Der VfB Stuttgart bejubelt den Einzug in die Champions League

Fußball | Meinung Von wegen Downfall - die Widerstandsfähigkeit des VfB Stuttgart hat beeindruckt

Stand: 22.05.2024 08:59 Uhr

Der VfB Stuttgart hat eine überragende Saison am letzten Spieltag mit der Vize-Meisterschaft gekrönt. Was SWR-Sportredakteur Johann Schicklinski besonders beeindruckt hat, war die Resilienz der Schwaben.

Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass der VfB Stuttgart eine Saison mit zahlreichen Rekorden gespielt hat. Hier sind noch einmal die wichtigsten Bestmarken: 73 Zähler sind drei Punkte mehr als die bisherige Bestmarke aus der Meistersaison 2006/2007 (70). Zehn Auswärtssiege gab es noch nie. Sich im Vergleich zur Vorsaison um 14 Tabellenplätze zu verbessern, ist eingestellter Bundesliga-Rekord zwischen zwei aufeinanderfolgenden Spielzeiten. Ebenso wie die 40 Punkte mehr im Vergleich zur Vorsaison. Serhou Guirassy erzielte zwölf Mal den 1:0-Führungstreffer, ebenfalls eingestellte Bundesliga-Bestleistung.

Diese Rückrunde wird in Erinnerung bleiben

Es gab so viele Höhepunkte, Bestleistungen und erinnerungswürdige Momente - es möge sich jeder sein ganz eigenes Highlight heraussuchen.

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Was mich persönlich besonders beeindruckt hat, war die Resilienz des VfB Stuttgart in der Rückrunde der abgelaufenen Spielzeit. Kurz zur Erinnerung: Die Mannschaft von Trainer Sebastian Hoeneß hatte eine starke Hinserie gespielt und 34 Punkte, also exakt 2,0 Zähler im Schnitt, geholt. Viele Experten und vermeintliche Kenner hatten geunkt, dass die Schwaben über ihren Verhältnissen gespielt und von einem enormen Lauf profitiert hätten. Es sei immer schwerer, Erfolg zu bestätigen als ihn schlicht zu haben.

Ins neue Jahr startete der VfB dann ohne vier Spieler. Guirassy (Guinea) und Silas (Demokratische Republik Kongo) weilten beim Africa Cup, Hiroki Ito (Japan) und Jeong Woo-yeong (Südkorea) liefen bei der Asien-Meisterschaft für ihre Heimatländer auf. Bei für die Spieler günstigen und für Stuttgart ungünstigen Spielverläufen würden die vier Profis bis in den Februar hinein fehlen, so viel war klar. Bis zu sechs Pflichtspiele hätten Guirassy und Co. den Schwaben fehlen können.

Downfall des VfB Stuttgart? Fehlanzeige!

Und so kam es auch, alle Spieler erreichten mit ihren Teams die K.o.-Runde. Gleichzeitig verlor der VfB die ersten beiden Pflichtspiele des neuen Jahres gegen Gladbach und Bochum. Hinten wacklig, vorne trotz teils bester Chancen ungefährlich: Schnell machte der Begriff vom "Stuttgarter Downfall" die Runde. Und was machte die Hoeneß-Truppe? Schlug zurück - und zwar furios: 5:2 gegen Leipzig, 3:1 in Freiburg.

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Zwischen den beiden Spielen verletzte sich "Abwehr-Fels" Dan-Axel Zagadou schwer am Kreuzband - Saisonaus! Auch hier eine ganz starke Reaktion des VfB. Den Derby-Sieg in Freiburg widmeten sie ihrem verletzten Kollegen, danach gab es das vielleicht beste Spiel der Saison, als Stuttgart erst in der 90. Minute im DFB-Pokal in Leverkusen mit dem 2:3 eine bittere Niederlage einstecken musste. Woraufhin wieder zwei souveräne Siege in der Bundesliga folgten.

Es ist ein Muster erkennbar

Es ist ein Muster, das sich durch die Rückrunde zog. Gab es Widrigkeiten oder Rückschläge, folgte eine starke Reaktion. Auf die enttäuschenden Heim-Remis gegen Köln oder Heidenheim folgten triumphale Auswärtssiege in Wolfsburg oder Dortmund, die so wirkten, als seien sie von Wut und dem Willen auf Wiedergutmachung getrieben.

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Abwehrchef Waldemar Anton fehlte wegen einer Sperre beim BVB? Dann spielte eben Angelo Stiller statt im Mittelfeld eine Art Libero - und das herausragend. Nationalmannschaftskandidat Josha Vagnoman ereilte wegen Problemen mit dem Mittelfuß das frühzeitige Saison-Aus? Leonidas Stergiou ersetzte ihn auf der rechten Defensivseite, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht. Der Mega-Patzer von Alexander Nübel gegen Heidenheim? Danach hielt er wieder wie ein junger Gott. Oder der Kieferbruch von Anthony Rouault - die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Der VfB Stuttgart scheint ein eingeschworerer Haufen zu sein

Es hat aus meiner Sicht alles gepasst. Zu dieser Art Resilienz haben für mich viele beigetragen. Coach Hoeneß halte ich neben seinen Fähigkeiten als Fußballlehrer für einen herausragenden Pädagogen. Die Mannschaft hat ein Selbstverständnis und eine Gier entwickelt, die maximal erscheinen. Das Verständnis untereinander ist gegeben, der VfB Stuttgart scheint ein eingeschworener Haufen zu sein, in dem die Chemie stimmt. Die Spieler pushen sich gegenseitig.

Diese ureigene Kraft, sich nicht aus dem Flow bringen zu lassen, hat mich sehr beeindruckt. Den "Stuttgarter Downfall" gab es nicht. Und die Chancen stehen gut, dass es ihn auch künftig nicht geben muss. Trainer Hoeneß bleibt, das Abenteuer Champions League wartet und wenn die Mannschaft bis auf ein, zwei Leistungsträger zusammen bleibt und sinnvoll ergänzt wird, sehe ich nicht, warum der VfB nicht auch in der kommenden Spielzeit eine gute Rolle spielen sollte.

Sendung am So., 19.5.2024 22:10 Uhr, SWR Sport, SWR