere dello Sport aber offen, das wolle sie am Ende des Winters bekanntgeben. Ihren Aussagen nach aber spricht vieles dafür, dass sie Schluss macht. Schließlich habe sie "erkannt, wie schön das Leben abseits des Sports ist".

Wierer mit gedämpften Erwartungen an die WM

Somit könnten die Weltmeisterschaften in Nové Město (7. bis 18. Februar) - fast 15 Jahre nach ihrem Weltcup-Debüt in Oberhof - ihr letzter großer Auftritt werden. Wierer selbst setzt sich angesichts der zähen Vorbereitung keine großen Ziele und kocht auf kleiner Flamme. Die Gesundheit stehe an erster Stelle: "Ich bin keine Maschine".

Dass es in Tschechien für Wierer noch mal zu einer Einzelmedaille reicht, scheint angesichts der Leistungsdichte bei den Frauen auch ausgeschlossen. Zu viele der Favoritinnen müssten patzen, damit die Italienerin dort selbst mit einer makellosen Leistung ganz vorne reinlaufen könnte. Denn trotz einer 92-prozentigen Trefferquote beim Schießen (Top 5 im laufenden Weltcup) ist sie in der Loipe aktuell zu weit weg von der Spitze. Wierer hat lediglich die 40.-besten Laufzeiten.

Ein letztes Hurra in Nové Město?

Deutlich größer sind ihre Chancen im Team. Auch wenn die italienischen Frauen in der Staffel in diesem Winter bisher den Sprung auf das Podest verpassten, sind sie als Titelverteidigerinnen im Kreis der Favoritinnen vertreten. Auch im Mixed könnte am Ende etwas herausspringen, die Leistungen in dieser Saison geben genügend Anlass zur Hoffnung. Gemeinsam mit Lisa Vittozzi und ihren männlichen Teamkollegen wurde sie in Östersund Dritte und in Antholz Zweite.

Also könnte es trotz der schwierigen Voraussetzungen etwas werden mit der 13. WM-Medaille für Dorothea Wierer. Es wäre der glänzende Abschluss der goldenen Karriere einer ganz großen Biathletin.