Timo Hildebrand schätzt die Vielseitigkeit und Abwechslung beim Triathlon.

Neue sportliche Herausforderung Vom Torwart zum Triathleten: Timo Hildebrand startet beim Ironman 70.3 in Berlin

Stand: 09.09.2023 13:22 Uhr

Timo Hildebrand sucht nach seiner Karriere eine neue Herausforderung. Wie kam er auf die Idee und was schätzt er beim Triathlon mehr als beim Fußball?

Es ist halb acht am Morgen, der Nebel liegt noch über dem Bärensee bei Stuttgart. Rund um den See sieht man eine kleine Gruppe Läufer beim Intervalltraining. Mittendrin im weißen T-Shirt der ehemalige Torwart des VfB Stuttgart, Timo Hildebrand. Er hat die Laufgruppe mit Blick auf seine Triathlon-Premiere beim Ironman 70.3 in Erkner bei Berlin ins Leben gerufen. Diese Gemeinschaft, sagt er, bringt unglaublich viel Spaß, sie zieht ihn mit und motiviert. "Durch so eine Gruppendynamik kann man selber Dinge erreichen, die man alleine beim Laufen nicht erreichen würde."

"Die Schmerzen werden kommen, das weiß ich jetzt schon"

Diese zusätzliche Motivation weiß Timo Hildebrand besonders beim Laufen zu schätzen. Es ist die Disziplin, vor der der ehemalige Keeper den größten Respekt hat. Nach zwei Operationen an der Hüfte weiß er schon jetzt, dass nach dem Schwimmen (1,9 Kilometer) und dem Radfahren (90 Kilometer) spätestens beim abschließenden Halbmarathon Schmerzen kommen werden. Irgendwann ab Kilometer zehn oder zwölf rechnet er fest damit. Dann gilt es für ihn, einfach durchzukommen. Bei dieser Challenge zählt für den 44-Jährigen nicht die Zeit, sondern ins Ziel zu kommen.

Motivation kam für Timo Hildebrand durch Persönlichkeitscoaching

Sport ohne Leistungsdruck auszuüben, ist für den ehemalige Fußballprofi ein neues Gefühl: "Es ist auf jeden Fall was anderes, gefordert zu werden, Leistung bringen zu müssen am Wochenende, und auch immer wieder bewertet zu werden", beschreibt er seine aktive Zeit damals. Das Triathlon-Training jetzt macht er einfach für sich, um Spaß mit anderen zu haben. "Dieser Druck fehlt einfach komplett. Man kann dann auch einfach weniger machen. Und deswegen macht es mir viel mehr Spaß als immer wieder auf den Platz gehen zu müssen, auch wenn man jetzt nicht will, auch wenn der Körper schmerzt."

Die Idee zu dieser neuen sportlichen Herausforderung ist bei einem Persönlichkeitscoaching im Frühjahr 2023 entstanden. Nicht nur wegen des Projekts "Ironman 70.3" ist Timo Hildebrand sehr dankbar für die Erfahrung im Coaching. Er habe dadurch ein ganz anderes Bewusstsein bekommen, Ängste hätten sich verschoben oder aufgelöst. Und das Coaching habe ihm geholfen, "seine" Themen aufzuarbeiten und anders damit umzugehen.

Timo Hildebrand: "Ausdauersport hilft gegen angestaute Emotionen"

Dazu gehört vor allem seine Prägung durch den alkoholkranken Vater in der Kindheit: "Es war nicht die leichteste Kindheit, aber trotzdem habe ich mich in den Fußball so ein bisschen geflüchtet." Über solche Themen rede niemand gerne - auch nicht über das, was einen in der Seele beschäftigt, sagt er. "Über die Themen habe ich jetzt intensiv geredet." Auch wenn er sich damit auch schon in einer Therapie auseinandergesetzt hat, ist ihm nochmal bewusst geworden, dass man davor nicht weglaufen, sondern sich dem gegenüberstellen soll. "Es ist extrem wichtig, glaube ich, auch mit Freunden darüber zu reden und einfach sich diesen Themen entgegenzustellen, um es irgendwann auch auflösen zu können."

Ausdauersport und das Training für den Triathlon zeigen dabei Wirkung - nicht nur körperlich, auch seelisch: "Das hilft extrem, weil unser Nervensystem einfach darauf reagiert, diese angestauten Emotionen zu verflüchtigen. Deswegen hat mir das brutal viel Energie gegeben."

Gemeinschaft beim Triathlon: "Fußball ist ja schon auch Ellbogen"

Energie zieht Timo Hildebrand zusätzlich aus der Gemeinschaft beim Triathlon. Beim Schwimmen, das übrigens seine Lieblingsdisziplin geworden ist, haben ihm unbekannte Leute Tipps gegeben, beim Radfahren grüße man sich: "Fußball ist ja schon auch Ellbogen, viel auch im Team, gerade auf den Positionen. Beim Triathlon macht man etwas miteinander, und man pusht sich gegenseitig." Klar, sei sein Triathlon-Training jetzt nicht auf Profi-Niveau, aber er empfinde bislang ein "großes Miteinander" in der Community. Beim Fußball sei das "auf jeden Fall anders als zum Beispiel beim Triathlon oder auch beim Yoga. Das ist es mir extrem aufgefallen, dass es eben ein viel größeres Miteinander ist als beim Fußball." Jeder versuche beim Fußball sein Ego durchzudrücken.

  

Laufgruppe drückt die Daumen für Hildebrands ersten Triathlon

Nach etwa einer Stunde ist das morgendliche Lauftraining von Timo Hildebrand und seiner Gruppe rund um den Stuttgarter Bärensee vorbei. Nass geschwitzt, aber glücklich stehen die Läufer noch kurz zusammen. "Ich hätte ehrlicherweise gedacht, das schafft er niemals. Als wir gestartet sind, hat er keine vier Kilometer geschafft, und das ist echt der Wahnsinn, was er erreicht hat", sagt eine langjährige Freundin und Trainingspartnerin. Der Tempomacher des Trainings ergänzt: "Ich muss sagen, er hat sich wirklich sehr, sehr gut gemacht, und ich bin sehr guter Hoffnung, dass er einen guten Lauf hinlegen wird." Sicher ist, dass sie alle die Daumen drücken werden, wenn der ehemalige Nationalspieler und Deutsche Meister sich im Triathlon versucht.

Timo Hildebrand wirkt sehr offen, ausgeglichen, bodenständig, man merkt ihm an, dass er es schätzt, ungezwungen an diesem Morgen in der Gemeinschaft Sport zu machen. "Ich bin gestern drei Stunden Fahrrad gefahren, heute Morgen habe ich mich um halb acht mit Leuten getroffen, das habe ich einfach vorher nicht gemacht. Und das macht mich glücklich."